Mit der bei buchreport.de exklusiv vorab vorgestellten Schreib- und Leseplattform „Lyx Storyboard“ öffnen sich die Egmont Verlagsgesellschaften gegenüber Autoren und Lesern. Im Interview erläutern Verlagsleiter Volker Busch und Digital-Programmleiterin Sabine Glitza (Foto), warum sich der Kölner Verlag von seiner klassischen Rolle als Gatekeeper verabschiedet und in welche Richtung er sich entwickeln soll.
Ab sofort ist unter lyx-storyboard.de die vorläufige Startseite der Plattform online geschaltet. Autoren können ihre Manuskripte über einen Zugang zur Betaversion einstellen; Leser und Autoren können einen Newsletter abonnieren. Weitere Informationen zum Konzept finden Sie hier.
Wie kamen Sie auf die Idee, eine Schreib- und Leseplattform zu entwickeln?
Sabine Glitza: Lyx Storyboard ist die logische Weiterentwicklung unserer Angebote. Auf der einen Seite spielt die digitale Schiene bei Lyx mit einem Umsatzanteil von mehr als 20% mittlerweile eine wirklich große Rolle. Lyx.digital hat neben dem „regulären“ E-Book mittlerweile einen eigenständigen Programbereich mit eigener Vorschau. Einer diese Programmplätze ist für den Gewinner des Lyx Storyboard-Wettbewerbs reserviert. Die Leser bestimmen dadurch das Verlagsprogramm von Lyx.digital aktiv mit.
Auf der anderen Seite agieren wir im Marketing sehr stark in Social-Media-Kanälen, für jedes Imprint haben wir ein eigenes Team eingerichtet, das die entsprechenden Communities aktiv gestaltet. Jetzt wollen wir unsere knapp 17.000 Lyx Facebook-Fans mit den Autoren zusammenbringen – mit einer Plattform, auf der sich Leser und Autoren begegnen können.
Kann man mit solch einem Angebot Geld verdienen?
Glitza: Das kommt an zweiter Stelle, uns geht es in erster Linie um die Leser und Autoren. Wir möchten unsere Leser noch enger an Lyx binden und ihnen neue, spannende Inhalte sowie Interaktionsmöglichkeiten mit den Autoren bieten. Mit den Autoren streben wir eine partnerschaftliche Zusammenarbeit an. Das erreichen wir am besten durch neue Publikationsmöglichkeiten und die Vermittlung von Leserkontakten.
Wie werden die Vertragsautoren auf die neue Konkurrenz im eigenen Hause reagieren?
Glitza: Ich glaube nicht, dass die Plattform im Konkurrenzgedanken gesehen wird. Vielmehr gehe ich davon aus, dass die Verlagsautoren Lyx Storyboard als Innovation und zusätzliches Angebot aus dem Hause Egmont wahrnehmen. Es gibt einige amerikanische Autoren, die auf Online-Plattformen ihre Texte einstellen – wer weiß, vielleicht hat ja auch der ein oder andere Vertragsautor Freude daran, einige Entwürfe mit der Community zu teilen?
Wie wichtig ist der Zuschnitt auf eine Zielgruppe?
Glitza: Sehr wichtig. In erster Linie wollen wir unsere Kernzielgruppe ansprechen, mit denen wir über die sozialen Medien bereits in engem Kontakt stehen. Ursprünglich hat sich Lyx ausschließlich an die Romance-Leser gewendet, inzwischen haben wir uns auch weiteren Segmenten geöffnet. Mit der Plattform möchten wir natürlich auch Leser der neuen Segmente ansprechen und an uns binden. Die Schreib- und Leseplattform ist im Sinne einer klaren Markenpolitik nur für die Genres Romance, Thriller/Krimi, Fantasy, historischer Roman und Frauenunterhaltung geöffnet.
Laut Ihrer Sinus-Studie lesen die meisten Lyx-Leserinnen auf dem Kindle, daher böte sich ein Direktvertrag mit Amazon für viele Ihrer Autoren an. Ist Ihre Plattform auch als Versuch zu verstehen, eine Abwanderung zu Amazon zu verhindern?
Volker Busch: Das ist nicht unser Ansatz. Das Angebot richtet sich an Autoren, die im Selfpublishing-Bereich tätig sind, mit dem Gedanken spielen, ohne Verlag zu publizieren oder die überhaupt die ersten Schreibversuche starten möchten. Es ist ein Angebot, mit den Lesern in den Dialog zu treten…
Glitza: … statt ihnen direkt etwas zu verkaufen. Insofern unterscheiden sich die Ziele der Plattformen ganz grundsätzlich. Außerdem erheben wir keinen Exklusivitätsanspruch. Den Autoren steht es frei, ihre Werke auf anderen Plattformen zu veröffentlichen – vorausgesetzt, dass sie dort auch kostenfrei angeboten werden, damit wir nicht der Preisbindung ins Gehege kommen.
Wie verändert die Digitalisierung das Verhältnis zwischen Autor und Verlag?
Busch: Die traditionelle Rolle der Verlage, die oft mit dem Gatekeeper-Begriff charakterisiert wird, verändert sich. Die Digitalisierung hat die Selfpublishing-Möglichkeiten auf eine neue Stufe gehoben und es Autoren erleichtert, eigene Wege zu wählen. Trotzdem werden wir Verlage weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen – wenn auch mit einem anderen Rollenverständnis. Mit Lyx Storyboard präsentieren wir uns den Autoren und Lesern als einer der ersten Verlage, die einen solchen Rollenwechsel vollziehen.
Wie wichtig ist die Selfpublishing-Szene für die Autoren-Akquise?
Busch: Die Selfpublishing-Szene ist ein Fundus für neue Talente und Trends. Für unser Lyx-Programm beobachten wir diese Szene sehr intensiv und sprechen Autoren auch direkt an, auch über die Ländergrenzen hinweg. Die meisten von ihnen zeigen Interesse an einem Verlagsvertrag. Einige Trends und Autoren der Unterhaltungsliteratur sind erst durch Selfpublishing ins Blickfeld gerückt und haben sich dann auch im traditionellen Buchmarkt als Bestseller entpuppt.
Die Grenzen zwischen Selfpublishing-Plattformen und klassischen Verlagen lösen sich immer weiter auf – und zwar von beiden Seiten. Nicht nur werden immer mehr Verlage im Selfpublishing-Bereich aktiv, mit der Zahlung von Vorschüssen hat sich der Münchner Selfpublishing-Dienstleister Bookrix auch dem klassischen Verlagsmodell angenähert. Wie wird sich das Verhältnis zwischen Selfpublishing und Verlagen entwickeln?
Busch: Es wird mehr Durchlässigkeit geben, und es werden sich neue Varianten des Publizierens etablieren. Es gibt heute schon Autoren, die sich selbst als Hybrid-Autoren bezeichnen, wie unsere Autorin C. J. Lyons, die auf beiden Seiten des Publizierens aktiv sind. Ich erwarte eine größere Vielfalt, aber auch Fragmentarisierung des Marktes. Markenbildung und Social Media Marketing werden gerade im Bereich der Unterhaltung immer wichtiger, um wahrnehmbar zu bleiben, Autoren und Leser zu binden und neue Zielgruppen zu gewinnen.
Gääähhhn. Klingt wie neobooks vor drei Jahren…