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Adrenalin, Tabellen und Verrückte

Je dicker die Wände der Black Box, desto größer das Interesse, wenn ein bisschen Licht hineinfällt. So ist zu erklären, warum der frühere Amazon-Mitarbeiter Jason Merkoski mit seinem Buch „Burning the Page: The Ebook Revolution and the Future of Reading“ (bei Sourcebooks erschienen) seit Wochenanfang für viel Wirbel in der US-Buchbranche sorgt. Sein Report überrascht, allerdings nicht mit Schlüsselloch-Einblicken.  

Merkoski, selbst erklärter Liebhaber gedruckter Bücher, arbeitete nach eigenen Angaben seit 2005 für Amazon und war in den fünf Folgejahren in verschiedenen Rollen am Start von drei Kindle-Modellen beteiligt. Die wichtigsten Themen und Thesen (zusammengetragen mit Hilfe von paidcontent.org, der „New York Times“ und anderen Quellen):
Bezos: Nach Einschätzung von Merkoski soll der Kindle aus der Sicht des Firmenchefs das Erbe werden, mit dem Jeff Bezos in die Geschichte eingeht. In den Anfangsjahren sei das Projekt wie ein Startup gewesen, das von Bezos‘ Wagniskapital-Spritzen, einer Vision und vollständigem Rückhalt im Unternehmen profitiert habe.
Start: Die Entwicklung des Kindle-Programms sei extrem geheim gewesen, es habe ein „perfektes Vakuum“ geherrscht, was für einen Überraschungsmoment 2007 gesorgt habe – als das 399-Dollar-Gerät binnen fünfeinhalb Stunden ausverkauft gewesen sei und monatelang nicht nachgeliefert werden konnte.
Wettbewerb: Nach Einschätzung des früheren Kindle-Managers ist Barnes & Noble bei den E-Reading-Geräten das innovativste Unternehmen. B&N habe als erstes E-Ink-Displays mit Touch-Funktionalität auf den Markt gebracht. „Die können so schnell erfinden, weil sie nicht durch die eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung belastet werden.“ Am Ende werde das Unternehmen die Oberhand im „Reader-Krieg“ gewinnen, das der digitalen Lektüre etwas „Menschliches“ verleihe. „Amazon gewinnt die E-Book-Revolution, könnte aber den Krieg verlieren.“ Amazon werde wegen der Detailverliebtheit, der niedrigen Preise und der Einhaltung von Terminen zu Einführung neuer Produkte respektiert, so Merkoski – geliebt werde Amazon aber vom Kunden nicht.
Buch-Empfehlungen: Da liegen laut Merkoski die Schwächen der großen E-Händler, die nur über die „literarische Sensibilität einer Tabelle“ verfügten – und stets die populärsten Bücher empfehlen.
Visionen: Merkoski macht sich viel Gedanken über die Zukunft von E-Books und des digitalen Lesens. Seine Ideen erscheinen teilweise kurios. Er entwirft das Bild eines E-Readers ohne Bildschirm, der einen kleinen Beamer einsetzt, um ein E-Book auf eine Oberfläche (eine Zimmer-Decke oder eine leere Buchseite) zu projizieren. Außerdem denkt der Autor über das „Facebook für Bücher“ nach: Man fängt in einem E-Book an zu lesen und wird über Links zu immer weiteren Titel geführt (in den ersten Rezensionen heißt es, dies sei längst mit der Erfindung des Internet realisiert worden). Diesen Traum erfüllen werde nicht Amazon, sondern Google, weil Google im Suchmaschinenbereich dominant sei und – für „Google Book Search“ – mehr Kultur digitalisiert habe als jeder andere Händler oder jede andere Bibliothek. 
Ausstieg: In der „New York Times“ erklärt der Autor, warum er Amazon verlassen habe. Dort hätten zwar die klügsten Leute gearbeitet, mit denen er je zusammengearbeitet habe. Aber Amazon habe eben eine „dunkle Seite“, als ob das Unternehmen die „böse Stiefmutter in einem Märchen“ sei. Amazon werde zusammengehalten von „Adrenalin, Tabellen und Leuten, die wie verrückt herumlaufen.“ 

Kommentare

2 Kommentare zu "Adrenalin, Tabellen und Verrückte"

  1. irgendwie lustig, dass es das Buch offensichtlich nur als eBook, genauer gesagt als Kindle Edition gibt …

  2. Interessantes Trailer-Format. Obwohl nicht gerade gut gemacht, wirkt viel zu kalkuliert und künstlich. Aber als „Formatvorlage“ nicht schlecht …

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