Die Diskussion um das Urheberrecht hat auch den Bundestag erreicht. Am Montag (21.5.) diskutierten Experten bei einer Anhörung in Berlin über Vermarktungsmodelle und den Schutz kreativer Inhalte im Internet.
Jura-Professor Rolf Schwartmann hat im Auftrag des Wirtschaftsministeriums das Warnhinweismodell in einem Gutachten genauer skizziert und sein Modell bei der Anhörung des Unterausschusses Neue Medien im Bundestag vorgestellt. Die auch vom Börsenverein unterstützte Idee: Nutzer sollen bei jedem illegalen Download von Filesharing-Plattformen darauf hingewiesen werden, dass sie gegen das Urheberrecht verstoßen. Wer trotz mehrmaliger Warnhinweise weiterhin gegen das Urheberrecht verstößt, soll rechtlich verfolgt werden.
Experten kritisieren das vom Börsenverein geforderte Warnhinweismodell
Dieses Modell wurde von anderer Seite deutlich kritisiert: Der Fachanwalt Dieter Frey monierte laut heise.de, dass die Idee unausgegoren sei. Er fürchtet mit Blick auf das Fernmeldegeheimnis, dass das Warnhinweismodell rechtlich nicht haltbar ist. Siegfried Kauder von der CDU dagegen kritisierte, dass die Telekommunikationsfreiheit nicht für illegale Geschäfte genutzt werden dürfe, berichtet „Telepolis“.
Florian Drücke vom Bundesverband der Musikindustrie bezeichnete das Modell dagegen laut stern.de als „guten ersten Aufschlag“. Er stellte in Frage, ob es Kritikern des Warnhinweises überhaupt darum ginge, dass bestehendes Recht durchgesetzt werde, heißt es bei SPIEGEL ONLINE.
Diskrepanz zwischen politischer und öffentlicher Debatte?
Der Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC), Frank Rieger, betonte, dass die Ermittlung der IP-Adressen von potenziellen Urheberrechtsverletzern nicht zuverlässig sei. Der CCC habe eine Fehlerquote von 8 bis 10% ermittelt. Auch Dirk von Gehlen, Leiter Social Media/Innovation bei der „Süddeutschen Zeitung“ und Autor des 2011 bei Suhrkamp erschienenen Buches „Lob der Kopie“, hält eine solche Überwachung der Nutzer für nicht verhältnismäßig und fragte, ob da nicht „mit sehr großen Waffen auf sehr kleine Tiere geschossen werde“, zitiert ihn SPIEGEL ONLINE.
In seinem Blogbeitrag stellt von Gehlen zudem in Frage, ob sich der Bundestag eigentlich mit Geschäftsmodellen befassen müsse. Begründung: Es sei fraglich, ob man mögliche Umsatzrückgänge so eng in eine Verbindung zu einer Veränderung des Urheberrechts stellen dürfe. Zudem herrsche eine erstaunliche Diskrepanz zwischen dem Inneren des Bundestags und der Außenwelt. Während öffentlich darüber diskutiert werde, ob das Urheberrecht aufgeweicht oder abgeschafft werde, diskutierte der Bundestag darüber, wie man das Urheberrecht verschärfen könne. „Der Versachlichung der Debatte wäre es sicherlich dienlich, diese Diskrepanz im Sinne einer realistischeren Darstellung aufzulösen“, so von Gehlen.
Politiker lehnen Warnhinweismodell weitgehend ab
Fazit: Die „altbekannten Grabenkämpfe werden trotz der jüngsten Erfolge der Piratenpartei munter weitergeführt“, schreibt Telepolis. „Auch in dieser Runde trat jene Kluft wieder deutlich hervor zwischen jenen, die der massenhaften illegalen Kopiererei mit engmaschigeren oder verschärften Durchsetzungsmechanismen begegnen wollen und jenen, die auf eine umfassende Reform des Urheberrechts an sich dringen“, zieht stern.de Bilanz. Die Anhörung habe gezeigt, wie notwendig eine Grundsatzentscheidung im Umgang mit Digitalkopien sei.
Nur: Mit einer Entscheidung der Politiker ist so bald nicht zu rechnen. Wie berichtet, lehnt die SPD ein Warnhinweismodell ab. Auch bei Grünen und Linken ist der Ansatz umstritten. Die FDP hat sich noch nicht festgelegt. Bei der CDU setzen sich dagegen einige Abgeordnete für das Warnhinweismodell ein.
Für eine Debatte über Geschäftsmodelle blieb keine Zeit
Besonders deutlich kritisieren die Berichterstatter, dass die Experten so lange über Warnhinweise debattierten, dass die Zeit nicht mehr reichte, um auch über die Vermarktung von Inhalten zu reden. „Dass hierfür keine Zeit blieb, ist symptomatisch für die ganze Urheberrechtsdebatte“, moniert die „Süddeutsche Zeitung“ (22.5.): „Es ist leichter, auf etwas Altem rumzuhacken, als sich etwas Neues auszudenken.“
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