Störungen in den Buch-Lieferketten bedeuten für Verlage und Buchhandlungen immer unmittelbare Beeinträchtigungen und verursachen schon allein deshalb durch Verzögerungen immer wieder Verärgerung und Sorgen. Umso größer ist der Schaden, wenn ein Buchlogistiker vorübergehend ganz ausfällt. Die KNV-Insolvenz und anschließende Zeitfracht-Übernahme sorgte 2019 deshalb für besonders hohe Wellen, und selbst das Ausscheiden der verhältnismäßig kleinen Sozialistischen Verlagsauslieferung Sova (Maintal) im vergangenen Jahr erregte Aufsehen.
Aktueller Ausfall in Österreich
In Österreich hat jetzt die nach Mohr Morawa zweitgrößte Verlagsauslieferung des Landes, die Medienlogistik Pichler-ÖBZ (MELO), die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung beantragt. Als Grund gab Geschäftsführer Franz Lintner laut Hauptverband des Österreichischen Buchhandels (HVB) den kurzfristigen Austritt der beiden größten Verlagskunden an. Zu den rund 130 Verlagskunden gehören neben zahlreichen Kleinverlagen auch größere deutsche Häuser wie Klett, Kosmos, Westermann, Knesebeck oder Delius Klasing. Die gesamte Liste der Verlage ist hier zu finden.
Ca. 8 Mio Bücher wurden nach Angaben des Logistikers zuletzt jährlich ausgeliefert. Vor allem das Schulbuchgeschäft war bisher ein wichtiges Standbein der MELO, wie aus der Selbstbeschreibung hervorgeht: „Wir sind stolz darauf, dass jedes zweite Schulbuch, jedes vierte Kinder- und Jugendbuch und jedes fünfte Sachbuch in Österreich von uns ausgeliefert wird.“
Wie es jetzt weitergeht
Bis zur Verfahrenseröffnung, die noch in dieser Woche am Landesgericht Wiener Neustadt erfolgen soll, sollen keine weiteren Umsätze getätigt werden, danach will MELO über das weitere Vorgehen informieren. Ziel sei es, das Unternehmen bis zum Sommer zu verkleinern und den damit verbundenen Konsolidierungsprozess vor der Herbstsaison abzuschließen.
Betroffen von der Insolvenz sind nach Medieninformationen 44 Mitarbeitende und ca. 80 Gläubiger.
Traditionsreiche Geschichte
Die Wurzeln der heutigen Medienlogistik Pichler-ÖBV (MELO) reichen bis zur Gründung des Österreichischen Bundesverlages im Jahre 1772 durch Kaiserin Maria Theresia zurück. Seit Mai 1975 sitzt die Verlagsauslieferung an ihrem heutigen Firmensitz in Wiener Neudorf und entwickelte sich unter der Leitung von Franz Scharetzer zur größten Schulbuchauslieferung Österreichs. Durch den Zusammenschluss von ÖBZ mit der Verlagsauslieferung Pichler Medienvertrieb 2006, expandierte das Unternehmen unter der Leitung von Harald Wagner zu einem der 3 führenden Buchlogistikunternehmen in Österreich. 2008 wurde die Medienlogistik im Zuge eines Management Buy Out durch den Geschäftsführer Franz Lintner erworben.
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