Warum wäre das geplante Rückrufsrecht für Autoren eine Katastrophe für die Buchverlage? Für die „Zeit“ erklären Matthes & Seitz-Verleger Andreas Rötzer und C.H. Beck-Cheflektor Detlef Felken, warum diese Regelung für Verlage existenzgefährdend ist und sie an ihrer empfindlichsten Stelle treffen würde: dem Verhältnis zum Autor.
In der gedruckten Ausgabe der „Zeit“ (Seite 45) erklärt Felken plastisch, wie wichtig der Beitrag der Verlage zur Entstehung vieler Bücher ist. „Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz ist herzlich eingeladen, sich im Verlagsarchiv einige Texte in drei Stadien genauer anzuschauen“, schreibt Felken unter anderem: „1. Eingereichtes Manuskript. 2. Lektoriertes Manuskript. 3. Druckseite. Es gibt dort Fälle, in denen sich alle drei zum Verwechseln gleichen, aber es gibt auch nicht selten Fälle, in denen 2. übersät ist von Umformulierungen, Rückfragen, Kürzungen, Hinweisen – oft über Hunderte von Seiten hinweg. Jeder Lektor kennt solche Wochenenden, die er sich um die Ohren geschlagen hat, um einem Text aufzuhelfen. Das geht niemanden etwas an, denn wir befinden uns hier in der Intimzone der Autor-Lektor-Beziehung. Aber das heißt nicht, dass es nicht stattfindet.“ Viele Bücher entstünden überhaupt auch nur, weil ein Verlag einen Autor auf eine Idee bringe, berate und begleite.
Auf „Zeit Online“ erinnert Rötzer daran, dass die Beziehung zwischen Verlag und Autor langfristig angelegt ist. „Es braucht mehr als fünf Jahre, um ein Werk, einen Autor durchzusetzen, es gibt nicht wenige Beispiele, in denen der Erfolg erst nach vielen Jahren hartnäckiger Arbeit eintritt. Der Glaube daran ist Verlagssache, während dieser Zeit ausbleibender Anerkennung die Rechte des Autors zu schützen, seine Aufgabe. Eine Ausstiegsklausel nach fünf Jahren würde die Aussicht auf Rendite noch unsicherer machen und damit die Kalkulation wesentlich verändern, sie bedeutet die Ökonomisierung eines auf Symbiose angelegten Verhältnisses.“
„Man muss sich nur die Verlags- und Autorenlandschaft in Ländern wie Russland ansehen, in denen Vertragslaufzeiten von fünf Jahren üblich sind, um zu sehen, was passiert, wenn das Hauen und Stechen um Autoren beginnt und von dann notwendig kurzfristigen Profiterwartungen geleitet wird“, schreibt der Matthes & Seitz-Verleger. „Ein vollkommen unübersichtlicher Markt mit ungeschützten Rechten ist das Ergebnis. Vielleicht ist es auch hier kein Zufall, dass der Zustand der Demokratie in diesen Ländern so ist, wie er ist. In dem Maße, wie das Urheberrecht das Engagement für viele verschiedene Stimmen im öffentlichen Diskurs ermöglicht, lässt sich sagen: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Urheberrecht und Demokratie.“
Hier wird eine heile (Verlags-)Welt beschrieben, die es so schon lange nicht mehr gibt. Kurzfristigen Profiterwartungen – so läuft das schon heute. Gerade bei den „Großen“.
Wirklich interessant, wie einseitig diese Debatte geführt wird. Als würde nicht schon immer der Autor entscheiden, zu welchem Verlag er geht. Und als wäre diese Entscheidung nicht auch zukünftig abhängig vom komplexen Verhältnis zwischen Autor und Verlag. Und als hätten Menschen, die vom Schreiben leben, nicht schon immer die finanziellen Möglichkeiten ausschöpfen müssen. Warum nur wehren sich nicht mehr Autoren gegen die kaum verhüllte Unterstellung, dass sie ja doch nur der Kohle nachrennen würden, kaum dass ein Gesetz ihnen nur die Freiheit dazu böte? Und warum kratzt sich niemand angesichts der geschlossenen Unterzeichnerreihe von Kleinst- bis Konzernverlegern den Kopf? Gab es nicht schon immer Versuche grosser Verlage, den kleinen ihre Erfolgsautoren abspenstig zu machen. Nicht aktiv natürlich, sondern nur wenn der Autor dies ausdrücklich wünscht! Wer macht überhaupt zukünftig die unsittlichen Angebote, die zuvor treue Autoren nach der Novelle zu geldgeilen Schreibsöldnern werden lässt? Dieselben Verlage, die jetzt die Gefährdung dieses schönen symbiotischen Verlag-Autoren-Verhältnisses beschwören? Oder sind das alles die Guten? Dann könnte man sich beruhigt zurücklehnen. Denn eine breitest mögliche Allianz von Autoren, Verlegern und Agenten hat gerade einen öffentlich Schwur getan, dass Sie niemals der Versuchung des Geldes erliegen werden, und auch niemanden in Versuchung führen. Buchkultur und Demokratie gerettet!
„Es braucht mehr als fünf Jahre, um ein Werk, einen Autor durchzusetzen.“
Schön gesagt. Vielleicht sollte man das allen Verlagshäusern in den Grundstein meißeln, die einen Autor nach dem ersten kommerziellen Misserfolg innerhalb dieser ersten fünf Jahre fallen lassen wie eine heiße Kartoffel … weil sie ja ach so sehr an ihn geglaubt haben.
Die Entwicklung in Russland hat m.E. ganz andere Gründe. Von hier (bzw. Kasachstan, s. FAZ von gestern) kommen die weltweit eifrigsten E-Book-Piraten, und bei denen sind russische Bücher natürlich überproportional stark vertreten.