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Warten auf den High Noon

Seit April hat Verdi wiederholt zu Streiks bei Amazon aufgerufen – mit unklaren Folgen. Die Gewerkschaft sieht Sand im Versand-Getriebe, Amazon selbst zeigt sich unbeeindruckt. Ob der Online-Händler so gelassen bleibt, wird sich bei den zu erwartenden Streiks im Weihnachtsgeschäft zeigen.
Im aktuellen SPIEGEL (Ausgabe 41/2013) hat Verdi-Sekretär Heiner Reimann durchblicken lassen, dass die Gewerkschaft Streiks in der umsatzstarken Vorweihnachtszeit plant – das Gros der deutschen Versandhändler erwirtschaftet im Weihnachtsgeschäft zwischen 20 und 30% der gesamten Erlöse des Jahres. „Ich würde mich an Amazons Stelle nicht darauf verlassen, vor Weihnachten alle Kundenversprechen einhalten zu können“, zitiert der SPIEGEL den Verdi-Funktionär. Man wolle dann zum Ausstand aufrufen, wenn es Amazon besonders wehtue, so Verdi. Noch sei unklar, ob die Streiks neben Leipzig und Bad Hersfeld auch auf andere deutsche Standorte ausgedehnt werden sollen. Verdi wolle nur dann von neuen Streiks absehen, wenn Amazon bereit sei, ernsthaft zu verhandeln.
Zuletzt hatte Verdi am 19. September zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen, in den Versandlagern in Bad Hersfeld und Leipzig. Vorangegangen waren (seit April 2013) zahlreiche Streiks, mit denen Verdi einen Tarifvertrag nach Konditionen des Einzel- und Versandhandels durchsetzen wollte; Amazon orientiert sich dagegen an den Löhnen der Logistikbranche. Amazon zeigte sich unbeeindruckt, versprach allerdings im Juli ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400 bis 600 Euro.
Für Turbulenzen sorgte kürzlich eine Meldung der polnischen Zeitung „Puls Biznesu“, nach der Amazon den Bau dreier Logistikzentren in Polen und Tschechien plant, als Reaktion auf die Streiks in Deutschland. Der US-Internetriese wolle einen Teil seiner aktuellen Deutschland-Aktivitäten in die Nachbarländer verlagern.
Amazon selbst äußerte sich zunächst nicht direkt zu den Bau-Plänen, erklärte aber, dass man seine deutschen Logistikzentren nicht nach Polen und Tschechien verlagern wolle. „Es gibt keinerlei Pläne, einen der bestehenden Logistik-Standorte in Europa zu schließen.“ Inzwischen hat Amazon allerdings gegenüber golem.de eingeräumt, dass es drei neue Logistik-Standorte in Polen geben solle, die zunächst hauptsächlich nach Deutschland ausliefern sollen; zwei der Logistikzentren würden bis August 2014 eröffnet, das dritte bis Mitte 2015.  
Verdi unterstellt dem Onliner, bei den Amazon-Beschäftigten Ängste zu schüren. „Die Expansion in einem Wachstumsmarkt als mögliche Verlagerungen erscheinen zu lassen, gehört zu den Klassikern der Angstmache, um Beschäftigte einzuschüchtern, damit sie ihre berechtigten Ansprüche nicht geltend machen“. Gleichwohl glaubt die Gewerkschaft nicht, dass aus den (vermeintlichen) Worten Taten folgen werden. Amazon expandiere im großen Stil, auch in Deutschland. Der Standort Koblenz werde ausgebaut, und in Brieselang bei Berlin entstehe derzeit ein neues Amazon-Logistikzentrum.

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