Das moderne Buchmarketing bereitet Leander Steinkopf Kopfzerbrechen. In der „Zeit“ zitiert er Kampagnen-Sprüche der Börsenvereins-Initiative „Jetzt ein Buch!“ wie „Bücher helfen gegen Heuschnupfen!“, „Frisch gebadet. Frischer Schlafanzug. Frisches Buch. Nicht zu toppen.“ und „Slow Food für die Seele“. Sein Urteil: „Man muss schon sehr verzweifelt sein, um sich solche Slogans auszudenken.“
Bei Buchwerbungen wie „Plan für den Tag: Buch öffnen. Oh, schon wieder dunkel.“ oder „Wer nicht an Zauber und Wunder glaubt, hat noch nie ein Buch gelesen.“ frage er sich: „Darf das Buch kein Buch mehr sein, damit es Leser findet? Muss es beworben werden, als wäre es eine amerikanische Fernsehserie oder eine halluzinogene Droge?“ Dass Bücher konsumierbar seien wie Fernsehserien und süchtig machend wie soziale Medien, stimme schlichtweg nicht. Im Gegenteil: „Es macht gerade nicht süchtig, es ist anstrengend, es erfordert Konzentration, Geduld, Ruhe, gerade deshalb ist es heute so wichtig“, findet Steinkopf.
Auch jenseits des Branchenmarketings wünscht er sich ehrlichere Werbung. Klappentexte, die den Inhalt des jeweiligen Buches ohne Rücksicht auf die eigentliche Zielgruppe bejubeln, sieht er als Ärgernis: „Mit solchem Buchrückenenthusiasmus kriegen die Verlage zwar womöglich hin und wieder neue Leser. Aber die Leserin, die von Lobpreisungen einmal enttäuscht wurde, bekommen sie nicht so leicht wieder zurück.“
Mit der Information darüber, für wen das Buch geeignet ist, käme allerdings auch die ausschließende Wirkung, führt Steinkopf aus: „Da müssten dann Dinge stehen wie: ‚Ein Buch voll Nachdenklichkeit und Beobachtungen, ganz sicher nichts für jemanden, der Tempo und Handlung braucht‘ oder ‚Eine süffige Geschichte mit Cliffhangern und Spannung, die Freunde des Subtilen aber enttäuschen wird‘. Damit könnte man das Buch vielleicht nicht mehr jeder und jedem verkaufen, dafür aber eher den Richtigen.“
Bei dieser vom Leser ausgehenden Buchvermittlung sieht Steinkopf auch die Literaturkritik in der Pflicht. Sie solle „eben nicht nur ein Buch bewerten, sondern stattdessen auch beurteilen, welche Art der Beziehung es zum Leser aufbaut und mit wem es überhaupt in Beziehung treten will. Darüber zu streiten, ob ein Buch gut oder schlecht ist, macht viel Sinn in einer Gesellschaft der Sowiesoleser, weniger in einer Gesellschaft, in der das Buch nicht mehr selbstverständlich ist, wo man Leser und Lektüre wieder zueinander bringen muss.“
Naja, vielleicht machen Bücher nicht süchtig wie ein Smartphone, aber Entzugserscheinungen bei Leseentzug kenne ich von mir und meinem Umfeld nur zu gut.
Die Vorsicht Buch/Jetzt ein Buch-Kampagnen sind dagegen seit Jahren eine peinliche Geldverschwendung. Entweder sind sie so gestaltet, dass nur Menschen die ohnehin lesen sich davon angesprochen fühlen, oder sie verursachen milde Verstimmungsgefühle. Viel effektiver ist es, für noch-nicht-Leser das Buch zu finden, das ihre Begeisterung weckt!
Dass Bücher nicht süchtig machen können, stimmt m.E. zwar nicht, aber die Jetzt-ein-Buch-Slogans wirken in der Tat sehr bemüht. Süchtig machen die garantiert nicht.