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Ahmet Altan erhält den Geschwister-Scholl-Preis 2019

Für sein Buch „Ich werde die Welt nie wiedersehen. Texte aus dem Gefängnis“ (S. Fischer) wird Ahmet Altan mit dem 40. Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet.

In der Jury-Begründung heißt es:

„Seit dem Sommer 2016 befindet sich der türkische Schriftsteller und Journalist Ahmet Altan in Haft. Am 16. Februar 2018 wurde er, in einem zweifelhaften Gerichtsverfahren, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Anklage ist der Auffassung, Ahmet Altan habe den Putschversuch gegen die Regierung von Staatspräsident Recip Tayip Erdoğan unterstützt, und zwar durch die angebliche ‚Verbreitung einer unterschwelligen Botschaft‘.

Mit dem politisch motivierten Urteil wurde ein kritischer Kommentator des Geschehens in der Türkei seiner Freiheit beraubt. Ahmet Altan hat wiederholt deutlich Position mit Blick auf die Lage der Kurden bezogen, ebenso in der Auseinandersetzung mit dem Genozid an den Armeniern. Sein Schicksal ist leider beispielhaft für die Situation vieler unabhängiger Journalistinnen und Journalisten in zunehmend autoritären oder auch diktatorischen Gesellschaften.

In seinem Buch Ich werde die Welt nie wiedersehen erzählt Ahmet Altan von seinen Erfahrungen in der Untersuchungshaft, im Gerichtssaal und schließlich im Gefängnis. Er schildert seine Begegnungen mit den Polizisten, die ihn verhaften, mit dem Staatsanwalt, der keinerlei Beweise für seine Anklage vorlegen kann, und mit den Richtern. Ebenso porträtiert er seine Mitgefangenen im ‚Käfig‘, in der überfüllten Zelle im Untersuchungsgefängnis.

Ahmet Altans Texte zeigen auf eine ruhige, klare Weise, wie es im Augenblick um die Türkei bestellt ist. Vor allem aber zeugen die Berichte von einer großen Standhaftigkeit, vom Entschluss, trotz allen Entbehrungen stärker zu sein als die Vernehmer, Ankläger und Richter. In der Situation größter Unfreiheit behauptet Ahmet Altan auf eine bewegende und mutige Weise seine innere Freiheit. Die Texte, geschrieben immer wieder auch im Dialog mit der Weltliteratur, sind ein Dokument des Widerstehens und der geistigen Unabhängigkeit. Nach der Urteilsverkündung, beschließt er, er werde kämpfen wie Odysseus. Und er erklärt, mit der Zaubermacht des Schriftstellers könne er mühelos auch durch die Wände des Gefängnisses gehen.

Die Literatur ist am Ende stärker als alle Willkürjustiz, als jede Despotie. Ahmet Altans Buch Ich werde die Welt nie wiedersehen erinnert uns, die wir in Freiheit leben, an seine Stimme. Es mahnt uns darüber hinaus aber auch dazu, all die Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren, die wie der Schriftsteller, in Haft sitzen, weil sie mundtot gemacht werden sollen. Ahmet Altan spricht für alle die, die für die Wahrheit eintreten und die Freiheit verteidigen, gerade unter schwierigsten Bedingungen. Auf diese Weise verteidigt er selbst die Freiheit und erinnert an das Vermächtnis der Geschwister Scholl.“

Ahmet Altan, geboren 1950, ist mit seinen Romanen und Essaybänden einer der erfolgreichsten Schriftsteller, aber auch einer der bekanntesten Journalisten der Türkei. Ahmet Altan arbeitete als Kolumnist für zahlreiche namhafte türkische Medien und gründete 2007 die Zeitung „Taraf“. Sie wurde nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 verboten und Ahmet Altan zusammen mit seinem Bruder Mehmet Altan festgenommen.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. und die Landeshauptstadt München vergeben 2019 den mit 10.000 Euro dotierten GeschwisterScholl-Preis zum 40. Mal. Sinn und Ziel des Geschwister-Scholl-Preises ist es, jährlich ein Buch jüngeren Datums auszuzeichnen, das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben. Zu den Preisträgern zählten in den letzten Jahren unter anderem Götz Aly, Hisham Matar, Garance Le Caisne, Achille Mbembe, Glenn Greenwald, Otto Dov Kulka, Liao Yiwu, Joachim Gauck, Roberto Saviano, David Grossman und Anna Politkovskaja.

Der Geschwister-Scholl-Preis wird im Rahmen des Literaturfests München vergeben. Die Preisverleihung findet am 25. November 2019 in der Großen Aula der LudwigMaximilians-Universität statt.

Der Fachjury unter Vorsitz des Kulturreferenten Anton Biebl und Michael Then, Vorsitzender des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e. V. gehörten 2019 an: Patrick Bahners (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Niels Beintker (Bayerischer Rundfunk), Andreas Isenschmid (Journalist und Literaturkritiker), Dr. Michael Schmitt (ZDF), Prof. Dr. Paula-Irene Villa (LMU / Institut für Soziologie), Prof. Dr. Miriam Zadoff (NS Dokumentationszentrum München) und Sonja Zekri (Süddeutsche Zeitung). Als Vertreter des Börsenvereins Bayern sind außerdem Margit Ketterle (Verlagsgruppe Droemer Knaur), Michael Krüger (Schriftsteller und Publizist) und Thomas Rathnow (Verlagsgruppe Random House) Mitglieder der Jury, von Seiten des Stadtrats Klaus Peter Rupp (SPD), Marian Offman (SPD) und Dr. Florian Roth (Bündnis 90/Die Grünen/Rosa Liste). Beratende Mitglieder waren Dr. Hildegard Kronawitter (Weiße Rose Stiftung e. V.) sowie die Stadträtinnen Ulrike Grimm (CSU) und Dr. Constanze Söllner-Schaar (SPD).

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