Deutlicher Erfolg der Lobbyarbeit von Börsenverein & Co. – oder nicht mehr als ein Pyrrhussieg? Der neue Vorschlag zum Google-Vergleich hinterlässt in der Branche gemischte Gefühle. buchreport.de hat Stimmen zum Settlement 2.0 gesammelt.
Konstantin Wegner, Kanzlei SKW Schwarz
Ob dies für deutsche Verlage und Autoren nun eine gute Lösung ist? Sicher, die aufoktroyierten Vergleichswirkungen, die Rechteinhaber zum Handeln zwangen, sind vom Tisch – aber damit auch alle Optionen und Verdienstmöglichkeiten, die der alte Vergleich noch geboten hatte. Und was passiert, sollte es doch zu digitalen Nutzungen durch Google kommen? (mehr…)
Ernst Piper, Piper & Poppenhusen
Autoren haben zunächst ein elementares Interesse daran, dass das, was sie schreiben, wahrgenommen und gelesen wird. Sodann haben sie ein nicht weniger elementares Interesse daran, dass sie für das, was sie schreiben, angemessen honoriert werden, unabhängig davon, wie und wo ihre Werke gelesen werden. Insofern war es positiv, dass ein Unternehmen wie Google, das die Mittel dazu hat, die Bestände großer Bibliotheken elektronisch erfasst hat. Und nach dem amerikanischen Urheberrecht war das auch zulässig, denn die Einspeisung von Daten gilt dort nicht als Nutzung, die natürlich genehmigungspflichtig wäre. Das Vorgehen von Google war aber unsensibel gegenüber den hiesigen andersartigen Rechtstraditionen. Insofern ist es sehr zu begrüßen, wenn nun an die Stelle einer Opt Out-Klausel eine Opt In-Klausel für vergriffene Bücher treten soll, deren Autoren auffindbar sind. Um in der Sache voranzukommen, sollen nach dem neuen Formulierungsvorschlag für den Vergleich nun deutsche Bücher, die nicht im US-Copyrightregister eingetragen sind, herausgenommen werden. Der Börsenverein befürchtet, dass so die neue Vereinbarung „Europa von der Buchdigitalisierung abschneide“. Das wird wohl auf Dauer nicht der Fall sein, die Verlage sollten allerdings darauf achten, ihre Energien nicht in Abwehrversuchen gegen erfolgreiche Marktteilnehmer zu erschöpfen.
Joerg Pfuhl, Random House
„Bevor wir uns zu sehr freuen, dass nun deutschsprachige Titel nicht mehr vom Settlement betroffen sind: Google unterliegt weiterhin keinen Restriktionen hinsichtlich des Scannens deutschsprachiger Titel in den USA, denn auch die für deutsche Verlage und Autoren positiven Aspekte des Settlements greifen nicht. Damit der Ausschluss aus dem Settlement nicht einem Pyrrhussieg gleichkommt, müssen nun weitere Verhandlungen mit Google geführt werden. Hoffen wir, dass der Weg nicht so lang und steinig ist wie die jahrelangen Verhandlungen zwischen Verlagen, Autoren und Google in den USA.“
Imre Török, Bundesvorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller
„Der neuerliche Vergleichsvorschlag ist auf die gemeinsamen Bemühungen des Börsenvereins, der Autorenschaft, der VG Wort und der Politik zurückzuführen und ist trotz noch ungeklärter Einzelfragen (z. B. ,verwaiste Bücher‘) als deutlicher Erfolg zu werten. Die von Anfang an geäußerte scharfe Kritik des VS bliebt bestehen, dass die Vorgehensweise von Google – erst handeln, dann fragen – eine eklatante Verletzung der Rechte der Urheber darstellt, die der VS auch künftig nicht hinnehmen wird. Ohne den Schutz geistigen Eigentums sind grundlegende Werte und innovative Kreativität in hohem Maße gefährdet. “
Arnoud de Kemp, Arbeitskreis elektronisches Publizieren
„Wir hatten im Januar 2009, moderiert von Mark Seeley (American Elsevier als Vertreter der AAP), den ersten und gleichzeitig großen Auftritt von Google und Authors Guild in der internationalen Konferenz ,APE 2009 – Academic Publishing in Europe‘. Für viele Teilnehmer wurde dann und dort erst klar, was das Google Book Settlement vor allem langfristig für die Autoren, Verlage und Buchhandlungen bedeuten würde. Das nun vorliegende Amendment sieht auf dem ersten Blick positiver aus, aber wir brauchen nun Zeit für eine Prüfung und eine europäische Abstimmung. Auf jedem Fall haben wir bei der ,APE 2010′-Konferenz (Motto: ,Researchers, Librarians & Publishers‘ am 20. Januar 2010) Zeit für ein ,europäisches Hearing‘ reserviert. Siehe www.ape2010.eu.“
Peter S. Fritz, Literaturagent aus Zürich
„Der neue Vertragsentwurf muss natürlich im Detail studiert werden und es müssen gedanklich alle möglichen Szenarien durchgespielt werden und zwar unter Berücksichtigung der Interessen von Verlagen wie auch von Autoren. Ich denke aber, die allgemeine Stoßrichtung ist positiv zu betrachten. Die große Arbeit kommt auf die Europäer noch zu. Hier frage ich mich, ob Europa der Aufgabe gewachsen ist und es hinkriegt, mit einer Stimme zu sprechen. Die europäischen Autoren sollten die Sache nicht allein den Verlagen überlassen – Verlage tun sich gut daran, die Autoren früh und fair ins Boot zu holen.“
Matthias Ulmer, Verlag
„Die Verbesserung gegenüber der ersten Version ist offensichtlich. Es macht nachdenklich, dass es erst eines solchen großen Gegenwinds bedarf, dass Google sich wenigstens in den groben Linien an bestehende Gesetze hält. Und die vergangenen Monate haben einmal mehr gezeigt, wie kläglich viele sofort die Flinte ins Korn werfen und sagen: gegen Google kann man ja doch nichts ausrichten. Der Heidelberger Appell und dann auch der Börsenverein haben gezeigt, dass man alles vermag, wenn man seine Position überzeugend vertritt. Damit wurde für alle Urheber und Verleger in Deutschland eine klare Verbesserung ihrer Position erreicht.“
Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels
„Der neue Vergleichsvorschlag weist Licht und Schatten auf. Wir werden in den nächsten Wochen die Details des neuen Entwurfs prüfen und dann entscheiden, ob wir uns erneut an den zuständigen Richter in New York wenden werden.“ Der Association of American Publishers sei man dankbar für ihr Bemühen, die Anliegen der europäischen Verlage zu berücksichtigen. „Unser Dank gilt auch den zahlreichen Autoren, die sich kritisch zum ersten Google Settlement geäußert haben, dem Bundesjustizministerium und dem Staatsminister für Kultur. Ohne deren Unterstützung hätte es die Überarbeitung nicht gegeben“, so Honnefelder. „Andererseits darf Europa gegenüber Amerika den weltweiten Anschluss bei der Online-Erschließung von Bibliotheksbeständen nicht verlieren“, sagt Honnefelder. Deshalb erhalte die Schaffung einer Deutschen Digitalen Bibliothek als Teil der Europeana eine immer größere Relevanz.
Robert Staats, Vorstand VG Wort
„Die VG WORT wird die Auswirkungen des veränderten Vergleichs natürlich genau prüfen. Dabei geht es insbesondere darum festzustellen, in welchem Umfang Bücher deutscher Autoren und Verlage weiterhin von dem Settlement erfasst werden, weil sie im US Copyright Office registriert sind. Anschließend wird zu entscheiden sein, ob und inwieweit die VG Wort im Hinblick auf den Google-Vergleich in den USA noch tätig werden muss.“
Simon Juden, The Publishers Association (Verlegerbund aus Großbritannien)
„Wir sind froh, dass die Änderungen unseren Bedürfnissen entsprechen. Ich bin zuversichtlich, dass alle britischen Verlage, die im Vergleich bleiben wollen, von den Änderungen, die wir heraushandeln konnten, profitieren. Die Alternative hätte darin bestanden, unsere Unterstützung zurückzuziehen und britische Bücher aus dem Vergleich herauszunehmen. Dies hätte jedoch dazu geführt, dass britische Rechteinhaber keine Kontrolle mehr darüber gehabt hätten, wie ihre Bücher verwertet werden.“
Peter Brantley, Open Book Alliance (u.a. Amazon, Microsoft)
„Unser erster Eindruck zeigt uns, dass Google und die Partner einen Taschenspielertrick vorführen. Der Vergleich bleibt ein Versatzstück, das den privatwirtschaftlichen kommerziellen Interessen von Google und den Partnern dienen soll. (…) Google darf aber nicht das exklusive Recht (…) auf einen Zugang oder zum Vertrieb der weltgrößten Bücher-Datenbank haben. Es ist klar, dass Google diese Erfordernisse nicht erfüllt.“
Dan Clancy, Chefingenieur der Google-Buchsuche
„Wir sind enttäuscht, dass wir durch die Änderungen nicht mehr den Zugang zu so vielen Büchern aus vielen Ländern verschaffen können. Aber wir hoffen, dass wir unsere Arbeit mit den Rechteinhabern weltweit fortsetzen können, um unsere langfristige Mission erfüllen zu können: den Zugang zu allen Büchern der Welt auszudehnen.“
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