Mit deutlichen Worten kritisiert der Publizist David Berger, dass sich Buchgroßhändler (wie Libri, KNV und Umbreit), Filialketten (wie Mayersche und Thalia) und inhabergeführte Buchhandlungen weigern, das neue Buch „Die große Verschwulung“ von Akif Pirinçci zu verkaufen. Berger, der selbst homosexuell ist und vor einiger Zeit mit Pirinçci im Clinch lag, bezeichnet in einem Beitrag für das Nachrichtenportal Telepolis die aktuellen Vorgänge als „Rückfall des deutschen Buchhandels in die Barbarei“.
Den Boykott von Pirinçcis Buch durch die „selbst ernannten Hüter der politischen Korrektheit“ findet Berger mit Hinweis auf die Meinungs- und Pressfreiheit „unerträglich“: „So schnell kann man gar nicht schauen, wie Deutschlands wichtigste Buchhändler in voraufklärerische Verdammungspraktiken zurückfallen. Selbst die katholische Inquisition hat es sich immer zur Devise gemacht, klar zwischen einem konkreten Werk und den anderen Äußerungen des Autors zu unterscheiden.“
Was jetzt in Deutschland mit dem neuesten Werk Pirinçcis passiere, zeige nicht nur, wie wenig ernst die Mehrheit der deutschen Buchhändler das Selbstentscheidungsrecht der Leser nähmen. Es sei ein Abschied vom Denken der Aufklärung und ein „Rückfall in die voraufklärerische Barbarei von Bücherindex und Zensur“. Im Namen der Verteidigung der politischen Korrektheit stoße man der Freiheit ein Messer in den Rücken.
„Dieser Rückfall wiegt umso mehr, als er von Buchhändlern kommt. Sie spielen damit die von vermeintlichen Intellektuellen stammende Begleitmusik zu dem, was sich derzeit auf den Straßen Deutschlands an Auseinandersetzungen abspielt. Man kann diesen Buchhändlern nur schlicht sagen: Ihr streicht von Eurem Programm die ‚große Verschwulung‘ und zelebriert ganz offen die totalitäre Verdummung! Schämt Euch!“, wendet sich Berger direkt an die Buchhändler.
@ Britta Noack:
Mit ihrer Argumentation mögen Sie etwas richtiges beschrieben haben.
Aber es trifft hier so nicht zu.
Wenn eine Bestsellerliste beworben und im Regal präsentiert wird, und es fehlen ausgewählte Bücher (in dem aktuellen Fall „Kontrollverlust“ von Thorsten Schulte), dann hat das was von Zensur. Dem stelle mich klar entgegen und boykottiere zukünftig diese Buchhändler. Thalia gehört dazu.
Wo ist das Problem? Schon das Wort „Sortiment“ besagt doch, dass da jemand mit Herz und Verstand sortiert und auswählt.
Das Buch: Kontrollverlust von Thorsten Schulte, wird auch im Moment von der Mayerschen Buchhandlung boykottiert. Als ich im Laden war um mir das Buch anzusehen wurde ich sogar belogen, statt klar zu sagen unsere Firma boykottiert dieses Buch.
Ich bin 20km gefahren um es abzuholen und habe mir telefonisch bestätigen lassen, dass es vorhanden ist.
Schade Schade Schade, selbst wenn alles was in dem Buch steht gelogen ist, so kann ich das selbst erkennen und möchte das auch selbst beurteilen.
Nein, so geht Meinungsfreiheit nicht. Ein treffender Kommentar zu dem extraordinären Akt von Zensur und vorauseilendem Gehorsam vor dem Mob der scheinbar Gerechten. „Ich lehne ab, was Sie sagen, aber ich werde bis auf den Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.“ Der Satz könnte von Voltaire sein. Er müsste gerade heutzutage von allen aufrechten Menschen sein.
Es gibt weder ein Grundrecht darauf, seine Ergüsse verlegt zu bekommen noch darauf, von Buchhändlern verkauft zu werden. Jeder Händler hat das Recht, sein Sortiment selbst zu bestimmen. Auch das gehört zur Meinungsfreiheit. Niemand hindert Pirinçci daran, seinen Kram kurzerhand selbst zu verlegen und zu verkaufen.
„Jeder Händler hat das Recht, sein Sortiment selbst zu bestimmen.“
Hey, du wirst nicht mal rot 😛
Gute Idee! Ich finde auch, dass man auf einen Buchhandel, der einem vorschreibt, was man zu lesen hat und was nicht, sehr gut verzichten kann. Was lernt man daraus? Wer sich nicht gerne bevormunden lässt, sollte einen großen Bogen um Buchhandlungen machen und in Zukunft am besten konsequent alle seine Bücher direkt bei den Verlagen bestellen.
Lassen wir die Verlage auch noch weg, das sind ja jene, die die eigentliche Bestimmungsgewalt darüber haben, wer verlegt wird und wer nicht. 😉
Wobei Random House das Kraut-und-Rüben-Konzept ja schon im Namen trägt.
Vom Prinzip gibt es das tatsächlich nicht.
Wenn allerdings große Händler und Großhändler boykottieren, dann wird hier unangemessen eine Macht ausgeübt. Wenn ein kleiner Händler im Ort nicht mehr beliefert wird, dann hat er eben nicht mehr die Wahl und das Recht, sein Sortiment selbst zu bestimmen, das wird ihm dann aufgezwungen.
Man kann denken über den Autor und sein Buch, was man will, aber weder ist das Buch strafbar, noch steht es auf dem Index, noch ist es jugendgefährdend, noch ist der Autor verurteilt, wegen was auch immer.
Man muss Pirinçci nicht mögen, man muss sein Buch nicht lesen, man darf ihm (auch deutlich) widersprechen. Aber auf gar keinen Fall darf es so weit kommen, dass sich ein Teil der Bevölkerung (hier ganz deutlich der Buchhandel) als Moralapostel, als Richter und Henker aufspielt. Das darf niemals geduldet werden.
Und dann gibt es das Grundrecht doch; alleine deswegen, weil Bücher in Deutschland ein Kulturgut sind, und kein Verbrauchsgegenstand. Mit diesem Argument erzwingt der Buchhandel seit Jahren die Buchpreisbindung.
(Und nur so nebenbei: In Bayern läuft ein Seehofer immer noch frei herum. Ein Mensch, der jahrelang widerwärtige Hetze gegen Bulgaren und Rumänen gemacht hat, und nun das Asylproblem zum Anlass nimmt, um gegen alle Ausländer gleichermaßen zu hetzen.)
(Und warum darf die Bild-Zeitung eigentlich noch frei verkauft werden, wo die doch seit Jahrzehnten gegen Asylanten, Griechen, Europa, Hartz-IV-Empfängern, usw, usw, usw widerwärtige Hetzkampagnen laufen haben.)
Das Ganze ist doch nichts weiter als rechtspopulistische Heuchelei unterster Kategorie.
„Rückfall in die voraufklärerische Barbarei von Bücherindex und Zensur“ – Ja, Volltreffer !
Meinen herzlichen Dank an Herrn Berger für seinen Artikel bei telepolis und den Lesetipp hier.
Wir brauchen dringend viel mehr Verteidiger der Meinungsfreiheit und auch aller anderen Grundrechte.
David Berger ist in der Vergangenheit selbst durch rechtspopulistische Äüßerungen aufgefallen, was ihm zum Beispiel die Kündigung seiner Stelle beim Bruno Gmünder Verlag eingebrockt hat:
http://www.tagesspiegel.de/med…
Kein Wunder, dass so jemand die geistige Nähe zu Pirincci sucht und sich mit diesem solidarisiert.
Unnötiger Aufstand, der verpuffen wird. Pirinçci ist als Hetzer bekannt. Nach all den Reportagen und Rezensionen kann man sich gut ein Bild machen. Der Verkaufsstopp ist eine antifschistische Aktion. Allerdings: Wer dafür Geld ausgibt und Zeit verschwendet, sollte das selbst entscheiden können.