Die Debatte über die Macht von Amazon läuft in die falsche Richtung, meint der US-Digitalstratege Richard Nash, der zur Neupositionierung rät. Im Geschäft mit der massenhaften Buchproduktion sei nicht mehr viel zu holen.
Nash war zuletzt als Inhaltechef des Abo-Dienstes Byliner und ist aktuell als Berater unterwegs. Er verlagert die Debatte, indem er Verlagen rät, sich gar nicht erst auf den Kampf mit Amazon einzulassen. Stattdessen sollten sie sich mit ihrer Geschichte beschäftigen und sich neu positionieren.
Das Jahr 2014 war stark von der Furcht der traditionellen Buchbranche vor der Macht Amazons geprägt. Wie sollten Verlage auf den großen Disruptor reagieren?
Sie sollten Annalee Newitz’ Buch „Scatter, Adapt and Remember – How Humans Will Survive a Mass Extinction“ lesen. Newitz ist Chefredakteurin der wissenschaftlichen Webseite io9.com und arbeitet in ihrem Buch die wesentlichen Strategien heraus, mit denen verschiedene Spezies ein Artensterben verhindern. „Verstreuen“ („Scatter“) bedeutet, dass man sich nicht auf einem Fleck versammeln und auf die Auslöschung warten, sondern sich verteilen sollte. Man passt sich außerdem an („adapt“), um neue Strategien zu erlernen, und man erinnert sich („remember“) schließlich an die Verhaltensmuster, die sich als vorteilhaft erwiesen haben. Diese drei Strategien würde ich auch Verlegern empfehlen. Sie sollten nicht die direkte Konfrontation mit Amazon suchen, sondern stattdessen Amazon für sie bedeutungslos machen.
Wie soll das gelingen?
Die Geschichte des Verlagswesens ist eine Geschichte des Handwerks. Bücher waren das erste Produkt, von dem Menschen auf industrielle Art und Weise perfekte Nachbildungen anfertigen konnten. Zusätzlich zum Handwerk bzw. zur Produktentwicklung kamen dann Verkauf, Marketing und Handel sowie Hunderte von Händlern und ein komplexes System von Zwischenhändlern hinzu, mit dem gemeinsamen Ziel, Bücher günstiger und besser verfügbar zu machen. Amazon hat nichts anderes gemacht, als dieses System zu perfektionieren. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht sinnvoll, Amazon zu bekämpfen, indem man höhere Preise für Bücher durchsetzt. Dies widerspricht allem, wofür das Verlagswesen in den vergangenen 500 Jahren selbst stand. Leute, ihr habt die Regeln selbst entworfen, jetzt könnt ihr sie nicht ändern. Stattdessen solltet ihr das Spiel wechseln.
Konkret?
Verlage sollten bei den Dienstleistungen ansetzen: Auf dem Buchmarkt müssen Talente gefunden, Entwürfe gemacht und Mundpropaganda erzeugt werden. Das ist ein Feld, auf dem die Verlage unglaubliche Möglichkeiten haben. Ich denke nicht, dass Amazon dieses Spiel mitspielen wird.
Wo sehen Sie bei Verlagen gute Services?
Faber betreibt in Großbritannien zum Beispiel die Faber Academy, ein Creative-Writing-Programm. In den Niederlanden hat einer der größten Verlage das Selfpublishing-Programm Brave New Books gestartet. Dort geht es nicht mehr nur um die Produktion eines Buches, sondern darum, mit brillanten Redakteuren und Designern besondere Bücher zu schaffen. In den USA betreiben Verlage seit rund zehn Jahren außerdem sogenannte „Speaker Bureaus“ und vermarkten ihre Autoren als Referenten. Das Problem ist aber, dass sie nur die B-Sprecher bekommen, nicht aber Leute wie Malcolm Gladwell oder Colin Powell. Wenn ich Bertelsmann wäre, würde ich eine Agentur kaufen, die die entsprechenden Leute bekommt. Das wäre ein exzellenter Service.
Auf Ihrer Website zitieren Sie einen Tweet, in dem ein Autor schreibt: „Wenn irgendjemand das Buchgeschäft retten kann, ist es @R_Nash“. Wie gelingt Ihnen das?
Die Buchindustrie kann sich nur selbst retten, indem sie zu ihren Wurzeln zurückkehrt und sich als Disruptoren ihres eigenen Geschäfts betätigt. Wir haben mit dem physischen Buch Unglaubliches erreicht, aber das in Massen produzierte Buch war immer nur ein Mittel zum Zweck, nie der Zweck selbst. Wir müssen jetzt zurückgehen und uns die alten Modelle anschauen, um neue Modelle zu erfinden.
Die Fragen stellte Daniel Lenz
Das komplette Interview ist im buchreport.magazin 11/2014 zu lesen (hier zu bestellen).
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