buchreport

Agenten erweitern ihr Spektrum

Der Selfpublishing-Boom verändert hierzulande auch die Rahmenbedingungen für Literaturagenten. Petra Hermanns (scripts for sale) glaubt, dass die Rechtehändler ihr Serviceangebot ausbauen müssen.
Zeigt der Erfolg von Selfpublishern, dass Agenten heute nicht mehr gebraucht werden?
Petra Hermanns: Eindeutig nein. Der Markt der Selfpublisher läuft zu großen Teilen noch parallel zum traditionellen Buchmarkt, auch wenn es immer mehr Berührungspunkte gibt. Die Märkte, insbesondere der Weg zu den Lesern, funktioniert sehr unterschiedlich. Im stationären Buchhandel finden die meisten Selfpublisher noch nicht statt. Auch wenn man von den Erfolgsgeschichten einzelner Selfpublisher regelmäßig liest und zu Recht beeindruckt sein kann – die meisten Verkaufserfolge und Bestseller werden im Moment nach wie vor über den traditionellen Buchmarkt erreicht. Dennoch gerät das klassische Geschäft auch von Literaturagenturen in Bewegung, da man sich als Literaturagentur sicherlich Gedanken machen muss, ob und wie man auf die Veränderungen des Buchmarkts reagieren kann und sollte.
Wie müssen sich Literaturagenturen auf das neue Marktumfeld einstellen? 
Zum einen hat sich der Radius erweitert, mit dem man nach neuen Talenten suchen kann. Auch wir haben den Markt der Eigenverleger im Blick, um dort eventuell neue Talente für den traditionellen Buchmarkt zu entdecken. Unserem Wissen nach ist es im Moment noch der Wunsch vieler Selfpublisher, dass sie es in den klassischen Verlagsmarkt hinüber schaffen und da sind wir mit unserer Schnittstelle zu den Buchverlagen natürlich ein Partner mit über 15 Jahren Branchenerfahrung. 
Literaturagenturen werden ja von den Autoren bezahlt, damit sie ihre Manuskripte bei Verlagen unterbringen. Welche neuen Services müssen Agenten bieten?
Ich kann mir gut vorstellen, dass Literaturagenturen ihr Leistungsspektrum in den nächsten Jahren erweitern, indem sie sich zum Beispiel um die Vermarktung von Lizenzen kümmern oder um Veranstaltungsmanagement und Pressearbeit. Diese Überlegungen laufen auch gerade in unserer Agentur. Ein zentraler Punkt ist aktuell das Lektorat, das einer der wesentlichen Aspekte für ein gelungenes Manuskript ist. Meiner Meinung nach übersehen bzw. vernachlässigen noch zu viele Selfpublisher diesen Punkt. Ohne ein professionelles Lektorat bleiben viele Texte unter ihren Möglichkeiten und unter dem, was Leserinnen und Leser erwarten dürfen, wenn sie Geld für Produkte ausgeben. 
Hugh Howey, einer der bekanntesten US-Selfpublisher, geht davon aus, dass Literaturagenturen zunehmend zu Produzenten werden. Sie auch?
Ich sehe das auf dem deutschsprachigen Markt in dieser Form in den nächsten Jahren nicht. Vielmehr erwarte ich im deutschsprachigen Gebiet nach wie vor die klassischen Verlage als die wichtigsten Verwerter und Vertreiber über den Buchhandel, sowohl stationär als auch online. Hier sehe ich die Verlage allerdings auch in der Pflicht, mehr zu tun und sich gerade um ihre deutschsprachigen Autorinnen und Autoren noch intensiver zu kümmern. Durch Selfpublisher ist der Bedarf an transparenter Kommunikation mit seinem Verlag größer geworden und ebenfalls der Wunsch nach mehr Mitspracherecht z.B. an Cover und Titeln für Bücher. Hier würde ich mich freuen, wenn es die klassischen Verlage schaffen, sich da auf engere Kommunikation mit den Autoren einzulassen. Es hat sich in den letzten Jahren schon einiges auf die Agenturseite verlagert, dass diese vermehrt die strategischen Angelegenheiten mit den Autorinnen und Autoren besprechen und auch die Entwicklung neuer Stoffe betreuen. Hierzu fehlt es den Verlagen oftmals an Zeit, daher sind Agenturen ihren Kunden häufig näher als Verlage. Daher kann ich der Prognose, dass Literaturagenten zu Produzenten werden, aktuell nicht zustimmen.
Aktuell liegen Welten zwischen den Tantiemen, die Amazon Selfpublishern auszahlt und den Anteilen, die Verlage idR gewähren. Wie wird sich dieses Spannungsfeld entwickeln?
Diese Diskrepanz ist tatsächlich ein großes Problem, das im Moment natürlich auch die Agenturen und deren Autorinnen und Autoren beschäftigt. Solange die Verlage ihre Leistungen den Autoren gegenüber nicht nur gut darstellen, sondern ihre vielfältigen Aufgaben auch erfüllen, wissen Autorinnen und Autoren, dass Verlage anders kalkulieren müssen als Amazon. Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Autorenhonorare.
Verlage übersetzen und vertreiben ihre Titel selbst im Ausland. Was wird aus den territorial rights?
Es geht bei Selfpublishern nicht nur um die Auslandsrechte, sondern um alle buchfernen- und buchnahen Nebenrechte. Wir haben uns in der Agentur die Verträge einiger Selfpublisher-Verlage angeschaut, zum Teil sind da enorme Rechtsübertragungen mit sehr langen Laufzeiten der Standard. Hier muss man beobachten, wie sich dieser Bereich entwickelt. Da die Autoren einen Rechtsanspruch haben, dass Nebenrechte innerhalb bestimmter Fristen auch verwertet werden, werden sich Selfpublisher da etwas überlegen müssen oder sich Dienstleister suchen, die das extern übernehmen.
Wohin entwickelt sich der Rechtemarkt insgesamt?
In Bezug auf ausländische Rechte erleben wir – allerdings nur indirekt, weil wir diese Rechte den Verlagen übertragen – dass das Ausland natürlich an den erfolgreichen Titeln deutscher Autorinnen und Autoren interessiert ist. Midlist-Titel ins Ausland zu verkaufen ist in der Unterhaltungsliteratur fast unmöglich. Bei kleineren europäischen Ländern beobachten wir zudem, dass aufgrund der wirtschaftlichen Situation wie z.B. in Spanien oder Italien die Garantiezahlungen etwas herabgesetzt werden mussten. Das Engagement und Interesse der ausländischen Verlage ist jedoch erfreulicherweise konstant geblieben. Insofern korreliert der Rechtemarkt mit dem heimischen Markt: Es setzen sich nur wenige Autorinnen und Autoren an die Spitze der Bestsellerliste durch und der midlist-Markt ist derzeit ein großes Sorgenkind. Insofern ist es eine Spirale: Eine Autorin bzw. einen Autor im deutschsprachigen Markt durchzusetzen, ist schwerer geworden und gelingt fast nur noch mit großen Marketingbudgets. Wenn man es schafft, dann kann man auch auf Auswertung der Nebenrechte hoffen, sei es Auslandslizenzen, Club-Lizenzen oder Filmauswertungen. 
Petra Hermanns ist gelernte Verlagskauffrau und gründete 1998 die Literaturagentur scripts for sale. Aus der Literaturagentur wurde 1999 gemeinsam mit Elke Brand die gleichnamige Medienagentur. Zahlreiche Titel der Agentur landeten auf den vordersten Plätzen der SPIEGEL-Bestsellerliste, darunter von Autoren wie Kerstin Gier, Michael Mittermeier oder Stephan Ludwig.

Kommentare

4 Kommentare zu "Agenten erweitern ihr Spektrum"

  1. Agenturen sind Dienstleister. Als solche haben die die Flexibilität, sich mit ihrem Leistungsumfang an die Bedürfnisse von AutorInnen anzupassen.
    Ich denke, wer sich hier ganz bewusst „Im individuellen Interesse jedes einzelnen meiner AutorInnen“ versteht, positioniert sich auch für die Zukunft.

  2. Frau Hermanns Äußerung: „Hier sehe ich die Verlage allerdings auch in der Pflicht, mehr zu tun und sich gerade um ihre deutschsprachigen Autorinnen und Autoren noch intensiver zu kümmern“ ist ja noch sehr vorsichtig ausgedrückt. Die Wahrheit ist: Die meisten großen Verlage scheren sich um ihre deutschen Autoren einen Dreck. (Das sage ich, die ich ebenfalls Agentin bin wie Frau Hermanns.) Es werden mit viel Tamtam und dickem Scheckbuch von amerikanischen Agenten US-Titel eingekauft, die den vermeintlich „sicheren“ Erfolg bringen. Um die horrenden Vorschüsse hereinzuholen, muss kräftig Marketing gemacht werden. Für die deutschen Autoren bleiben bei den Verlagen in Sachen Aufmerksamkeit, Marketing-Etat, Autorenhonorare und Betreuung gerade noch die Krümel, die vom Teller gefallen sind. Erst auf der letzten Buchmesse sagte mir die Lektorin eines sehr angesehenen Verlags unverhohlen ins Gesicht: „Wir wissen noch nicht, ob wir das von Ihnen angebotene Buchprojekt ihres deutschen Autors annehmen. Es kommt drauf an, ob wir den US-Bestseller XY jetzt auf der Messe einkaufen können. Wenn ja, dann sind wir an Ihrem Angebot nicht interessiert, wenn nein, dann nehmen wir es.“ Deutlicher könnte man wohl nicht zum Ausdruck bringen, dass deutsche Autoren für deutsche Verlage „zweite Wahl“ sind, wenn sich aus den USA gerade nichts Besseres einkaufen lässt. Mit dem gleichen Aufwand, aber viel niedrigerem Finanzetat, könnte man auch geeignete Bücher deutscher Autoren zu Bestsellern machen. Das würde aber bedeuten, dass die Verlage ihre Autorenkontakte viel mehr pflegen und „Potenziale“ bei guten Autoren im Blick haben – anstatt die Arbeit mehr und mehr an Agenturen auszulagern. Ein bisschen erinnert mich das an die Banken: Die eigentlichen Kunden, die doch früher das Geld gebracht haben, will man nicht mehr; Geschäfte macht man ohne sie an der Börse, weil dort angeblich mehr in kürzerer Zeit zu holen ist. Mit den Banken ist es wie mit den Verlagen: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

  3. Aus meiner Sicht ist es unumgänglich auch als Produzent tätig zu werden, es berändert sich das Umfeld also auch die daran Beteiligten.
    Damit ergeben sich natürlich auch interessante, neue Erlöse.

  4. Garantiezahlungen… was für ein Relikt… ich finanziere die Übersetzungen aus eigener Tasche und meine Autoren bekommen 50% der fremdsprachigen Verkäufe. So einfach ist das.

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