Die Digitalisierung ermöglicht eine detaillierte Auswertung von Leseverhalten und Verkäufen. Wie Verlage ihr Geschäft besser ausleuchten können, das zeigen auf der TOC buchreport (hier mehr) neben dem Berater Sebastian Posth (hier mehr) auch Bianca Corcoran-Schliemann, Division Manager im Bereich Entertainment bei der GfK. Im Interview charakterisiert sie den E-Book-Leser, skizziert Veränderungen des Einkaufs- und Leseverhaltens und zeigt Grenzen Ihres Verbraucher-Panels.
Die Verlage hatten lange Zeit keinen Kontakt zum Endkunden, was sollten Verlage über ihre Leser im E-Book-Zeitalter lernen?
Innerhalb von wenigen Jahren haben wir enorme Veränderungen in den Vertriebswegen, hinsichtlich Kommunikationsformen und Werbung erlebt. Die Online-Ausgaben (ohne den Bereich „Food“) der deutschen Privathaushalte sind im Jahr 2012 um 14% auf 23,5 Mrd Euro gestiegen. Online geben die Verbraucher pro Einkauf besonders viel aus und die Tendenz ist steigend. 33 Mio Menschen sind monatlich auf Social Media-Webseiten aktiv, 28 Mio davon in sozialen Netzwerken, wie z.B. Facebook. Das bedeutet, dass jede 5. Online-Minute eine „Social Media Minute“ ist. Im Buchmarkt machte der E-Commerce (der Kauf von physischen Büchern und/oder das Downloaden von kostenpflichtigen E-Books) im Jahr 2012 fast ein Drittel des Marktes aus, er wächst sehr dynamisch. Jeder fünfte Buchkäufer kauft mittlerweile nur noch online. Und diesen Trend können sich die Verlage zu Nutze machen. Das Internet bietet viele Möglichkeiten, die potenziellen Käufer zu finden, ob via eigener Homepage, der Homepage der Autoren oder über Social Networks.
Wie weit trägt die Analyse des Einkaufsverhaltens – wo sind die Grenzen Ihres Verbraucher-Panels?
Die Panel-Marktforschung muss sich verändern, da wir uns permanent an die Veränderungen im Leben der Verbraucher anpassen müssen. An Streaming hat sicherlich vor einigen Jahren noch niemand gedacht. Und hier liegen die derzeitigen Grenzen, denn digitale Produkte – wie der Kauf von virtuellen Gütern in Online – und Browsergames – in Form von klassischen Einkaufstagebüchern, egal ob offline oder online, zu erfassen, hat aufgrund der Vergessenseffekte seine Grenzen. Wir suchen nach zukunftsfähigen Lösungen, die das gesamte Spektrum des Entertainment-Konsums abdecken. Das kann für bestimmte Produkte das passive Messen sein. Ich bin hier aber sehr zuversichtlich, dass wir diese Herausforderung meistern werden und unseren Kunden weiterhin einen höheren Mehrwert liefern.
In den USA ist Big Data ein großes Thema bei Buchverlagen. Ist Big Data auch hierzulande der Schlüssel zur Weisheit?
An dieser Stelle möchte ich gern unseren CEO Matthias Hartmann zitieren: „Viele Daten bedeuten nicht automatisch gute oder repräsentative Daten. Unter dem Schlagwort ‚Big Data‘ wird heute eine Vielzahl verschiedener Themenbereiche verstanden. Das reicht von klassischen Kundendaten aus dem CRM-System eines Unternehmens über Besucherstatistiken von Internetseiten oder Produktbewertungen auf Shopping-Seiten und Facebook-Likes, bis hin zu Informationen über die Nutzung von Smartphones oder Bewegungsdaten. Einige Big Data-Bereiche bieten für uns Marktforscher ein großes Potenzial, Informationen über das Verbraucherverhalten zu erlangen, ohne Menschen aktiv danach fragen zu müssen. Angesichts sinkender Umfragequoten ist dies natürlich ein großer Vorteil und bietet großartige Möglichkeiten, die wir in Studiendesign einbinden können. Big Data ist auf jeden Fall eine wertvolle Ergänzung für die Marktforschung, natürlich immer unter der Maßgabe, dass Datenschutz und Anonymität garantiert sind. Aber die Hauptaufgabe ist, aus Big Data echte Smart Data zu machen, die unseren Kunden auch verwertbare Erkenntnisse bringen. Hier gehören wir als Marktforscher aus meiner Sicht zu den besten Experten.“
Wie verändert sich das Einkaufs- und Leseverhalten im digitalen Zeitalter?
Ein wichtiger Faktor ist die Zunahme der Nutzung des mobilen Internet. Eine GfK-Studie in neun europäischen Ländern hat gezeigt, dass wir von vier Zielgruppen oder vier „Stufen der mobilen Evolution“ sprechen: Immerhin ein Drittel der Befragten verweigert sich noch, ist also in Bezug auf Internet und Nutzung von mobilen Endgeräten wie Tablet-PCs, Handy/Smartphones „non connected“. Zwei Drittel der Befragten nutzen das Internet, stationär und mobil, regelmäßig, aber mit unterschiedlicher Intensität. So können wir die Zielgruppen in „pre-connected“ (man nutzt das Handy und das Internet), in „semi-connected“ und in „super-connected“ einteilen. Die beiden letztgenannten Zielgruppen machen in der Summe 32% aus. Diese Zielgruppe schätzt die mobile Kommunikation überall und mit jedem, hält Kontakte zu Freunden und Familie mit Hilfe von sozialen Netzwerken, liebt die Verfügbarkeit von Bildern, Musik etc. über alle Geräte, mag das Shoppen im Internet rund um die Uhr und organisiert das ganze Leben (Kontakte, Termine, Navigation) mit Hilfe eines Smartphones oder Tablet-PCs.
Wie schlagen sich die Veränderungen auf dem Buchmarkt nieder?
Die Ausgaben im Buchmarkt insgesamt sind im Jahr 2012 mit + 0,4% stabil geblieben. Die Käuferreichweite mit 54% ist weiterhin sehr hoch, auch wenn das Lesen in Konkurrenz zu anderen Entertainment-Produkten wie Gaming, Musik hören, Filme ansehen und anderen Freizeitbeschäftigungen steht. Es gibt immer mehr Buchkäufer in Deutschland: 2012 waren es knapp 37 Millionen. Schaut man sich die Gruppe der E-Book Leser an, so sagen 60%, dass sie den E-Reader zum Lesen bevorzugen. Die Ausstattung mit E-Readern wächst auf 6% der privaten Personen ab 10 Jahren – und hier sprechen wir nicht nur von der jungen Zielgruppe, denn 40% der E-Reader-Besitzer sind 50 Jahre oder älter. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Ausgaben für kostenpflichtige E-Books erstmals die 100 Mio Euro überschritten haben. Verlage müssen sich auf diese veränderten Lebensgewohnheiten einstellen.
Wie sieht der typische E-Book-Nutzer aus?
Vor allem die Konsumenten im Alter von 30 bis 39 Jahren und 50 bis 59 Jahren kaufen E-Book-Downloads. Obwohl die Werbemaßnahmen für elektronische Lesegeräte vor allem auf die Vorteile auf Reisen und in vielfältigen Situationen unterwegs (wie am Strand, am Flughafen, am Swimmingpool) abheben, zeigen die Konsumenten ein überraschendes Verhalten: Nur 29% geben an, dass sie E-Books vor allem unterwegs lesen. 32% nehmen sowohl auf dem heimischen Sofa als auch unterwegs den E-Reader zur Hand. Die Mehrheit der Konsumenten, insgesamt 39%, lesen E-Books vorrangig zu Hause. Das E-Book schafft es also auch in die eigenen vier Wände, wo die Vorteile des reduzierten Gewichts und der Speicherkapazität des E-Readers im Gegensatz zu einer Reisesituation an Wichtigkeit verlieren. Zu Hause scheinen die 24-Stunden-Verfügbarkeit und der Platzmangel im Bücherregal zum Lesen von E-Books zu führen.
Die im Interview zitierten Daten stammen aus dem GfK Consumer Panel Media*Scope. In diesem Panel befragt die GfK kontinuierlich 25.000 (brutto) deutsche Privatpersonen ab 10 Jahren. Es spiegelt das Kaufverhalten repräsentativ für die Bevölkerung wieder. Auf Grundlage der Bewegungen in physischen und digitalen Märkten betrachtet die GfK das Kaufverhalten der Konsumenten. Neben der monatlichen Berichterstattung befragen die Statistiker regelmäßig die Panelteilnehmer zu weiteren Themen, wie zur technischen Ausstattung, Mediennutzung und zum Freizeitverhalten.
Genau – Platzmangel und Vielfalt ist das Argument – gut erkannt!!