Wie Szenen wie „aus einem absurden Theaterstück“ beschreibt die „Welt“ (11.12.) den Streit um den Suhrkamp Verlag vor Gericht. Das Drama zwischen Ulla Unseld-Berkéwicz und Hans Barlach könnte den Untergang von Suhrkamp bedeuten, so der allgemeine Tenor im Feuilleton. Doch: Noch gibt es Hoffnung.
„Es erscheint erstmals möglich, dass der Verlag von außen übernommen wird oder zerbricht“, prophezeit die „Frankfurter Rundschau“ (11.12.). „Das wäre schmerzlich, da Suhrkamp tatsächlich eine geistige Instanz der Bundesrepublik ist. Was in diesem Verlag an kritischer Theorie, an Literatur, an Diskussionskultur, an Aufklärung und geistigem Aufbruch versammelt worden ist, ist nicht nur für Deutschland einzigartig – es fand Bewunderer in der gesamten literarischen Welt.“
„Was hat Barlach vor?“
Der „Tagesspiegel“ (11.12.) fragt sich, ob es dem Verlag wirklich zugute käme, wenn Barlach, wie von ihm gefordert, mehr Einfluss bekommen würde. Vielleicht sei er in ökonomischen Belangen ja vielleicht tatsächlich geeigneter als Suhrkamp-Chefin und Mehrheitseignerin Ulla Unseld-Berkéwicz, den Verlag zu leiten. Doch: „Als Medienunternehmer hat sich der Enkel des Bildhauers Ernst Barlach bislang eher als Abwickler, Käufer und Verkäufer hervorgetan – und nicht als jemand, der sich langfristigen Projekten verschreibt.“
Barlach sei nur an den Gewinnen von Suhrkamp und einer möglichst hohen Ausschüttung interessiert, kritisiert Suhrkamp-Anwalt Peter Raue seinen Gegner im Interview mit der „Berliner Morgenpost“ (8.12.). So habe er in einer Sitzung vorgeschlagen: „Es ist doch viel günstiger, wenn wir gar keine neue Bücher mehr produzieren, sondern nur noch die Backlist bedienen.“ Der Verlag dagegen wolle die Gewinne weitgehend in das Unternehmen reinvestieren, um die Verlagskultur aufrecht zu erhalten.
Auch die „Welt“ fragt sich, was Barlach genau vorhat, wenn er denn ans Ruder gelassen würde. Im Buchgeschäft habe er keine Erfahrung. Die Leistung von Unseld-Berkéwicz sei zumindest verlegerisch nicht in Frage zu stellen, lasse doch „Suhrkamps Literaturprogramm zumindest seit einigen Jahren wenig zu wünschen übrig – außer vielleicht den ein oder anderen Bestseller“. Und auch die „taz“ (11.12.) kann sich einen Suhrkamp Verlag ohne Unseld-Berkéwicz nur schwer vorstellen.
Dem Programm könnten die Streitigkeiten der Gesellschafter schon jetzt schaden, fürchtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (11.12.): „Denn wer wollte Autoren- und andere Verträge mit einer Geschäftsführung abschließen, die nur noch auf Abruf bis zum nächsten Prozesstermin amtiert? Und wer vertraute einem Unternehmen, dessen Gesellschafter einander bekriegen?“
„Verkauf wäre für den Verlag das Beste“
Dieser Gesellschafterstreit könne nicht gut ausgehen, so die „FAZ“: Letztlich werde der Konflikt „mit dem Untergang eines Verlags, wie es ihn in der deutschen Geistesgeschichte kein zweites Mal geben wird“ enden.
Eine Auflösung der GmbH und die Zerschlagung des Verlags – als „Horrorszenario“ – sei angesichts der zerrütteten Beziehung zwischen den beiden Gesellschaftern keineswegs unrealistisch, heißt es auch in der „Welt“. Es sei dringend Zeit, dass sich Vermittler einschalten, die zur Vernunft rufen.
Holger Ehling, Unternehmensberater und früherer Vize-Direktor der Frankfurter Buchmesse, plädiert für den Verkauf an eine große Verlagsgruppe: „Es wäre am besten für den Verlag, für die Autoren und die Mitarbeiter, wenn Frau Unseld und auch Herr Barlach ihre Anteile an eine große Verlagsgruppe verkaufen würden. Schlechter als mit diesen Besitzern kann es dem Verlag auch bei einem großen Konzern nicht gehen“, zitiert ihn das „Handelsblatt“ (11.12.).
Es zeichne sich ein Austausch der Geschäftsführung des Verlages bei gleichbleibender Eignerstruktur ab, prophezeit Lothar Müller in der „Süddeutsche Zeitung“ (11.12.) – und somit das Ende der von Unseld-Berkéwicz geprägten Ära nach dem Tod Siegfried Unselds. Weder der Name Hans Barlach noch der Name Unseld werde künftig in der Geschäftsführung auftauchen, sollte Barlach seine Forderungen gerichtlich durchboxen können.
Der gesellschaftliche Druck, der auf den Gesellschaftern laste, werde sie hoffentlich zum Einlenken bewegen, wünscht sich Müller. Denn: „Man lässt einen großen, berühmten Verlag nicht vor die Hunde gehen, nur um recht zu behalten.“
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