buchreport

Keine Extrawürste Wir sind der Buchhandel

Bastei Lübbe wird von vielen Sortimentern scharf kritisiert wegen einer E-Book-Aktion mit Amazon (hier mehr). In einer buchreport-Umfrage hat die Redaktion gefragt: Wie sollen /dürfen die Verlage mit ihrem größten Vertriebskunden umgehen?

Aus den mehr als 300 Antworten wird erkennbar, dass es vielen Kritikern nicht inhaltlich um die konkrete Aktion (Dan Browns Alt-Bestseller „Illuminati“ als Gratis-E-Book) geht, sondern ums Prinzip:

  • Kritisiert wird die Konditionsspreizung gegenüber großen und kleinen Händlern und eine zu wenig gewürdigte Leistung stationärer Händler als Berater und Titel-Schaufenster.
  • Kritisiert wird auch, dass die Verlage mit ihrer über die Belieferung hinausgehender Zusammenarbeit mit Amazon den Onliner weiter aufpäppeln mit strukturverändernder Wirkung, die sich für die Verlage rächen werde.

Hier eine Auswahl aus den mehr als 300 Statements von Buchhändlern. Die Nummerierung soll des Bezug bei Online-Kommentaren erleichtern.

Bei dem in einigen Aussagen angesprochenen „Herrn Kluge“ handelt es sich um Bastei Lübbe-Vorstand Klaus Kluge, der dort für Marketing und Vertrieb verantwortlich ist.

„Wehe, es geht demnächst mit Büchern weiter“

  • Die Bedingungen sollten für alle gleich sein, egal ob großer oder kleiner Händler. Es kann nicht sein, dass alle Vorteile nur von Großen genutzt werden kann. Und Amazon schadet uns allen. (1)
  • Amazon würde ich nicht mit allen größeren Vertriebskunden gleichsetzen. Amazon hat in verschiedenen Punkten eindeutig Stellung bezogen (z.B. Verlage muss man jagen wie Gazellen). Solche Firmen sind in meinen Augen nur bedingt Handelspartner auf Augenhöhe. Außerdem muss man einem solchen Unternehmen dann nicht noch Kunden zu spielen. (2)
  • Das E-Book ist über den stationären Handel nicht lenkbar. Die Kunden werden vagabundieren. Deshalb ist es OK, was Bastei macht. Aber wehe, es geht demnächst mit Büchern weiter… (3)
  • Nur weil immer mehr Verlage einknicken, wird Amazon immer größer und kann somit Druck auf eine ganze Branche ausüben. Verband und Politik sollten Amazon deutlich machen, dass es nicht länger hinzunehmen ist, dass dieses Unternehmen im Einkauf als Einzelhändler, beim Vertrieb jedoch als Logistiker agiert. Wer für den Einkauf Höchstrabatte in Anspruch nimmt, muss seine Mitarbeiter auch nach Einzelhandelstarif bezahlen. Wer Logistiker sein will, hat keinen Anspruch auf Höchstrabatte.(4)
  • Keine Extrawürste. Natürlich geht einem bei einem älteren Titel nicht viel Umsatz verloren, das Signal allerdings viel schlimmer. Amazons macht‘s möglich… (5)

„Wie kann man Marketingaktionen mit kleinen Buchhandlung starten?“

  • Ich kann die Kritik nicht verstehen. Der Verlag startet viele Marketingaktionen auch mit kleinen Buchhandlungen. Wenn wir als Winzling unter den kleinen Buchhandlungen eine Aktionsidee hatten, hat der Verlag uns bislang immer unterstützt. Manchmal auch mit barem Geld. Statt dem Gepetze wünsche ich mir eher eine Debatte darüber, wie man gemeinsame Marketingaktionen auch mit kleineren Buchhandlungen starten kann. Und das hat der Verlag mit dem neuen Konditionenmodell gemacht. Natürlich sollte grundsätzlich ein Verlag nicht vergessen, dass der Umsatz des größten Einzelkunden immer noch geringer ist als der Gesamtumsatz der vielen kleinen Kunden/Buchhandlungen. (6)
  • Lassen wir die Verlage doch solche Aktionen machen. Als Sortimenter können wir ein Haus wie Bastei Lübbe z.B. doch problemlos austauschen. Die Verlage sollten dann nicht jammern, wenn sie die Folgen ihres Tuns zu spüren bekommen. Es ist allerdings zu befürchten, dass Herr Kluge nicht so viel von Amazon bekommen hat, wie Ihn diese Aktion auf der anderen Seite „kostet“. (7)
  • Es ist eine sehr kurzfristige Vertriebspolitik, wenigen großen Händlern besondere Werbeaktionen zu Gute kommen zu lassen. Damit wächst die Abhängigkeit von diesen Großhändlern und die Verlage werden erpressbar. (8)
  • Da es sich in diesem Fall um einen Titel von Dan Brown gehandelt hat, der schon weitgehend ausgewertet ist, also nur noch in geringer Menge verkauft wird, ist der Schaden wohl nicht so groß. Grundsätzlich halte ich so etwas aber für eher schädlich. (9)

„Dem Spuk ein Ende bereiten“

  • Die Verlage hätten die Macht, diesem Spuk ein Ende zu bereiten. Aktionen wie die von Bastei Lübbe sind dumm und kurzsichtig, denn nachdem die Buchhandlungen verschwunden sind, kommen die Verlage an die Reihe. Herr Kluge reicht seinem Totengräber eigenhändig die Schaufel. (10)
  • Mit den Großen genauso umgehen wie mit den Kleineren. Außerdem geht es nicht um den Umgang sondern um die Folgen: ich kann doch nicht das Hohelied auf den stationären Handel anstimmen und gleichzeitig den E-Book-Bereich mit einem proprietären System veröden und kannibalisieren! (11)
  • Selbstverständlich muss die Umsatzgröße berücksichtigt werden, aber auch hier gilt das Augenmaß – Verschenkaktionen sind nicht zielführend. (12)
  • Beide Standpunkte sind nachvollziehbar und verständlich. Auch wenn es uns nicht schmeckt, ist Amazon auch ein Kunde der Verlage und sollte dafür nicht bestraft werden, sondern möglichst gleichbehandelt werden. Schwer für die Verlage, da ist viel Fingerspitzengefühl nötig.(13)

„Keine emotionalen Drohgebärden“

  • Rabatte sollten zukünftig über das Buchpreisbindungsgesetz eindeutig geregelt sein, damit große Vertriebskunden Verlage nicht unter Druck setzen können. Bei Aktionen sollten die Verlage sich vorher besser überlegen, welche Auswirkung eine Aktion auf die anderen Kunden hat.(14)
  • Es geht doch hier nicht nur um Amazon – solche Aktionen sind auch Marketing fürs Buch und für Bücher. Mit emotionalen Drohgebärden erreichen wir bei Digital-Lesenden immer mehr Unverständnis. Diese Aktion mag weh tun, dennoch ist sie sinnvoll. Jede gute Buchhandlung wirbt wöchentlich mit günstigen E-Books und wer das nicht versteht, mag sich einfach mal die Reihe der Selfpublisher ansehen und deren sinnhafte Preisaktionen.(15)
  • Kritisch bleiben und alle Betriebsgrößen gleich behandeln. Nicht der größte Vertriebskunde, sondern die Vielzahl der Kunden sichert dem Verlag die Existenz.(16)
  • Dass Amazon höhere Rabatte bekommt, kann man ja aufgrund der höheren Abnahmemengen noch verstehen, aber solche Aktionen sind nun wirklich nicht nötig. Der Verlag lässt sich ausnehmen und auch der stationäre Buchhandel leidet unter den Folgen.(17)

„Wie viele Buchhändler nutzen den Marketplace?“

  • Als „Quereinsteiger“ in den Buchhandel fasziniert mich das zweierlei Maß: Wie viele „lokale“ Buchhändler benutzen Amazon Marketplace, um ihre nicht remittierbaren Bücher anzubieten?
    Die Branche agiert offensichtlich nach dem Prinzip: „Da mir das Wasser bis zum Hals steht, stelle ich mich einfach auf die Schultern eines Mitbewerbers, dem auch das Wasser bis zum Hals steht.“ Der geht dann zwar unter und dann steht mir das Wasser wieder bis zum Hals – aber das ist ja erst morgen… Anders ausgedrückt: Solange Einzelkampf Vorrang vor Kooperation hat, funktioniert die Strategie von Amazon. Warum sollte Amazon daran etwas ändern?(18)
  • Die Verlage sollten Amazon keine besseren Konditionen als dem stationären Buchhandel einräumen. Wir bezahlen Porto. Amazon auch?(19)
  • Wenn Verlage irgendwann nur mit Amazon oder Thalia/Hugendubel etc. zusammenarbeiten wollen, weil es keine kleinen Buchhandlungen mehr gibt, dann weiter so!(20)
  • Die Verlage sind aufgerufen, sich von Amazon nicht erpressen zu lassen. Ich finde es sowieso ausgesprochen widersinnig, dass die großen Filialisten so viel bessere Prozente bekommen. Massenware verblödet!(21)
  • Keine Aktionen, die Kundenbindungen zu Amazon festigen oder gar herstellen (wie die Lübbe-Aktion für die Amazon-App). Amazon will Verlage langfristig überflüssig machen, deshalb sollten Verlage – aus eigenem Interesse dessen Attraktivität nicht verstärken.(22)

„Boykott bringt nichts“

  • Ich kann die Fixierung der Verlage auf Amazon nicht ganz verstehen. Von den Buchhandlungen wird Verständnis für Rabattkürzungen und Portokosten verlangt. Aber ebenfalls sehr ärgerlich finde ich den Direktvertrieb der Verlage an Endkunden.(23)
  • Den Verlag zu boykottieren, bringt niemandem etwas. Lübbe hat zu wichtige Autoren wie Follett etc. Wir würden unsere Kunden verärgern, wenn wir eben diese Autoren nicht mehr anbieten würden. Und beim Großhändler für weniger Rabatt zu bestellen; damit würden wir uns nur selbst schaden. Man darf und soll sich beschweren und muss auf Einsicht hoffen. Ansonsten muss man über langfristige Konsequenzen nachdenken.(24)
  • Die Kritik an der Aktion kann ich nicht nachvollziehen! Da aber der Buchhandel die alleinigen Portokosten jeder Lieferung trägt, und auch manche Unsinns-Lieferungen und die Wahrnehmung für den unabhängigen Buchhandel immer kleiner wird, sehe ich das als Gegenreaktion auf dem falschen Schauplatz…(25)

„Man kann das als Krieg bezeichnen“

  • Wenn in den Verlagen endlich wieder Männer und Frauen mit klarem Verstand die Geschicke leiten und nicht irgendwelche BWLer, die keine Ahnung mehr von dem haben, was sie eigentlich verkaufen und was in kleineren Buchhandlungen für die Verbreitung Ihrer Bücher geleistet wird. Vielleicht merkt man dann, dass das Buckeln und Kriechen vor Amazon, Thalia Hugendubel u.a. sie nicht reicher, sondern den Buchhandel und sie selber ärmer und ärmer macht. Die Verlage scheinen aus Erfahrung nicht klug geworden zu sein.
    Ich erinnere nur an die Zeiten, als die Filialisten Mayersche und Thalia auf Expansionskurs waren. Deren Expansion wurde durch Rabattverschärfungen bei den kleinen und mittleren Buchhandlungen finanziert – aus gesicherter Quelle weiß ich, dass teilweise Rabatte von über 50% eingeräumt wurden. Was nützt es den Verlagen, sich bei ihren größten Abnehmern (selbstredend mit den eben erwähnten, kartellrechtlich höchst bedenklichen Rabatten von über 50%…) in zunehmend größerer Abhängigkeit zu begeben.
    Amazon benimmt sich eben nicht wie ein „normaler“ Partner im Wettbewerb. Für Amazon gelten offensichtlich keine Regeln, außer die vom Konzern festgelegte amerikanische „Spielart“ des Marktes. Deren Vorgehen ist extrem rücksichtslos, ich würde ein solches Vorgehen schlichtweg als „Krieg“ bezeichnen. Was das bedeutet, hat vor kurzem die Bonnier-Gruppe zu spüren bekommen. Die Zukunft der Verlage sähe rosiger aus, wenn sie Amazon keine „Extrawurst“ anbieten würden, denn diese wird von Amazon nur dazu verwandt werden, die Hand, die einem soeben noch gefüttert hat, aufzufressen… Es ist keine Verunglimpfung, ein solches Vorgehen als „parasitär“ zu bezeichnen.(26)
  • Leider sind die Verlage aufgrund der geänderten Gesellschaftsentwicklung auf diesen Vertriebskunden mit angewiesen, aber vielleicht wäre da Mut in die andere Richtung (Verweigerung!) auch mal ein Weg?(27)

„Buy local ist die Devise“

  • Solche Kumpanei  finde ich äußerst fragwürdig, wenn man für den Erhalt kleiner und mittlerer Buchläden ist. Wer bei Amazon mitmacht und dem Riesen auch noch Zucker gibt, ist mitverantwortlich für die Verödung der Innenstädte. Buy local ist die Devise. (28)
  • Das ist eine witzige Frage: wie soll Lübbe mit dem größten Vertriebskunden umgehen? Warum ist dieser Vertriebskunde denn der Größte? Doch wohl, weil u.a. solche Verlage wie Lübbe ihm dazu verholfen haben. Wir verkaufen Bücher zum gleichen Preis, wir bezahlen und behandeln unsere Angestellten fair, wir versenden zum normalen Postpreis: WIR sind der Buchhandel.(29)
  • Die Lübbe-Aktion mit Amazon führt zur Kundenbindung bei Amazon und sonst zu gar nichts! Wenn ein Wettbewerb auf Augenhöhe der Partner ausgetragen wird, ist das okay, Amazon ist kein Partner. Weder für Verlage noch für Buchhändler. Verlage sollten darüber nachdenken, was eine Kooperation mit Amazon auch im zweiten Schritt bedeutet.(30)
  • Amazon ist ohne Frage ein wichtiger Kunde. Wünschenswert wäre, dass sich die Verlage endlich ernsthaft Gedanken darüber machen, wie das Sortiment vernünftig in ihre E-Strategien eingebunden wird (der Verzicht auf hartes DRM ist ein wichtiger Schritt) und zu versuchen, den großen Vorteil, den stationäre Läden haben, nämlich Bücher haptisch zu erleben, mit einer E-Strategie zu verbinden, die für das Sortiment auch wirtschaftlich interessant ist.(31)
  • Mein Gott, ein 10 Jahre altes Buch, das in keiner Buchhandlung mehr vorhanden ist. Vollkommen überbewertet. Interessiert keine Sau! (32)

„GleichesRecht für alle“

  • Partnerschaft sollte auf Augenhöhe stattfinden. Erfolgreiche Partnerschaft sollte durchaus honoriert werden, allerdings ohne die Wettbewerbsfähigkeit aller übrigen Partner nicht zu verschlechtern. Schließlich gehört zur Butter auch das Brot, d.h. gerne Premiumpartner aber auch die Masse der kleinen Partner trägt zum Gesamterfolg bei.(33)
  • Gleiches Recht für alle. Vorteile müssen an alle Kunden weitergegeben werden. Deutlich spürbar in den letzten Jahren ist der Kostendruck, der auf die vielen „kleinen“ Buchhandlungen abgewälzt wird, um den Großkunden noch besserer Konditionen anzubieten. Die Verlagszukunft, so scheint es, ist: Amazon und Co.!  Ist Amazon wirklich der größte Vertriebskunde? Ist Tolino kleiner als Kindle? Ist die bspw. die eBuch kleiner als Amazon/Buch? Wenn dem so sein sollte, ist es traurig. Dann haben die Verlage ja schon einen Monopolisten geboren.  “Größter Vertriebskunde“ ist ja auch eine selbsterfüllende Prophezeiung. Vielleicht muss man manche einfach nicht so bedeutend werden lassen, dann bleibt man auch als Verlag unabhängiger. Die Musikindustrie hat in den 80er Jahren gezeigt, wie man es nicht machen soll. Selbst der größten Firma steht heute z.B. faktisch nur ein Einkäufer gegenüber (Saturn und MediaMarkt) – der kann dann die Preise diktieren.(34)
  • Auch das neue Konditionenmodel, dass Lübbe zum Jahreswechsel kommuniziert hat, deutet darauf hin, dass man sich dort in Zukunft mehr auf die großen Player fokussieren wird als auf die kleineren inhabergeführten Buchhandlungen. Ich denke, dass das eine unternehmensinterne Entscheidung ist, in deren Zusammenhang auch die Amazon-Verschenkaktion zu sehen ist. Insgesamt ist zu hoffen, dass die Verlage den unabhängigen Buchhandel nicht aus den Augen verlieren und sich solidarisch gegen Konditionenerpressungen von Seiten von Amazon oder von Seiten der großen Filialisten wehren.(35)

Kommentare

1 Kommentar zu "Keine Extrawürste Wir sind der Buchhandel"

  1. Es wird Zeit das die Buchpreisbindung abgeschafft wird… diese Aussagen die man hier lesen kann, können nur aus einem Geschäftsbereich stammen ohne echten Wettbewerb… *kopfschüttel* Das ist Wolkenkuckucksheimgelaber…

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