Um das Theaterstück „Terror“ von Ferdinand von Schirach ist eine Diskussion entbrannt. Im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erklärten gestern die beiden Juristen und ehemaligen FDP-Bundespolitiker Gerhard Baum und Burkhard Hirsch, warum sie das literarische Werk und insbesondere seine Theaterinszenierung mit Blick auf die Verfassung für höchst problematisch halten.
Hirsch wirft von Schirach vor: „Er verfälscht die Wirklichkeit und macht die Zuschauer zu Richtern in einer Sache, die sie für die Wirklichkeit halten, ohne die eigentliche Konfliktlage erkennen zu können.“ Auf die Frage, ob das nicht die Freiheit der Kunst sei, entgegnet Baum: „Ist das denn Kunst? Das Stück ist in einer hochpolitisierten Wirklichkeit angesiedelt, von der es gar nicht zu trennen ist. Es ist eine Art Dokumentation. Das von uns veranlasste Verfahren in Karlsruhe ist auf die Bühne gebracht worden mit vielen Zitaten aus dem Verfahren, und gleichzeitig ist es auch künstlerische Freiheit – und diese Mixtur überzeugt eben nicht.“
Er findet, von Schirach „hätte das Stück ja auch so anlegen können, dass es nach dem Urteilsspruch noch einen Moment gibt, in dem gegenüber dem Publikum aufgegriffen wird: So haben Sie abgestimmt, das bedeutet Ihre Entscheidung. Es entspricht nicht dem Grundgesetz, was Sie gerade gemacht haben.“
Erste Reaktionen fallen skeptisch bis ungläubig aus. Andreas Rosenfelder hält in der „Welt“ fest: „Dass namhafte Liberale so über die Freiheit des ästhetischen Urteils denken, ist ein Trauerspiel.“ Uwe Wittstock, Literaturchef des Magazins Focus, urteilt in seinem Blog: „Ihre Argumente gegen das Stück machen einen auffällig illiberalen Eindruck, so als würden sie einem Autor das Wort verbieten wollen, der das brisante Thema anders behandeln möchte, als es ihren Vorstellungen entspricht. […] Es ist überraschend, dass Liberale wie Baum und Hirsch den literarischen Anlass zu einer derart regen politischen Diskussion und daraus folgenden Bewusstseinbildung angreifen und zu unterdrücken versuchen.“
Auch Volker Herres, den Busch und Hirsch im „FAS“-Interview dazu auffordern, den ARD-Themenabend mit der Verfilmung des Stücks im Oktober abzusagen, hat sich zu Wort gemeldet. Der Programmdirektor des Ersten Deutschen Fernsehens erklärt: „Für fragwürdig oder gar populistisch halte ich von Schirachs Stück nicht. Denn hinter der konkreten Situation, die von Schirach für sein Stück gewählt hat, verbirgt sich doch eine ganz alte, grundlegende philosophische Frage, die hier auf aktuelle Weise neu gestellt wird.“
Er schließt: „Gutes öffentlich-rechtliches Fernsehen muss substanziell und hintergründig sein; es muss aber zugleich auch kontrovers sein, es muss provozieren und polarisieren und zur Auseinandersetzung anregen. Einen Fernsehabend, der dies tut, werde ich deshalb, wie die Herren Baum und Hirsch fordern, auf keinen Fall aus dem Programm nehmen.“
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