In welchen Medienwelten bewegen sich Kinder zurzeit? Und wie können sich die Verlage positionieren, um dem veränderten Nutzungsverhalten ihrer Zielgruppe gerecht zu werden? Dies waren die zentralen Fragen des 7. Kindermedienkongresses der Akademie der Deutschen Medien im Literaturhaus München.
Unter dem Titel „Snapchatter, PokémonGo-Jäger und … Leser? Wie Content Kids auch morgen noch überzeugt“ lotete die Branche erneut aktuelle Entwicklungen und Perspektiven des Kindermarktes aus. Dabei holte Moderator Axel Dammler vom Kinderforschungsinstitut Iconkids&youth (München) erstmals Vertreter der Zielgruppe zu einer Talkrunde auf das Podium: Acht Kinder zwischen 9 und 13 Jahren beantworteten Fragen zu ihren Interessen und Freizeitgestaltungen. Dabei wurden zwei Bedürfnisse sehr deutlich:
- Die Kinder wollen schon früh selbst entscheiden.
- Sie wollen selbst aktiv werden bzw. interagieren.
Die wachsende Beliebtheit von Kommunikationsplattformen wie WhatsApp und Snapchat, aber auch die große Begeisterung für Youtube lassen sich damit leicht erklären. Der Videokanal rangierte in der Befragung der Kinder sogar deutlich vor dem Fernsehen, wobei Youtuber, Musikstars und bekannte Serien am häufigsten aufgerufen würden. Auch in der mobilen Nutzung spielt Youtube eine große Rolle: Neben WhatsApp und Spiele-Apps ist der Social Media-Kanal bei vielen ein ständiger Begleiter.
Apps sollten einen echten Mehrwert bieten
Somit wird es auch für die Branche noch wichtiger, auf Kommunikation und Interaktion zu setzen – bei der Vermarktung ebenso wie bei der Produktentwicklung. Jörg Risken, Publishing Director von Egmont Ehapa Media (Zeitschriften), und Nico Wohlschlegel, Director Marketing & Creative TV bei Walt Disney (Telenovela „Violetta“), stellten dazu erfolgreiche Vermarktungsstrategien vor. Kristin Heitmann, Gründerin von Appp Media wiederum warf einen Blick auf die Entwicklungen im Markt für Kauf-Apps und nannte als wichtige Kriterien für einen Erfolg in dem unübersichtlichen und schwierigen Geschäftsfeld: Einfachheit, wenig Sprache, technische Zuverlässigkeit, Werbefreiheit und internationale Ausrichtung. Ein großes Problem sei nach wie vor die Sichtbarkeit bzw. Platzierung. Mund-Propaganda und Presse-Rezensionen seien hier von großer Bedeutung.
Louise Carleton-Gertsch machte in ihrem Vortrag zu aktuellen App-Entwicklungen aus Großbritannien und den USA nochmals deutlich, dass ein reiner Transfer von Printformaten ins Digitale nicht ausreicht. „Apps müssen den Kindern einen echten Mehrwert bieten“, betonte die Beraterin auch in der Talkrunde mit Verlagsvertretern. Sie stellte aber auch heraus, dass gedruckte Bücher in den beiden Märkten laut aktuellen Umfragen wieder an Bedeutung gewinnen. Zwei erfolgreiche Kampagnen mit den Hauptfiguren aus den Buchklassikern „Kater Mog“ (Judith Kerr) und „Peter Rabbit“ (Beatrix Potter) hätten in England ein breites Publikum erreicht.
Innovative Ideen in Partnerschaft umsetzen
Dass es im Geschäft mit Apps oftmals um „Trial and Error“ geht, aber auch um geeignete Partnerschaften, wurde im Vortrag von Mareike Hermes, Leiterin Business Development bei Carlsen, deutlich. Sie zeigte, mit welchen Produktentwicklungen (z.B. „Pixi“-/“Conni“-Apps; digitale Imprints) der Verlag in den vergangenen Jahren erfolgreich war und welche Projekte die User nicht überzeugten. Der Verlag sei im Wandel von einer „Production Society“ zu einer „Prototyping Society“, fasste sie den Wandel der internen Abläufe zusammen.
Als aktuelles Projekt präsentierte sie die App „Mission X – Dark Ride“ (ab 12 J.), die Carlsen zusammen mit einem Games-Studio entwickelte (ET: November 2016). Die App enthält neun verschiedene Storylines, sodass der Leser den Fortgang der Geschichte durch Anklicken der gewünschten Fortsetzung selbst beeinflussen kann. Den Wunsch nach Entscheidungsfreiheit wird damit Rechnung getragen – in einem digitalen Umfeld und auf der Grundlage von Text.
Insgesamt zeigte der Erfahrungsaustausch in München, dass Print bei der jungen Zielgruppe weiter eine wichtige Rolle spielt. Es wurde aber an die Verlage appelliert, sich offener zu zeigen: Wer sich im Kindermarkt der Zukunft ein „Stück vom Kuchen“ sichern wolle, sollte moderne Technologien (z.B. Augmented Reality) oder Kommunikationsplattformen wie Snapchat (kreative Anregungen lieferte Daniel Zoll, CvD von Jam FM, Berlin) nicht ignorieren. „Wir sind zu technophob“, brachte es Astrid Kahmke vom Bayrischen Filmzentrum nach einem abschließenden Blick auf Entwicklungen aus Silicon Valley auf den Punkt.
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