Wenn der Name David Sedaris fällt, geraten amerikanische Buchhändler ins Schwärmen. Bei jedem neuen Buch wird sein Verlag Little, Brown mit Anfragen für Lesungen und Signierstunden überrannt. Glücklicherweise muss der 51-Jährige, von dessen Büchern in den USA bislang mehr als 2,5 Mio Exemplare verkauft worden sind, nicht lange überredet werden: Er liebt Auftritte vor Publikum und das Publikum liebt ihn.
Wo immer Plakate den Autor mit dem jungenhaften Lächeln ankündigen, kann sich der Veranstalter auf ein volles Haus einrichten. Und mit jedem Buch wird der in Paris lebende Amerikaner mit dem Gespür für absurden, punktgenauen Humor aus dem Alltag noch ein bisschen erfolgreicher. Der (vorläufige) Höhepunkt ist seine neue Essay-Sammlung „When You Are Engulfed in Flames“, mit der Sedaris erstmals in seiner Karriere zeitgleich die Sachbuch-Bestsellerlisten von „Publishers Weekly“, „New York Times“ und „USA Today“ angeführt hat.
„Schädel mit brennender Zigarette“ heißt der van Gogh auf dem Cover von „When You Are Engulfed in Flames“. Der Essay beschreibt auf 85 Seiten, wie sich Sedaris das Rauchen abgewöhnt hat. |
Auch Barnes & Noble hat das Buch auf Platz 1 notiert, allerdings im Belletristik-Ranking, weil die Buchkette literarische Essays grundsätzlich in der Unterhaltungsliteratur rubriziert. Das wiederum hat den Autor verärgert. „Ich neige zwar zu Übertreibungen, aber wenn ich etwas schreibe, das zu 97% den Tatsachen entspricht, werde ich es wegen der restlichen 3% nicht Fiction nennen“, sagte Sedaris erbost in einem Interview, das „Time“ auf seiner Homepage veröffentlicht hat.
Little, Brown hatte das Buch mit einer Startauflage von 500 000 Exemplaren ins Rennen geschickt, die schon binnen kurzer Zeit abverkauft war. Vier Wochen lang war der Autor, der zusammen mit seiner Schwester, der Schauspielerin Amy Sedaris („Sex and the City“) unter dem Namen „The Talent Family“ auch Theaterstücke schreibt, bis Anfang Juli auf einer Lesereise in den USA unterwegs; das Mammutprogramm führte ihn durch 30 Städte.
Auftritte vor vollem Haus
Zwar gab es auch sieben Auftritte bei den Buchketten Barnes & Noble und Borders, aber die Mehrheit der Termine hatte Little, Brown dem unabhängigen Buchhandel eingeräumt, der Sedaris seit seinem ersten Buch „Barrel Fever“ (1994) engagiert unterstützt. Alle Veranstaltungen waren ausverkauft, mitunter musste improvisiert werden, weil mehr Menschen Sedaris sehen und hören wollten als Platz war:
- Weil Joseph Fox Bookshop in Philadel-phia für die 500 Fans zu klein war, sperrte die Polizei kurzerhand die Straße und Sedaris zog zum Signieren auf den Gehweg um.
- In Indianapolis gestaltete Big Hat Books einen benachbarten Parkplatz als Freilichtbühne mit 800 Sitzplätzen.
- Bei Barnes & Noble am Union Square in New York signierte Sedaris knapp 1000 Exemplare von „When You Are Engulfed in Flames“ und zusätzlich Hunderte von Backlisttiteln in allen Formaten.
Die Barnes-&-Noble-Veranstaltung war ein typischer Sedaris-Event: Angekündigt war die Lesung für 19 Uhr, weil aber seine Fans bereits ab dem frühen Nachmittag eintrafen und die vierte Etage, wo die Lesung stattfinden sollte, in kürzester Zeit bis auf den letzten Platz besetzt war, signierte Sedaris schon einmal vorsorglich vorab zwei Stunden lang seine Bücher. Nach der 60-Minuten-Lesung und anschließender Frage-und-Antwort-Sequenz machte er weiter, bis gegen 2 Uhr morgens schließlich auch der letzte Besucher seine Unterschrift hatte.
Griff in die Wundertüte
Die Fans warten geduldig, denn auch das Signieren macht dem Vortragskünstler Sedaris ganz offensichtlich Spaß. Er nimmt sich Zeit, hat für jeden ein freundliches Lächeln und ein offenes Ohr. Fragen beantwortet er bereitwillig und ausführlich, lässt sich gern in Gespräche verwickeln, belässt es nicht nur bei der Unterschrift, sondern schreibt fast immer einige Zeilen dazu. Wenn ihm jemand besonders symphatisch ist, greift Sedaris in eine Tüte und kramt ein kleines Geschenk hervor – Toilettenartikel aus seinem Hotel, die er ebenfalls signiert, Bleistifte, Kugelschreiber; Kleinigkeiten nur, aber mit großer Wirkung.
Im Oktober und noch einmal eine Woche im Dezember ist David Sedaris wieder in den USA unterwegs. Dann allerdings nicht im Buchhandel, sondern als begehrter Ein-Mann-Unterhalter und Redner, der mühelos Theater und Konzertsäle wie die fast 3000 Besucher fassende New Yorker Carnegie Hall füllt. Tickets gehen weg wie warme Semmeln, obwohl Eintrittspreise bis zu 100 Dollar wahrlich kein Pappenstiel sind.
Zwischen seine beiden US-Touren schiebt Sedaris einen Abstecher nach Deutschland ein. Vom 10. bis 14. November sind Lesungen im Literaturhaus München, bei der Mayerschen in Köln, in der Kulturkirche Hannover (mit Leuenhagen), bei Lehmanns in Leipzig und im Babylon-Kino in Berlin (mit Thalia) angesagt. Bei den meisten Veranstaltungen wird der Schauspieler Gert Köster den deutschen Part lesen.
Nach Stationen bei Haffmans und Heyne ist David Sedaris mit seinem neuen Buch bei Blessing vor Anker gegangen, wo „Schöner wird’s nicht“ am 25. September als Schwerpunkttitel erscheint. Schon jetzt kündigt sich rund um die Termine seiner Lesereise ein großer Medienrummel an, spätestens seit der spektakulären Anzeigenkampagne für „Nackt“ im Jahr 1999, die u.a. das Haffmans-Team minimal bekleidet zeigte, hat der Amerikaner auch in Deutschland eine große Fangemeinde.
Sedaris’ erfahrungsgemäß überwiegend urbanes Publikum will Blessing u.a. über Anzeigen in einem Dutzend Stadtmagazinen und in überregionalen Zeitungen erreichen. Außerdem wurde eine Leseprobe von 96 Seiten produziert und in einer Auflage von 2500 Exemplaren breit gestreut. Weitere Werbemaßnahmen will sich Blessings Programmleiter Tilo Eckardt für „den Moment vorbehalten, an dem wir sehen, wie das Buch tatsächlich läuft“.
Anja Sieg
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