Die Nachrufe auf Marcel Reich-Ranicki sind geprägt von Superlativen. Sie zeigen, welchen Respekt sich der Literaturkritiker erarbeitet hat und welch großen Einfluss er auf den Literaturbetrieb hatte. Ausgewählte Stimmen:
- „Marcel Reich-Ranicki war ohne Zweifel Deutschlands mächtigster Kritiker“ und „der berühmteste Literaturkritiker aller Zeiten“, schreibt die „Welt“. „Wie kein zweiter beherrschte er die Dialektik von Lob und Tadel, er konnte hymnische Liebeserklärungen anstimmen und – mit knappem, wohl nicht immer aufrichtigem Bedauern – ungemein nüchterne, zuweilen zynisch formulierte Totenscheine ausstellen.“
- Er habe das Bild des Kritikers wie kein anderer in der deutschen Nachkriegsgeschichte geprägt, erklärt das „Hamburger Abendblatt“. „Seine donnernden Verrisse, seine Lobeshymnen haben Einfluss auf Verlegergeschmack, den Literaturbetrieb und die Leser genommen.“
- Mit Marcel Reich-Ranicki ende eine Ära deutscher Literaturgeschichte, heißt es in der „Neuen Zürcher Zeitung“. „Er war mehr als ein Literaturkritiker, er war eine Instanz in diesem Land. Und es gibt niemanden, der auf ihn folgen könnte“, meint auch Thomas Steinfeld in der „Süddeutschen Zeitung“ (19.9.).
- MRR habe sich „wie kein anderer um die Deutlichkeit der Kritik verdient gemacht“, lobt die „Zeit“. Damit hat er der Literatur und den Lesern einen großen Dienst erwiesen. In seinem literaturkritischen Engagement hat er sich angreifbar gemacht wie selten ein Kritiker und im Widerspruch zu anderen Auffassungen die Qualität der literaturkritischen Diskussion gefördert.
- „Seine Art von Kritik spitzte zu, verzichtete auf Zwischentöne, duldete kaum einen Widerspruch“, ergänzt der „Tagesspiegel“. Bis zu seinem Tod sei Marcel Reich-Ranicki sich treu geblieben: immer der Sache verpflichtet, nicht nachtragend, ohne Hass.
- „Literaturkritiker gab und gibt es viele – aber es gab nur einen, der mit pointierten Kritiken ein breites Publikum dazu brachte, sich auch für Autoren zu interessieren, die mit der üblichen Bestseller-Stapelware nichts zu tun haben“, schreibt „SPIEGEL ONLINE“. „Marcel Reich-Ranicki war, ungewöhnlich genug für einen Literaturkritiker, ein Star. Und das, obwohl er sich mit dem Mainstream viel weniger gemein machte, als diejenigen glaubten, die ihm unterstellten, allzu popularitätsheischend zu urteilen.“
- Das „SüddeutscheZeitung Magazin“ hat seine besten Sätze aus dem „Literarischen Quartett“ zusammengetragen. Dort finden sich auch eine viele Seitenhiebe auf das Verlagswesen: „Ob ein Buch gut oder schlecht ist, ist für einen Verleger eine sekundäre Überlegung. Das Entscheidende ist: Bringt es Geld oder bringt es Geld nicht?“ Oder: „Freunde, was ist denn ein guter Verleger? Ein guter Verleger ist jemand, der ein schlechtes Buch gut verkaufen kann.“
- „FAZ“-Herausgeber Frank Schirrmacher, der seinen Mentor Reich-Ranicki noch zwei Stunden vor seinem Tod besucht hatte, fragt sich in seinem Nachruf, wie er dem Literaturkritiker gerecht werden kann: „Wie oft haben wir mit ihm nicht über Nachrufe, die anderen galten, geredet! Ich weiß genau, was er von Nachrufen erwartet. In dem Augenblick, da ich dies schreibe, höre ich seine Stimme: ,Herrgott, Sie müssen zeigen, was der Kerl taugte, nicht, wo er zur Schule ging!` Das Leben Reich-Ranickis, sei „ein permanenter Protest gegen Langeweile und Mittelmaß“ gewesen. „Man wüsste so gerne, dass er das jetzt liest.“
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