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Ladenöffnungszeiten ein Anachronismus

Der Einzelhandel erlebt einen Umbruch, „der dramatischer ist als der Wandel vom Tante-Emma-Laden zum Supermarkt oder zehn Jahre später das Aufkommen der Discounter“, hat Josef Sanktjohanser, wiedergewählter Präsident des Einzelverbands HDE auf dem Deutschen Handelskongress in Berlin erklärt.

Er verweist auf das enorme Wachstum des Onlinehandels, dessen Marktanteil am Gesamtumsatz des deutschen Einzelhandels derzeit bei rund 9% liege und bis 2020 auf 20% steigen könnte und das in einem weitgehend stagnierenden Einzelhandelsmarkt. Er wiederholte die These, dass bis 2020 nach konservativen Schätzungen 50.000 Standorte aus dem Markt ausscheiden könnten und zwar vor allem Standorthändler: „Treffen wird es vor allem kleine und mittlere Betriebe; die systemstarken Filialisten dagegen werden weiter wachsen.“ Denn diese bespielten auch das Thema Digitalisierung sehr professionell, von der Kundenkarte über Mobile Payment bis zur Auswertung von Big Data.

Während die Mehrzahl der Buchhandlungen bereits einen Online-Auftritt haben, zumeist mit integriertem White-Label-Shop der Barsortimente, betreiben im gesamten Einzelhandel erst ca. ein Drittel der Händler auch Online-Shops. Sanktjohanser warb deshalb in Berlin für mehr Multichanneling. Die Rolle des stationären Handels liege dabei in der Orientierung: Angesichts der weltweiten Verfügbarkeit, der schnellen Lieferung und günstiger Preise sei die Rolle des Handels umso wichtiger, Orientierung in dieser nahezu unendlichen Warenwelt zu bieten. „Die Kernkompetenzen des Handels bleiben gefragt: Neben Auswahl und räumlicher Verfügbarkeit stehen Information, Inspiration und Kommunikation im Mittelpunkt des Handelsgeschäfts. Service, Beratung, Erlebnis sind und bleiben ein großer Wettbewerbsvorteil des stationären Handels.“

Bei vielen Kunden bestehe nach wie vor der Wunsch, Ware anfassen und prüfen zu können, mit einem Verkäufer zu kommunizieren und sich beraten zu lassen. Dazu müssten die Geschäfte modern, sichtbar, gut erreichbar und gut beleuchtet sein sowie einen starken Service bieten. Der viel beklagte Beratungsklau sei ein Mythos: „Es recherchieren mehr Menschen online und kaufen dann im Geschäft, als umgekehrt.“

Der HDE-Präsident thematisierte auch die rückläufige Kundenfrequenz im stationären Handel. Hiervon seien besonders die Innenstädte betroffen, deren Geschäftsmodell auf hohen Kundenzahlen basiert: „Stadt und Handel müssen sich neu erfinden: Wir brauchen eine neue Phalanx der Politik, der Kommunen und Gemeinden, um die Innenstädte attraktiv und vital zu halten.“ Gefragt sei eine intelligente Vernetzung von Handel, Verkehr, Gastronomie, Kultur und Freizeit die Attraktivität der Städte zu erhalten.
Und: „Die Ladenöffnungszeiten sind ein Anachronismus in Zeiten des Onlinehandels.“

Kritisch werde es aber besonders für den ländlichen Raum, in dem es durch den E-Commerce für viele stationäre Händler bald unrentabel werden könnte, ihre Läden weiter zu betreiben. „Die Versorgungsdichte nimmt ab!“

Kommentare

2 Kommentare zu "Ladenöffnungszeiten ein Anachronismus"

  1. Alfons Th. Seeboth | 21. November 2014 um 7:16 | Antworten

    Es stärkt nur die großen Märkte und Ketten. Die kleinen würde es schaden, weil die Mehrkosten durch Personal und Nebenkosten explodieren würden. Ergo, würden diese nicht länger öffnen können. Was bedeutet der Kunde rennt zu den großen, was die Kleinen noch schneller ins aus befördert!

  2. Warum merkt eigentlich niemand das dass Gejammer um die bösen Ladenöffnungszeiten Schwachsinn ist . Seit Jahren sind die Öffnungszeiten massiv gestiegen, ohne das ein Umsatzzuwachs zu beobachten wäre. Ergo entstehen den Läden dadurch nur Mehrkosten . Außerdem geht es wieder nur auf Kosten der Mitarbeiter. Die gÍgnoranz der Leute hierbei ist zum Haare ausreissen. Ich möchte mal das Geschrei hören wenn es z.B. bei VW heißen würde „Ihr seit ab sofort rund um die Uhr verfügbar, Zuschläge gibt es aber nicht.Findet euch damit ab.“
    Vom Umweltfaktor mal abgesehen. Wenn die Läden länger aufhaben verbrauchen Sie auch mehr Strom etc. Das bedenkt komischerweise niemand, im Gegenteil, gerade die ach so umweltbewussten Alternativen sind es, die zwei Minuten vor Mitternacht im Laden stehen und sich wundern, dass „schon“ geschlossen wird.

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