Die Buchbranche ächzt unter dem Veränderungsdruck durch neue Medienformate, sich auffächernde Vertriebswege, neuartige Kundenbeziehungen und Kommunikationsformen. Zur Neuausrichtung der Verlage gehören neue Leute mit Erfahrungen und Ideen, die nicht aus der Branchensozialisation erwachsen. Helena Bommersheim (54, Foto: Bommersheim Consulting), nach Führungspositionen in Buchhandlungen und Verlagen seit acht Jahren Unternehmens- und Personalberaterin, kennt den wachsenden Bedarf an digital kompetenten Mitarbeitern, idealerweise mit Affinität zu den Inhalten und Ideen für neue Geschäfte.
Insgesamt ist der Wettbewerb um die klugen Köpfe enorm hoch. Und man muss eines deutlich sagen: Content is everywhere. Das ist nicht etwas, was wir für uns als Alleinstellungsmerkmal reklamieren können. Es gibt viele Unternehmen, die unmittelbar angrenzen. Technologieunternehmen, rein netzorientierte Start-ups, die ihren Markt neu erfinden. All das zählt selbstverständlich zum Wettbewerb.
Die anderen Medienbranchen sind zum Teil noch stärker unter Druck, sind aber oft ein ganzes Stück weiter als die Buchverlagsbranche. Sie sind attraktiver aus Gründen der Internationalität, weil es völlig neue Geschäftsmodelle gibt, weil bereits Arbeitsmodelle speziell für junge Leute angeboten werden, weil eigene Thinktanks vorhanden sind, weil interessante Konferenzen veranstaltet werden, die auch ein internationales Publikum ansprechen und, und, und.
Ja, das ist so. Oder die Auftritte sind zu defensiv und negativ besetzt, wenn wir an die Urheberrechtsdiskussion um ACTA denken. Das Thema wurde durch die Medien und Talkshows gejagt und die Urheberrechtsbranchen sahen sich in einem negativen Kontext. Das hat erheblichen Einfluss genommen auf unsere Rekrutrierungsprozesse. Ich bin noch nie so oft mit der Fragestellung konfrontiert worden: Ist denn diese Branche überhaupt entwicklungsfähig? Ergeht es ihr womöglich wie der Musikindustrie? Was sollten die Beweggründe sein, dass ich ausgerechnet dahin wechsle?
Welches Image hat die Buchbranche?
Das Bild, das wir nach draußen abgeben, gerade für die klugen Köpfe, ist kein optimistisches. Diese jüngeren, hervorragend ausgebildeten Menschen, die informiert sind, die natürlich ganz extrem die Netzaktivitäten verfolgen, stellen uns diese Fragen. Zum Teil werden Absagen erteilt mit der Begründung, dass sie sich nicht in eine Branche begeben wollen, deren Überlebensfähigkeit eher mit einem Fragezeichen versehen ist. Es wird sehr in Frage gestellt, ob wir die Innovationskraft haben, in dieser Branche künftig noch Geld zu verdienen. Ob wir noch eine Branche sind, die sich überhaupt noch so weiterentwickeln kann, dass sie auch weiterhin einen Markt bedient.
1958 geboren, Ausbildung zur Sortimentsbuchhändlerin, dann als jüngste Führungskraft zur Großbuchhandlung Stern Verlag (Düsseldorf) und als Bertelsmann-Stipendiatin in London und in den USA. Ab 1987 elf Jahre beim Droemer Knaur Kindler Verlag in Vertrieb und Marketing, zunächst als Verkaufsleiterin, dann als Vertriebs- und Marketingleiterin. Ab Juli 1998 als Geschäftsführerin Aufbau des DuMont Monte Verlags in Köln. Seit 2004 selbstständig mit Bommersheim Consulting (www.bommersheim.de
Veranstaltung: „Kluge Köpfe“ – Recruiting und Personalentwicklung“
Am Frankfurter Buchmesse-Mittwoch (10. Oktober, 10 Uhr) steht im Forum Verlagsherstellung (Halle 4.0) das Thema „Most wanted: Kluge Köpfe für den Wandel. Recruiting und Personalentwicklung in der Medienbranche“ auf der Agenda mit den Verlagsgeschäftsführern
- Urban Meister (Cornelsen)
- Frank-H. Häger (Ganske)
- Birte Hackenjos (Haufe Lexware)
- Christian Schumacher-Gebler (Ullstein)
- Helena Bommersheim (Keynote und Moderation)
- Akademie des Deutschen Buchhandels (Partner).
Kommentar hinterlassen zu "Ist diese Branche noch entwicklungsfähig?"