Eine möglichst präzise Auflagenplanung wird angesichts steigender Produktions- und Logistikkosten sowie zur Ressourcenschonung aus Nachhaltigkeitsgründen immer wichtiger. Gleichzeitig verlieren die etablierten Kennzahlen zur Einschätzung der richtigen Auflagenhöhe, etwa die Vormerker, an Aussagekraft. Was tun?
Gute Produktplanung und Backlist-Automatisierung können dafür sorgen, dass der Nachdruck wenig Managementkapazität bindet und sich rechnet. Eine richtige Auflagendispo ist möglich. Dienstleister können hier technische Ansätze und Möglichkeiten aufzeigen. Diese einzusetzen und in die Strategie zu integrieren, bleibt aber letztlich Kundensache, wie Robert Höllein von CPI books GmbH beschreibt. In seinem Text geht es um Nachdrucken in verschiedenen Verlagen, aber auch das Thema Print on demand.
Dieser Werkstattbericht ist der zweite Teil einer Miniserie im Channel Strategie & Transformation auf buchreport.de zum Thema KI und Mathematik im Print-PLM. Im ersten Teil ging es die Frage, wie mathematische Modelle bei der Festlegung von Erstauflagen helfen können. Dieser zweite Teil befasst sich mit der Nachauflagen-Disposition.
Nachdrucken in der Wissenschaft
Bei wissenschaftlichen Publikationen sind die Ausstattungen häufig standardisiert und lassen sich von der Erstauflage durch den gesamten Lebenszyklus bis zum PoD beibehalten. Die vergleichsweise hohen Ladenpreise erlauben in der Regel jede Kleinauflage bis hinunter zu Auflage 1. Eine breite Backlist garantiert eine gute Fachthemen-Auswahl und schärft so die Verlagsmarke.
Neben der Logistikfrage, wie man bei minimalem oder überhaupt keinem Lagerbestand schnell, zuverlässig und gebündelt national wie international versenden kann, bleibt die Herausforderung, den Prozess des Nachdruckens angesichts der großen Zahl der Titel so schlank wie möglich zu gestalten. Für eine Automatisierung gibt es bereits erprobte Lösungen.
Nachdrucken im Publikumsverlag
Im Publikumsverlag ist die Auflagenfindung in vieler Hinsicht komplexer. Zur Optimierung können Dienstleister den Aspekt beitragen, eventuelle spätere Nachauflagen gestalterisch und ausstattungstechnisch mitzubedenken und damit auch den zeitlichen Aufwand von Nachdrucken.
Unter dem Aspekt des Nachdrucks gilt die Regel: Frontlist optimieren, Backlist automatisieren! Insbesondere gegen Ende des Lebenszyklus eines Titels sollte idealerweise der Verbrauch menschlicher Ressourcen im Verlag so weit wie möglich reduziert werden.
Wandelt sich ein Titel von einem aktiv vermarkteten Produkt zu einem passiv angebotenen, sind die erforderlichen Instrumente andere. In der Regel sprechen wir bei Taschenbüchern zu Ladenpreisen zwischen 12 und 15 Euro und mit Verkaufszahlen von weniger als 1000 Exemplaren in den letzten 12 Monaten und ohne relevante physische Präsentation im Buchhandel von passiven Titeln. Ob derartige Bücher ein Verlagsprogramm akzentuieren oder verstopfen, ist eine programmpolitische Entscheidung.
Es dürfte jedoch Einigkeit darin bestehen, dass derartige Titel keine nennenswerten Management-Ressourcen im Verlag in Anspruch nehmen dürfen. Am besten ist ein frühzeitiger Wechsel von der auflagen- und stückpreisorientierten Herstellung, die mehr Kapital bindet und höhere Lagerkosten verursacht, hin zu einer rein nachfrageorientierten Herstellung. Dies spart im Verlag Zeit und Kapital für die Frontlist. Ganz verstummen wird die Diskussion über Nachauflagen nie, weil man einen Autor mit Potenzial binden möchte, weil ein Nachfolgetitel bald erscheint usw. Es gilt unter diesen Umständen, das Working Capital durch Prozessautomatisierung zu optimieren.
Ausstattung mit Blick auf Nachdrucke
Bevor über Nachdrucke von 1500, 1000, 500 oder noch weniger Exemplaren diskutiert wird, wäre ein erster Schritt, grundsätzlich die Ausstattung jedes Buches so festzulegen, dass jede Form von Druck- und Weiterverarbeitungs-Technologie einsetzbar ist. Wenn der Nachdruck eines Titels grundsätzlich zu erwarten ist, dann eben mit Materialien und Verfahren, die technisch einfach und schnell verfügbar sind. Wenn diese Eventualität schon bei der Erstauflage mit berücksichtigt wurde, kann alles bleiben und nur zum Beispiel die Veredelung entfallen.
Wie lange es sich lohnt, Kleinauflagen zu drucken, lässt sich gut herleiten. Die Absatzzahlen in der späten Phase des Lebenszyklus’ eines Buches lassen sich meist gut prognostizieren. Eine automatisierte Überführung in einen lagerfreien PoD-Prozess ist simpel, besonders mit Unterstützung des Druckdienstleisters. Denn alle Entscheidungsparameter können gut an Softwaresysteme übertragen werden. Zu ihnen gehören logistische Parameter: Welche durchschnittliche Bündelung besteht heute bei der Belieferung des Handels und welche soll in Zukunft erreicht werden? Die klassischen Muster der Verlagskalkulation anzuwenden, wird dagegen obsolet. Das muss es auch! Denn der Automatisierung liegt ein anderer Vermarktungsansatz zugrunde.
Die Backlist-Automatisierung fordert eine prozesshafte Betrachtung und eine dazu passende Kalkulationsgrundlage, die die Prozesskosten berücksichtigt. Denn es kann durchaus sein, dass bereits die im Verlag etablierten Prozesse zur Entscheidung über eine Nachauflage mehr Gemeinkosten verbrauchen, als der betreffende Titel noch erwirtschaften kann. Dieser Wechsel der Perspektive hilft nicht zuletzt den Blick nach vorne zu richten, indem man schon bei der Nachauflagen-Disposition in der Frontlist Entscheidungsmechanismen etabliert, die das Risiko zu hoher Lagerbestände verringern helfen.
PoD als besonderer Service
Abschließend sei noch der Fokus auf die Nachhaltigkeit gerichtet. Auch unter dem Aspekt der Ressourcen-Ersparnis ist es sinnvoll, nahe am tatsächlichen Bedarf und entlang der logistischen Lieferkette zu produzieren, denn so lassen sich Transportwege optimieren und Überproduktion meiden.
„Am Bedarf“ kann auch Print-on-Demand heißen, also Auflage 1. Gespräche in vielen Verlagen zeigen allerdings, dass der Verzicht auf den Auflagendruck manchmal schwerfällt. Denn es signalisiert den Handelspartnern, dass ein Titel am Ende seines Lebenszyklus’ angelangt ist. Dieses vertriebliche Signal fühlt sich für manchen unangenehm an.
Wie wäre es mit einer umgekehrten Perspektive? Dass PoD eine herausragende Serviceleistung für Autor und Leser ist, wie sie in vielen anderen Branchen die Kundenorientierung krönt? Den Inhalt als Buch verfügbar angeboten. Könnte dies eine Überlegung wert sein?
Teil 1:
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