Beim Eventformat „Spätlesen“ tummeln sich Kunden selbstständig nach Ladenschluss in der Buchhandlung. Das Aachener Traditionssortiment Backhaus schließt sogar im Advent Kunden für drei Abendstunden ein. Ein Interview mit der Chefin Gabi Lukomski (Foto).
Was ist der Kick dieser Veranstaltungsform?
Für die Kunden ist offenbar der Kick, völlig unbeobachtet zu stöbern und sich in dem buchhändlerfreien Laden wie in einer Wohnung zu bewegen. Häufig kommt es bei Wein und Käse zu Gesprächen zwischen sich bis dahin fremden Kunden. Wenn wir nach drei Stunden zurückkehren, haben wir immer ein bisschen das Gefühl, zu stören.
Was sagt die Kosten-Nutzen-Rechnung?
Zu Anfang waren vor allem Stammkunden zu Gast, inzwischen kommen durch Mundpropaganda auch ganz neue Kunden hinzu, die neugierig auf die Erfahrung sind. Unser Aufwand hält sich in Grenzen, das kleine Buffet wird im Wesentlichen durch den 5-Euro-Eintritt finanziert, beim Wein kooperieren wir mit einem Händler, der damit auch für seine Weinhandlung wirbt. Und es ist ein schöner Zusatzumsatz, denn jeder der „Spätlesen“-Teilnehmer kauft Bücher ein, mancher stapelweise, andere sind im Antiquariat fündig geworden.
Ist das ein Eventformat, mit dem kleinere Buchhandlungen gegen die großen Filialbuchhandlungen bestehen können?
Ich habe unsere Buchhandlung und unsere Kunden im Fokus. Es gilt, eine Nische zu finden und sie bestmöglich auszufüllen. Das ist für Backhaus der Schwerpunkt auf anspruchsvoller Literatur und gelegentlich etwas abseitigere literarische Themen. Wir setzen auf die Erweiterung unseres Kundenstammes und das Spätlesen-Angebot gehört neben vielen anderen Veranstaltungen zu den Dingen, die unsere Kunden schätzen.
Auch im nicht gerade ereignisarmen Advent?
Wir wollen zumindest einem Teil unserer Kunden die Gelegenheit geben, sich gerade im trubeligen Advent ganz entspannt bei uns umzusehen und einzukaufen. Ein anderes Beispiel für die Interessen unserer Kunden: Als wir auch nur laut darüber nachdachten, mit unserer täglichen Lesung zu „Unendlicher Spaß“ im Dezember zu pausieren, hat es gleich Widerspruch gegeben. Also haben wir eine Sonntagsmatinee daraus gemacht, um dem Weihnachts-Alltagsstress zu entgehen. Das ist für uns ein Zeichen, dass das Backhaus mehr ist als eine gehobene Buchverkaufsstelle, nämlich ein Ort der Begegnung.
Könnte eine Schlussfolgerung daraus lauten, den Kunden auch mit einer allgemeinen Spätöffnung entgegenzukommen?
Vor einem Jahr hat es bei Backhaus einen langen Donnerstag bis 22 Uhr gegeben, aber das hat nicht den erhofften Mehrumsatz gebracht. Nur einfach länger offen halten, das bringt offenbar nichts. Man muss schon deutliche Akzente setzen.
Die Fragen stellte Thomas Wilking
Zur Person: Gabi Lukomski
leitet von Igel Records kommend seit August die Aachener Buchhandlung Backhaus, die auf eine lange Veranstaltungstradition zurückblickt. Das Eventformat „Spätlesen“, das unter verschiedenen Bezeichnungen bereits in einer ganzen Reihe von Standortbuchhandlungen gepflegt wird, hat Backhaus im September eingeführt und ist auf 10 bis 15 Teilnehmer beschränkt. Im Januar wird die Buchhandlung als Variante erstmals von einer geschlossenen Gruppe gebucht.
www.backhaus.de
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