In seinem Vortrag rekapitulierte der Medienrechtler Ralph Oliver Graef (Graef Rechtsanwälte), wie es angesichts von Gesetzeslücken zu dem Urteil kommen konnte: Verlage würden nicht genannt im Artikel 2 („Vervielfältigungsrecht“) der Urheberrechtsrichtlinie der EU, nur die Urheber selbst. Und auch der Ausblick, dass Autoren ihre Rechte vorab den Verlagen abtreten könnten, sei kein aussichtsreicher, falls diese ihre Rechte bereits der VG Wort eingeräumt hätten.
Der Börsenverein, so die Kritik von Graef, habe sich zu lange ausgeruht und sei sehenden Auges in das BGH-Urteil hineingelaufen. Jetzt müssten Verlage so oder so das von der VG Wort erhaltene Geld zurückzahlen. Graef skizzierte gleichwohl einige „good news“ in der aktuellen Situation:
Die Rückzahlung beziehe sich lediglich auf drei Jahre.
Das Konsultationsverfahren der EU-Kommission laufe und könnte am Ende zu einer Änderung der Gesetzeslage führen.
Christoph Keese (re.) in der Diskussion mit (seinem) Verleger Wolfgang Ferchl (Knaus).
Nicht nur der Medienrechtler, auch Axel Springer-Manager Christoph Keese formulierte kritische Worte mit Blick auf den Börsenverein. Er habe den Verband wiederholt davor gewarnt, sich – angesichts der seinerzeit schon absehbaren gesetzlichen Harmonisierung auf EU-Ebene – auf das 1901 erlassene Verlagsgesetz zu berufen. Der Börsenverein habe sich geweigert, das von Keese & Co. mitkonzipierte Leistungsschutzrecht zu unterstützen. Diese Strategie sei rückblickend die falsche gewesen.
Keese forderte den Börsenverein auf, sich jetzt endlich hinter das Leistungsschutzrecht zu stellen – oder es zumindest nicht öffentlich zu kritisieren. „Es wird kein Leistungsschutzrecht nur für Presseverlage geben“, versicherte Keese. Auch der Vorsitzende Richter des 1. Zivilsenats am Bundesgerichtshof Wolfgang Büscher hatte nach der BGH-Urteilsverkündung Buchverlage in diese Richtung gewiesen.
Keese erinnerte daran, dass die Frist, in der sich Vertreter der Verlagsbranche im EU-Konsultationsverfahren zur Reform des Urheberrechts äußern können, in wenigen Wochen abläuft. Jeder könne und solle sich äußern (hier das Formular).
Alle regen sich darüber auf. Warum nicht die Autoren, die all die Jahre zurücktreten mussten, damit Verlage sich bereichern konnnten?