Über die zahlreichen Reaktionen zu meinem Blogbeitrag „Sinnfreies Ranking“ habe ich mich gefreut. Grund genug nachzulegen. Ich möchte mit diesem Text ein Facebook-Kollaborationsspiel entwerfen, das Parallelen zu dem populären Farmville-Spiel aufweist (von dem ich zeitweise angenervt bin).
Wenn ich morgens auf der Arbeit meinen Computer starte, dann öffnen sich sofort mein Mailprogramm und der Browser. Und mit dem Browser öffnet sich Facebook. Bis ich abends den Rechner abschalte, bleibt mein Facebook-Fenster offen, und alle paar Minuten werfe ich einen Blick auf das Geschehen dort. Welche Freunde sind gerade online? Von welchen exotischen Gruppen ist denn meine Freundin Vera jetzt schon wieder Fan geworden? Gern folge ich mal schnell der Linkempfehlungen von Markus, er gräbt immer so interessante Architekturwebseiten aus. Von einem aber bin ich öfter angenervt: „Astrid has found a golden egg!“ Und jedes Mal denke ich: Virtueller Bauernhof? So’n Mist! Wie wäre es dagegen, wenn es ein Spiel gäbe, in dem ich meine schönen und weniger schönen Leseerlebnisse, meine Erfahrung mit einem Fachbuch und meine Liebe zur Literatur mit anderen Mitspielern teilen würde? BookVille!
„Corina hat angefangen, das Buch ‚Der Koch‘ von Martin Suter zu lesen“, erfahre ich in der eintrefenden Facebook-Nachricht und freue mich darüber, denn ich liebäugle auch damit, das Buch irgendwann zu lesen. Da kann mir Corina bestimmt schon bald sagen, ob es nach meinem Geschmack ist, den sie recht gut kennt. Vorsorglich klicke ich „gefällt mir“ an, denn dadurch werde ich zukünftig über jede Bookville-Meldung von Corina, die sie zu „Der Koch“ verschickt, per E-Mail benachrichtigt.
Keine halbe Stunde später trifft eine Facebook-Nachricht von Markus ein: „Markus hat in ‚Praxisbuch Nagios‘ eine Passage kommentiert.“ Ich schaue mir seinen Kommentar an, er hat einen wichtigen Punkt nicht kapiert. Ich klicke den Link zu der von ihm markierten Passage an und überfliege schnell den Text. Ah klar, das hab ich drauf! Schnell ist ein erläuternder Kommentar als Anhang zu seiner Bookville-Nachricht geschrieben. Hoffentlich hilft’s ihm…
„Dorothee ist in den ‚Club der Weiterschreiber‘ eingetreten“ Hmmm, was ist das denn? Ich folge dem Link und komme auf eine Clubseite, auf der sich Leute austauschen, die Spaß daran haben, Romanfortsetzungen zu erfinden. Na ja, warum nicht. Mein Ding wär’s nicht. Da finde ich den „Club der Romanverlinker“ schon interessanter. Diese Bookville-Ableger verlinken elektronische Romantexte mit brauchbaren Hintergrund-Links. Den „Club der Ranking-Enthusiasten“ dagegen verkneife ich mir.
„Robert hat seine Bibliothek aktualisiert und das Regal ‚Städtebau im 20. Jahrhundert‘ erstellt.“ Das gibt sofort ein „gefällt mir“, Städtebau ist auch ein Thema, das ich gern im Überblick behalte. Ich klicke den Link an „Möchtest du Roberts Regal ‚Städtebau‘ in deine Bibliothek übernehmen?“ Klar will ich das, ein wenig trauere ich noch immer darüber, dass ich damals nicht Städtebau studiert habe. Wie gut, dass virtuelle Bibliotheken keine Platzprobleme kennen, sonst wäre ich schon längst in arge Bedrängnis geraten. Ich mache mich kurz auf einen virtuellen Rundgang durch meine Bibliothek, um meine neue Errungenschaft, das Städtebauregal, zu bewundern. Es macht sich gut neben dem Fußballliteraturregal rechts und dem Schachliteraturregal links. Jeder Buchrücken kann angeklickt werden und ich erhalte sowohl die bibliografischen Angaben sowie lesergenerierte Informationen. Und immer wieder muss ich über die virtuellen Staubwolken lachen, die mir anzeigen sollen, dass ich ein Buch schon lange nicht mehr angeschaut habe. Wenn ich schon mal hier bin, dann kann ich auch schnell die Neuerscheinungen von meinen abonnierten Verlagen überfliegen. Drei Bücher finde ich interessant, die kommen auf meinen „Kaufen“-Stapel.
„Peter Herring liest am 26.3. um 20 Uhr aus seinem Buch ‚Die Geschichte der Eisenbahn'“ Supi! Der Buchhändler meines Vertrauens lädt mich zu einer Fachbuchlesung ein. „Nehme daran teil“ — und ab dafür.
Ist doch denkbar, oder? Also zumindest ich hätte an solchen Facebook-Spielen mehr Spaß als an Farmville-Nervereien über goldene Eier, schwarze Katzen und virtuelle Blumensträuße.
Gern sähe ich so einen Dienst beim Börsenverein angebunden, also einem nicht-kommerziellen Verband. Gewerbliche Aktivitäten sollten möglich sein, jedoch möchte ich der Kommerzialisierung meiner Liebe zur Literatur nicht noch mehr Vorschub leisten.
Ob sich der Börsenverein wohl wie Dornröschen wachküssen lässt? Oder ist die böse Schwiegermutter mal wieder schneller?
Volker Bombien
Toll danke!
Wunderbare Idee. Ich wäre dabei – und pflichte Bernd bei, beim Buchcamp über die Realisierung und bereits bestehende Projekte wie readboox zu sprechen.
Ein wunderbares Thema auch für das BuchCamp http://buchcamp.mixxt.de/
Buchcamp 2010 Tagung
Beginn: Samstag, 8. Mai um 10:45
Ende: Samstag, 8. Mai um 19:45
Wo: Mediacampus Frankfurt
Eine solche Anwendung haben wir mit „readboox“ auf facebook bereits am 17.03.2010 gestartet. Hier der Link: … http://apps.facebook.com/readboox/
Zu den Elementen und Communityfunktionen, die dort bereits zu finden sind kommen permanent neue hinzu, die für ein solches Bookville sinnvoll sein könnten.
Daher freue ich mich, dass solche Ideen derart begrüßt werden.
Ich spiele ja bei diesen Facebookspielen nicht mit, weil ich weder Kaffee trinke noch eine hohe Affinität zum Leben auf dem Bauernhof habe. Aber Ihre Bookville – Ideen haben mir sehr gut gefallen. Ich kann nicht beurteilen, wie kommerziell die anderen Spiele sind, aber ich finde auch, daß der „Spielcharakter“ ganz klar im Vordergrund stehen muss. Inwiefern der Börsenverein sich da wachküssen lässt wird man abwarten müssen, aber vielleicht gibt es ja noch andere Player, die so etwas gestalten können, ohne daß die Kommerzialisierung im Vordergrund steht.
Sehr schöne Anwendung und die „golden eggs“ sind dann eben die wirklichen Leckereien, die Freunde ausgraben. Dabei kann dies dann dank www schnell auf Videos und gerade auch Hörbücher ausgeweitet werden.
Was diese Anwendungen dann deutlich behindert, ist der – nach den Plattenfirmen nun im Buchgewerbe angekommene – Hang, eher die Kunden zu kriminalisieren als ungeschützte eBooks und Hörbücher zu verkaufen, die dann „Copy ’n Paste“ oder eben auch Zitate ermöglichen.