„Lesen muss Teil jeder Kindheit und Jugend werden“, fordert die Stiftung Lesen und fördert seit Jahren entsprechend Aktionen, bei denen Kinder kostenlos mit Büchern versorgt werden (s. Kasten unten). Die bekannteste Aktion ist „Ich schenk dir eine Geschichte“, bei der 4. und 5. Schulklassen zum Welttag des Buches (23. April) das in Mio-Auflage produzierte Welttagsbuch bei Buchhandlungen abholen können.
Eine vergleichbare Buchstreuung bereitet jetzt der marktführende Online-Händler Amazon vor und will zum Weltkindertag am 20. September rund 1 Mio Märchenbücher verteilen. Amazon ist seit Jahresbeginn Mitglied im Stifterrat der Stiftung Lesen, um sich in der Leseförderung zu engagieren. Noch halten sich die Akteure hinsichtlich Details bedeckt, aber nach buchreport-Recherchen ist folgendes geplant:
- Die Mio-Auflage verteilt sich auf gedruckte und digitale Exemplare
- Das Buch enthält klassische Märchen aus dem Gebrüder-Grimm-Kosmos, die jeweils von einem prominenten „Lesebotschafter“ aus Sport und Showbusiness präsentiert werden. Weitere 5 Märchen werden von bekannten Autoren eigens fürs Buch geschrieben, darunter das für historische Romane bekannt Autorenduo Iny Lorentz.
- Für die Verteilung der gedruckten Bücher haben bisher die großen Filialisten Thalia und Hugendubel bereits zugesagt; beide Unternehmen sind neben Amazon die einzigen Buchhändler im Stifterrat, dem ca. 60 größere Sponsoren der Stiftung Lesung angehören.
Die Stiftung sucht dem Vernehmen nach noch Optionen, auch den unabhängigen Buchhandel einzubinden.
Erfahrungsgemäß wird allerdings mancher Buchhändler wegen der zentralen Rolle des mächtigen Wettbewerbers Amazon mit der Märchen-Verschenkaktion fremdeln. Von Buchhändlern waren in der Vergangenheit beispielsweise Aktionen der Stiftung Lesen mit den Lebensmitteldiscountern Aldi und Lidl kritisiert worden, die in hoher Auflage mit einem Qualitätssiegel der Stiftung Lesen Kinderbücher zu Niedrigpreisen angeboten hatten, darunter wie aktuell auch eine Märchensammlung.
Stiftung Lesen
Die 1988 gegründete Stiftung Lesen fördert Lesekompetenz in allen Bevölkerungskreisen: Zu den Aufgaben zählen im Besonderen die Förderung von Sprache und Lesen in Elternhaus, Kindergarten und Schule. Sie finanziert sich vor allem aus Zuwendungen der Stifterratsmitglieder und Spender sowie Geldern der öffentlichen Hand.
Dem Stifterrat gehören Organisationen an, die der Stiftung einen Beitrag in Höhe von 250.000 Euro zur Verfügung stellen oder der Stiftung über mindestens 3 Jahre jährlich 25.000 Euro zukommen lassen. Dazu gehören die u.a. die Buchverlage
- C.H. Beck
- Beltz
- Carlsen
- Cornelsen
- Edel
- Egmont
- Fischer KJB
- Holtzbrinck
- Lingen
- Loewe
- Oetinger
- Random House
- Ravensburger
- Ullmann
- Vemag
- Oetinger
sowie die Händler Amazon, Hugendubel, Thalia, Bibliotheksdienstleister EKZ und der Börsenverein.
Zu den Aktionen gehören
- Lesestart
- Welttag des Buches
- Bundesweiter Vorlesetag
Mmmmh, ist schon irgendwie seltsam: Da wollen die Kinder also keine Bücher mehr lesen und als einzige Lösung fällt der Stiftung Lesen und den drei Playern ein, das unbeliebte Produkt einfach zu verschenken. Ich bin gespannt, wann VW zum Nachahmer wird und in ähnlicher Weise die letzten Dieselfahrzeuge raushaut.
Die eine Million für lau rausgeschossener Bücher überdeckt erfolgreich und werbewirksam das tägliche Engagement vieler Sortimenter, die man wohl gar nicht erst ins Boot zu holen gedachte. Denn die haben in der Regel nichts zu verschenken, leisten aber dafür vor Ort die Kärrnerarbeit, die ich persönlich für effektiver und zielführender halte. Aber nun denn – offensichtlich geht es um den Effekt und nicht um Effektivität.
Und wer wissen möchte, wie nett dieses Triumvirat aus Amazon, Hugendubel und Thalia schon zusammenarbeitet, der schaue sich doch mal die Webshops der beiden letztgenannten Unternehmen auf der ganz großen Plattform an…
Jens Bartsch / Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln
Leseförderung ist wichtiger denn je und auch gerade das Märchen ist wichtig für Kinder. Wenn denn Amazon – aus welchen Interessen auch immer – sich da mal einklinkt, dann darf man es aber auch mal gut heißen, egal wie man sonst zu Amazon steht. Ich würde mich für meine Schüler freuen, wenn ich erfahren könnte, wie wir an der Aktion teilnehmen können.
ist der Börsenverein tatsächlich noch dabei????
…zumindest prangt das Logo im letzten Geschäftsbericht der Stiftung