Eine Autorenveranstaltung in lockerem Rahmen zieht Leser an – und selbst wenn der Büchertisch vor Ort oder eine Berichterstattung in der Lokalpresse nicht unmittelbar den Verkauf steigern, kann die Mundpropaganda von zufriedenen Gästen positiv nachwirken. Für viele Autoren ist es allerdings eine große Hürde, sich ins Rampenlicht zu setzen und in ein Mikrofon zu sprechen.
Im Interview erklärt Brigitte Mayer, die beim Sender MDR Hörfunksprecher ausbildet und regelmäßiger Gast beim Self-Publishing-Day ist, was zu einer professionellen Vorbereitung gehört.
Eignen sich alle Themen für Lesungen?
Grundsätzlich ja. Denn auch die trockensten Sachbücher können spannend vorgetragen werden. Wenn ein Autor über eine gut trainierte Stimme verfügt, der die Zuhörer gerne zuhören, wenn er für sein Thema brennt und dazu noch über eine Prise Humor verfügt, dann springt der Funke mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Zuhörer über und sie gehen zufrieden und glücklich nach Hause.
Welche Programmpunkte sollte eine Lesung beinhalten?
Das hängt immer von der Länge ab. Grundsätzlich würde ich einen Zeitrahmen von maximal einer Stunde empfehlen. Alles, was darüber hinausgeht, erfordert schon echtes Entertainertalent. Zu den Programmpunkten: Das Werk und der Autor sollten kurz vorgestellt werden. Da die Zuhörer auch kommen, um den Autor kennenzulernen, wollen sie gerne etwas über das Buch hinaus wissen: Wie ist der Autor zum Schreiben gekommen? Wie ist das Buch entstanden? Wo wurde es geschrieben? Wie lange wurde dafür recherchiert? Die Zuhörer wollen die Geschichte hören, die den Autor mit seinem Buch verbindet, denn sie sind ja wegen der Nähe zum Autor gekommen. Für sie wird es dann auch etwas besonderes, wenn sie in die Lesung einbezogen werden, etwa mit Fragen, ob sie die Gegend kennen in der der Roman spielt, oder ob sie auch einmal ähnliche Erfahrungen machen mussten. Damit wird die Lesung abwechslungsreicher und die gelesenen Passagen wirken nicht zu lang, das lockert auf.
Nach welchen Kriterien sollten die Textabschnitte ausgewählt werden?
Die Lesung muss nicht am Anfang des Buches beginnen, da ist man frei. Die Textstellen sollten aber spannend und emotional stark sein, damit die Zuhörer vom ersten Satz an gepackt sind. Und sie sollten einen Einblick in die Handlung geben. Dabei ist es wichtig, dem Protagonisten treu zu bleiben. Textstellen, die zeigen, was die Hauptfigur ausmacht, sie beschäftigt oder auch in die Krise stürzt. Am besten ist, wenn immer nur bis zu einem Cliffhanger gelesen wird. Niemals das Ende verraten! Die Zuhörer sollen das Buch ja kaufen.
Sollte der Text für die Lesung speziell vorbereitet werden?
Ja, auf jeden Fall. Zunächst plädiere ich dafür, dass Autoren nicht direkt aus ihrem Buch lesen, sondern aus einem gut vorbereiteten Lesungs-Manuskript. Das kann so aufbereitet werden, dass es den Augen leicht gemacht wird, den Text zu erfassen. Dann kann sich der Autor besser auf das Vorlesen und die Stimmgebung konzentrieren. Absätze und Pausenzeichen helfen den Text zu strukturieren, so dass er leichter zu sprechen ist und die Zuhörer leichter folgen können. Sätze, die nicht so wichtig sind, können einfach gestrichen und Längen gekürzt werden. Denn: Eine Lesung soll in erster Linie unterhalten. Der Autor hat die Aufgabe, beim Leser ein Kopfkino in Gang zu setzen. Da kommt es nicht darauf an, dass er sich eins zu eins an das Original hält, sondern darauf, den Text so vorzutragen, dass der Inhalt gut verständlich ist. Das Buch kann ja auf dem Tisch stehen, so dass das Cover und der Titel immer gut zu sehen sind.
Wie schafft man es, mit der Stimme zu begeistern?
Bei einer Lesung, bei einem Hörbuch oder auch beim Sprechen eines Hörspiels gelten ganz ähnliche Regeln wie beim Sprechen im Hörfunk. Dabei kommt es auf eine entspannte, gut artikulierte Aussprache an, auf die richtige Betonung eines Satzes und auf Pausen. Pausen dienen dazu, den Text optimal zu gliedern, so dass er von den Zuhörern leicht verstanden werden kann. Denn weder im Radio noch bei einer Lesung können die Zuhörer sagen: „Stopp, können Sie das nochmal wiederholen?“ Außerdem muss bei Dialogen mit unterschiedlichen Klang- und Emotionsfarben gesprochen werden, damit klar wird, welcher Protagonist gerade spricht. Durch den gekonnten Einsatz ihrer Stimme können Autoren ihrem Werk viel Ausdruck und Tiefe verleihen. Wenn alle diese Regeln beachtet werden, können Lesungen sogar zu kurzen Live-Hörspielen werden.
Das A und O für eine gelungene Lesung
- eine entspannte, authentische Stimme, der man gerne zuhört
- ein angenehmes Sprechtempo
- eine gut verständliche Artikulation
- gekonnt gesetzte Pausen
- die spürbare Freude des Autors daran, dass er sein Buch einer aufmerksamen Zuhörerschaft ganz persönlich vorstellen darf.
Was tun bei Lampenfieber?
Mein erster Tipp: Lampenfieber zulassen. In der Regel spüren die Zuschauer das Lampenfieber kaum, und falls doch, hat fast jeder Verständnis dafür. Hilfreich ist es, sich vorher mit dem Raum und der Technik vertraut zu machen und ein paar Worte mit dem Veranstalter zu wechseln. Vielleicht auch mit dem eintretenden Publikum. Jeden einzelnen persönlich zu begrüßen, schafft Vertrauen, und so ist das Eis für den Abend schon mal gebrochen.
Nach dem Beginn sollte der Autor auch nicht sofort mit dem Lesen beginnen, sondern sich kurz Zeit nehmen und sich sein Publikum anschauen. Das ist eine gute Gelegenheit, um sich ein paar freundliche Gesichter heraussuchen, die als Anker während der Lesung für weitere Sicherheit sorgen. Was ich Autoren außerdem empfehle, um das Lampenfieber unter Kontrolle zu bringen, ist den Genuss an seiner eigenen Lesung zu entdecken, wie ein Koch, der sein liebevoll bereitetes Menü präsentiert.
Und wenn die Stimme während des Vortrags nachlässt?
Dann ist ruhiges Atmen die beste Hilfe. Vor allem das Ausatmen. In meinem Sprechtraining geht es auch um den Mut zur Pause. Denn jede Pause ist ein doppeltes Geschenk. Zum einen für den Autor: Er hat Zeit durchzuatmen, sich neu zu sortieren, zu konzentrieren. Zum anderen für die Zuhörer: Sie bekommen Zeit, über das gerade Gehörte nachzudenken und ihren eigenen Bildern und Emotionen nachzugehen – um sich dann wieder auf eine weitere Passage einzustellen. Zudem sind Pausen großartige Spannungsmacher.
Unerlässlich ist auch, Wasser in greifbarer Nähe zu haben. Ein Schluck Wasser gibt der Stimme wieder Frische, und der Griff zum Wasserglas kann auch eine längere Pause wunderbar füllen.
Brigitte Mayer beim Self-Publishing-Day
Im Rahmen des Self-Publishing-Day Campus bietet Brigitte Mayer am Samstag, 25. April, in München einen ganztägigen Workshop an.
Brigitte Mayer wird außerdem beim Selfpublishing Day am 6. Juni in Düsseldorf als Ansprechpartnerin für das Thema „Vorbereiten auf Lesungen“ zu Gast sein. Ein „Abenteuer Stimme“-Lesungscoaching ist der 1. Preis beim Lesewettbewerb, der am Vorabend des SP-Days in der Mayerschen Buchhandlung ausgetragen wird.
Text | Interview: Ulrike Peters peters@buchreport.de
Das Interview ist zuerst im März 2020 erschienen in der buchaktuell-Messezeitung Selfpublishing to go.
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