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Klein gewinnt Leipziger Buchpreis

Die Träger des Preises der Leipziger Buchmesse stehen fest: Es sind Georg Klein in der Kategorie „Belletristik“, Ulrich Raulff in der Sparte „Sachbuch“ und Ulrich Blumenbach für „Übersetzungen“.

Die Erklärung der Leipziger Buchmesse im Wortlaut:

Am 18. März 2010 wurde zum sechsten Mal der renommierte Preis der Leipziger Buchmesse vergeben. Nominiert waren jeweils fünf Autoren oder Übersetzer in den Kategorien „Belletristik“, „Sachbuch/ Essayistik“ und „Übersetzung“.

Die Jury unter Vorsitz von Verena Auffermann entschied sich für:

Kategorie Belletristik:

Georg Klein, Roman unserer Kindheit (Rowohlt Verlag)

Zur Begründung:
Überbordend poetisch wird hier ein Zeitpanorama entfaltet, das die Unterwelt der großen, bösen Erzählungen der alten Männer mit den leuchtenden Farben des Sechziger-Jahre-Sommers verbindet. Kinder standen noch nicht unter Dauerobservanz, ihre Phantasien konnten, wenn man so will – und der Roman will es so – noch in aller Ruhe wuchern. Georg Kleins „Roman unserer Kindheit“ ist das Ergebnis des Wucherns von Angst und von Lust, von Freiheit und Abenteuer, vom Kampf gegen das Böse – und nebenbei, ganz leise, wird in diesem surrealistisch überbordenden virtuosen Kinderschauerroman für Erwachsene, den Müttern und nie geborenen Schwestern ein Denkmal gesetzt.

Der Autor:
Georg Klein wurde 1953 in Augsburg geboren, veröffentlichte die Romane Libidissi (Alexander Fest Verlag 1998), Barbar Rosa (Alexander Fest Verlag 2001) und Die Sonne scheint uns (Rowohlt Verlag 2004) sowie die Erzählungsbände Anrufung des blinden Fisches (Alexander Fest Verlag 1999) und Von den Deutschen (Rowohlt 2002). Für seine Prosa wurden ihm der Brüder-Grimm-Preis und der Bachmann-Preis verliehen. Zuletzt erschien sein Roman Sünde Güte Blitz (Rowohlt 2007). Georg Klein lebt mit seiner Familie in Ostfriesland.

Kategorie Sachbuch/Essayistik:

Ulrich Raulff: Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben.
Eine abgründige Geschichte
(Verlag C.H.Beck)

Zur Begründung:
Als der Dichter Stefan George am 4. Dezember 1933 in Minusio verstarb, hinterließ er neben seinen Gedichten, neben Briefen und Manuskripten wenig irdische Habe, aber seinen sogenannten „Staat“: Kreise hochbegabter Jünglinge und Frauen, denen die Begegnung mit George in seiner Dichtung als entscheidender Augenblick ihrer Lebens- und Bildungsgeschichte galt. Was aus ihnen nach dem Tod Georges wurde, erzählt Ulrich Raulff in seinem Buch „Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben“. Die Jury zeichnet es als ein ebenso lehrreiches wie glänzend geschriebenes, genau rekonstruierendes, scharfsinnig urteilendes, den Leser aufklärendes wie unterhaltendes Werk avancierter Kulturgeschichtsschreibung aus. Raulffs abgründige Geschichte ist vor allem eine Geschichte des Erlöschens, des allmählichen Nachlassens jener übergroßen Präsenz, die der Meister Stefan George in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts besessen hatte.

Der Autor:
Ulrich Raulff, geboren 1950, studierte Philosophie und Geschichte in Marburg, Frankfurt und Paris. Er war Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Seit 2004 ist er Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Er hat für seine Arbeiten den Anna-Krüger-Preis für wissenschaftliche Prosa (1996) und den Hans-Reimer-Preis der Aby-Warburg-Stiftung (1997) erhalten. Zuletzt erschienen Wilde Energien.
Vier Versuche zu Aby Warburg (Wallstein Verlag 2003), Briefe aus dem 20. Jahrhundert (Hrsg., Suhrkamp 2005) und Vom Künstlerstaat. Ästhetische und politische Utopien (Hrsg., Hanser, 2006).

Kategorie Übersetzung:

Ulrich Blumenbach für: David Foster Wallace: Unendlicher Spaß, aus dem Amerikanischen (Verlag Kiepenheuer & Witsch)

Zur Begründung:
„Unendlicher Spaß“ – das klingt wie die Paradiesvision unserer Epoche, wie die ultimative Glücksutopie für ein Zeitalter, dem das nie endende Vergnügen als einzig noch erstrebenswerter Lebensinhalt gilt. Aber „Infinite Jest“, der amerikanische Originaltitel des 1996 erschienenen Romans von David Foster Wallace, zitiert die berühmteste Totengräberszene der Weltliteratur: Shakespeares Hamlet erinnert sich an den Hofnarren Yorick, „a man of infinite jest“, als er dessen Totenschädel erblickt. Es ist eine Schreckensvision, die der 1962 geborene und vor eineinhalb Jahren durch Selbstmord verstorbene Autor in diesem monumentalen Meilenstein der amerikanischen Literatur entworfen hat. Die hochaktuelle Schreckensvision von der tödlichen Unterhaltung, der desaströsen Einlösung und gleichzeitigen Abschaffung des amerikanischen Traums vom „pursuit of Happiness“. Ein Gesellschaftsroman ist dieses gewaltige Buch, mehr noch: ein zutiefst pessimistischer Weltentwurf.

Sechs Jahre hat Ulrich Blumenbach daran gesessen, diese komplexe, absurde, dunkle Welt im Deutschen neu zu erfinden. Sechs Jahre, in denen er sich bis in die feinsten Verästelungen der Psychiatrie, des Drogenkonsums und des Tennis, der Philosphie, Sprachtheorie und Mathematik einlesen musste. Doppel- und Dreifachcodierungen von Figuren und Sprachebenen galt es aufzulösen und umzusetzen. Blumenbach musste mit Stilebenen jonglieren in einer atemberaubenden Virtuosität. Und die entlegensten, vergriffensten Wörterbücher ausfindig machen, aus denen sich Wallace bediente. Er musste Wörter erfinden, die es bislang nicht gab, weil David Foster Wallace diesen Sport ähnlich perfekt beherrschte wie Tennis. Und bei allen technischen, ja wissenschaftlichen Schwierigkeiten dieser Arbeit, bei den enormen sprachschöpferischen Anforderungen, die diese Aufgabe an ihn stellte, ist es Blumenbach auch gelungen, das tiefe Mitleiden, die unendliche Empathie zu transportieren, die David Foster Wallace für seine Figuren empfand.

Der Übersetzer:
Ulrich Blumenbach, geboren 1964 in Hannover, lebt in Basel. Er studierte Anglistik und Germanistik in Münster, Sheffield und Berlin. Seit 1993 übersetzt er Romane und Essays, u. a. von Paul Beatty, Agatha Christie, Kinky Friedman, Stephen Fry, Arthur Miller und Tobias Wolff ins Deutsche. 2009 erhielt er den Ledig-Rowohlt-Preis.

Die Nominierten für den Preis der Leipziger Buchmesse 2010

Insgesamt hatte die siebenköpfige Kritikerjury diesmal unter 760 eingereichten Büchern auszuwählen. Nominiert waren neben den Preisträgern auch:

Kategorie Belletristik:

Jan Faktor: „Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag“ (Verlag Kiepenheuer & Witsch)
Helene Hegemann: „Axolotl Roadkill“ (Ullstein Verlag)
Lutz Seiler: „Die Zeitwaage“ (Suhrkamp Verlag)
Anne Weber: „Luft und Liebe“ (S. Fischer Verlag)

Kategorie Sachbuch/Essayistik:

Michael Hampe: „Das vollkommene Leben. Vier Meditationen über das Glück“ (Carl Hanser Verlag)
Steffen Martus: „Die Brüder Grimm. Eine Biographie“ (Rowohlt Berlin Verlag)
Frank Schirrmacher: „Payback: Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen“ (Blessing Verlag)
Wolfgang Ullrich: „Raffinierte Kunst. Übung vor Reproduktionen“ (Verlag Klaus Wagenbach)

Kategorie Übersetzung:

Christian Hansen: „2666“, aus dem Spanischen von Autor Roberto Bolaño (Carl Hanser Verlag)
Grete Osterwald: „Waltenberg“, aus dem Französischen von Autor Hédi Kaddour (Eichborn Verlag)
Rosemarie Tietze: „Anna Karenina“, aus dem Russischen von Autor Lew Tolstoi (Carl Hanser Verlag)
Hubert Witt: „Wilner Getto 1941 – 1944: Gesänge vom Meer des Todes“, aus dem Jiddischen von Autor Abraham Sutzkever (Ammann Verlag)

Alle nominierten Büchern werden auf dem Internetportal www.literaturport.de mit Hörproben vorgestellt.

Zum Preis der Leipziger Buchmesse

Der Preis ehrt herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen. Dotiert ist er mit insgesamt 45.000 Euro. Der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig unterstützen den Preis der Leipziger Buchmesse. Partner ist das Literarische Colloquium Berlin (LCB), Medienpartner sind die Wochenzeitschrift DIE ZEIT und das Magazin BÜCHER.

Der Jury gehören an:

die Vorsitzende Verena Auffermann, Jens Bisky (Süddeutsche Zeitung), Dr. Ina Hartwig, Kristina Maidt-Zinke (Süddeutsche Zeitung), Elmar Krekeler (Die Welt), Dr. Adam Soboczynski (Die Zeit) und Volker Weidermann (Frankfurter Allgemeine Zeitung).

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