Gregor von dem Knesebeck über digitales Handelsmarketing
Verlage müssen mehr Geld investieren
Bei der Vermarktung von E-Books läuft aktuell viel über den Preis: Verlage experimentieren mit niedrigen Preispunkten oder sogar befristeten Kostenlosaktionen und hoffen dadurch auf einen Schub, der ihren Titel in die Bestsellerlisten von Kindle und Co. katapultiert. Darüber hinaus fehlt es jedoch vielen Verlagen an Kreativität beim digitalen Handelsmarketing. Gregor von dem Knesebeck (31), Spross einer Verlegerfamilie, inzwischen selbst Geschäftsführer beim Verlagssoftware-Anbieter Grin Solutions sowie Social-Media-Experte (Gründer der Agentur Bilandia), empfiehlt den Verlagen, sich mit ausgeweitetem E-Book-Marketing gegenüber ihren Autoren zu profilieren.
Mit dem Thema E-Book-Marketing beschäftigt sich ein buchreport-Webinar am 18. Dezember, 14 Uhr. Referenten sind Ashleigh Gardner (Wattpad) und Katrin Jenner (Cora Verlag/Harlequin). Detaillierte Infos finden Sie hier.
Das Thema Handelsmarketing beim E-Book ist bei vielen Verlagen eine große Baustelle. Wo sind die passenden Werkzeuge?
Das Problem besteht darin, dass die Titel-volumen der einzelnen Verlage meist zu klein sind, um das digitale Handelsmarketing zu professionalisieren. Wie bei Vertriebsgemeinschaften macht es für Verlage mit digitalen Produkten Sinn, sich im Vertrieb durch Spezialisten unterstützen zu lassen. Bislang sind dies die Distributoren von E-Books: Diese stoßen aber auf Probleme, wenn sie die Programme zu vieler Verlage vertreten müssen. Vor diesem Hintergrund wird sich eine Dienstleisterstruktur etablieren, die das Thema digitales Marketing – Print und E-Book – bearbeiten wird, und zwar sowohl im Händler- als auch im klassischen Online-Marketing.
Das Gros der Buchkäufer stößt nach einer Studie von Bowker weiterhin primär im stationären Handel auf neue Bücher. Ist das ein Kompliment für die Läden oder ein Armutszeugnis für die Shops?
Die Shops machen zwar eine gute Arbeit, wenn man an die ausgefeilten Suchmöglichkeiten und Empfehlungsmechanismen denkt, aber nach Büchern stöbern, das klappt nicht gut auf E-Commerce-Seiten. Buchhändler haben über Jahrhunderte Erfahrungen gesammelt, um Bücher an den Mann zu bringen. Es ist aber nicht nur Aufgabe der E-Händler, für Auffindbarkeit zu sorgen – hier können sich die Verlage deutlich als Mehrwertdienstleister gegenüber den Autoren positionieren: In den Kommunikationskanälen der Social Media, wo sich moderne Kunden informieren, daneben aber auch im Bewegtbildbereich, der total unterschätzt wird. Die Nutzungszeiten bei YouTube sind extrem hoch, die Verlage müssen viel stärker in die Videokanäle rein, aber nicht nur mit Trailern. Verlage sind bei ihrem digitalen Marketing zwar weiter als man denkt, ihnen fehlt aber oft eine vernünftige Budgetallokation. Sie müssen mehr Geld dafür in die Hand nehmen. Der digitale Markt umfasst in Großbritannien schon über 50%, wenn man den Printvertrieb über die Online-Schiene dazunimmt.
Immerhin gibt es mit dem von Penguin, Hachette und anderen Verlagen gestarteten Portal Bookish im Ausland gute Ansätze.
Sicher, dennoch glaube ich, dass noch niemand das Thema „Entdecken neuer Bücher“ so richtig geknackt hat. Die bestehenden Buchplattformen sind Insellösungen, die abgekoppelt vom Kontext des Kaufens und Lesens auf den Geräten sind. Beide Bereiche stärker zu verschränken, das versucht Amazon mit der gekauften Community Goodreads. Ich würde Verlagen generell empfehlen, wenn sie nachhaltige Unternehmenswerte aufbauen wollen, direkte Kundenbeziehungen aufzubauen, auch außerhalb des E-Commerce, wo sie gegenüber den großen Händlern meist außen vor bleiben müssen. Verlage sollten schnell Kompetenzen im Contentmarketing aufbauen.
In Deutschland haben sich Social Reading und andere Communitys noch nicht so durchgesetzt wie in den USA. Warum?
Social Reading ist die logische Fortsetzung des digitalen Lesens in einer Welt sozialer Medien. Da das digitale Lesen in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, hat sich das soziale Lesen noch nicht durchsetzt. Dieses wird am Ende deutlich anders aussehen, als wir uns das bislang vorstellen. Wie beim Internet der Dinge (gemeint ist der Trend, dass Computer zunehmend als Gerät verschwinden und durch „intelligente Gegenstände“ ersetzt werden, d. Red.) der Internetbegriff deutlich anders verwendet wird als bei der herkömmlichen Verwendung, wird das Social Reading auch wenig mit Gemeinsam-in-einer-Community-Lesen oder Sharing zu tun haben. Interessanter ist das Lesen auf verschiedenen Geräten derselben Person, das Teilen digitaler Inhalte – also das ehemalige Verleihen von Büchern –, die Buch- und Textempfehlung sowie die Interaktion mit den Inhalteproduzenten.
Derzeit wird viel über Preisaktionen bei E-Books gesprochen. Entwerten diese das E-Book? Wie wichtig sind diese?
Da die meisten E-Commerce-Geschäftsmodelle mit Preisen arbeiten – beispielsweise über Preissuchmaschinen –, muss sich der Vertrieb von E-Books gezwungenermaßen den Gegebenheiten dieses Kanals unterwerfen. Es wird unweigerlich einen verstärkten Preisdruck geben.
Eine gefährliche Entwicklung?
Zumindest für die alten Marktteilnehmer, denn reine E-Book-Verlage haben gegenüber den klassischen Verlagen, die auch E-Books machen, einen riesigen Wettbewerbsvorteil. Grundsätzlich gilt, dass sich ein Verlag negative Deckungsbeiträge nur so lange leisten kann, wie diese finanziert werden können. Negative Deckungsbeiträge können strategisch sinnvoll sein, wenn etwa Kundenbeziehungen dadurch aufgebaut werden.
Die Fragen stellte Daniel Lenz
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