buchreport

Anbieter müssen Kundenwunsch nachgeben

In der vergangenen Woche hat Apple mit der flächendeckenden Einspeisung von nicht-kopiergeschützten Musikdateien in das Downloadportal iTunes dem Digital Rights Management vermutlich einen Todesstoß versetzt – zumindest in der Musikbranche. Ab April sind alle Musiktitel im iTunes Store ohne Kopierschutz erhältlich. Wie reagiert die Hörbuchbranche? buchreport.de sammelt Reaktionen, u.a. von Henning Stumpp (Argon), Petra Kettner (Der Audio Verlag), Philip Roeder (Der Hörverlag), Harald Rieck (soforthoeren.de), Frank Sambeth (Random House).

Hüseyin Bektas (Lübbe Audio)

iTunes und jetzt auch musicload.de verabschieden sich vom Kopierschutz – eine erfreuliche oder bedenkliche Entwicklung? 
Die Vergangenheit hat die Musikindustrie gelehrt, was die Kunden wollen. DRM-freie Musikangebote. Es ist ein richtiger und wichtiger Schritt von iTunes und musicload sich vom Kopierschutz zu trennen. Es hat sich gezeigt, dass der DRM-Schutz nicht nur kinderleicht zu umgehen, sondern auch kundenunfreundlich ist. Es müssen andere Wege gefunden werden, um den geistigen Eigentum zu schützen, wie z.B. der Einsatz von Wasserzeichen-Technologie, die vom Fraunhoferinstitut mit innovativen Technologien weiter entwickelt wird.   

Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung in der Hörbuchbranche ein? 
Die Hörbuchverlage versuchen aus den Fehlern der Musikindustrie zu lernen und ihren Kunden das bestmögliche Produkt anzubieten. Dazu gehört unter anderem die freie und uneingeschränkte Nutzung des digitalen Contents auf allen Playern. Zugleich werden für den Schutz des geistigen Eigentums erforderliche Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Beispielsweise werden weiterhin konzentrierte Aktionen gegen Tauschbörsenpiraterie stattfinden, wie z.B. durch das seit 1. September 2008 in Kraft getretene Gesetz des zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs (§ 101 UrhG n.F.), mit der die Personen ermittelt werden können, die illegal in Tauschbörsen digitale Inhalte anbieten. Zudem werden Aufklärungskampagnen eine noch größere Rolle spielen als bisher. Auch ein Blick auf unsere Nachbarländer, wie Frankreich oder England, zeigen uns interessante Möglichkeiten, wie man gegen die Tauschbörsenpiraterie vorgehen könnte. Durch ein Gesetz dürfen Internetprovider Angaben von illegal tätigen Internetnutzern der Behörde von Kunstschaffenden machen, um den Verstoß mit Mahnungen und schließlich der Sperrung des Internetanschlusses durchzusetzen. Es ist wichtig diese Entwicklung zu beobachten, um bei einem Erfolg über alternative Konzepte auch in Deutschland gemeinsam mit der Politik nachzudenken und auch einzuführen.  

Während Claudio ebenfalls DRM ablehnt, hält Marktführer Audible am eigenen geschützten Format fest. Wie wichtig ist eine gemeinsame Linie in der Branche? 
Formatkriege haben im digitalen Geschäft immer schon geherrscht, wie z.B. der Kampf zwischen den Videoformaten VHS und BetaMaxx oder den HD-Formaten Blu-ray und HD-DVD. Am Ende werden und müssen die Anbieter dem Kundenwunsch nachgeben. Es ist nur eine Frage der Zeit. 

Würde der Onlinemarkt durch den Fall von DRM wachsen? Wie groß wäre das Potenzial?
Anstatt mit allen möglichen Mitteln und Ressourcen auf den technischen Schutz von digitalen Inhalten zu setzen, sollte die Konzentration viel mehr auf die Kunden zugeschnittene Geschäftsmodelle gelegt werden. Denn verärgerte Kunden kaufen nicht zweimal beim gleichen Anbieter und zufriedene Kunden werden zu Stammkunden. Laut BITKOM ist der Zuwachs an digitalen Downloads seit 2006 um ca. 30% jährlich gestiegen und das heutige Marktvolumen beträgt knapp 220 Mio ? – Tendenz steigend. Bei Weitem ist das vollständige Potential auf dem Onlinemarkt noch nicht ausgeschöpft und wir werden in den nächsten Jahren einen konstanten Anstieg der Downloads erleben.

Dr. Henning Stumpp

iTunes und jetzt auch musicload.de verabschieden sich vom Kopierschutz – eine erfreuliche oder bedenkliche Entwicklung?
Ein im Sinne der Kundenorientierung nachvollziehbarer Schritt, der mit Blick auf die Größe der beiden Player nicht nur Risiken, sondern auch Chancen eröffnet.

Während Claudio ebenfalls DRM ablehnt, hält Marktführer Audible am eigenen geschützten Format fest. Wie wichtig ist eine gemeinsame Linie in der Branche?
Eine gemeinsame Linie ist überhaupt nicht wichtig. Wichtig sind vielmehr erkennbare Unterschiede. Da nämlich viele Rechtegeber ihre Inhalte nicht ohne Kopierschutz hergeben, wird sich eine Differenzierung des Angebots herausbilden. So wird es Portale geben, bei denen vornehmlich die Menge an Transaktionen eine Rolle spielt und die aus Sicht der Rechtegeber und Verlage in erster Linie aus Marketinggründen interessant sind – zum Geldverdienen ist das nur in Ausnahmefällen interessant. Andererseits wird es Anbieter geben, für die (Audio)Inhalte einen Wert haben und die ein Geschäftsmodell betreiben, welches auch den Rechtegebern und Verlage eine Einkommensmöglichkeit erlaubt. Das heißt allerdings auch weg mit dem unsäglichen Abo-Modell.

Würde der Onlinemarkt durch den Fall von DRM wachsen? Wie groß wäre das Potenzial?
Gemessen an der Zahl der Transaktionen ziemlich sicher. Gemessen an den Umsätzen nicht unbedingt, da sich die Größe der Portale auch regelmäßig an der Menge der Downloads bemisst – ein Preiswettbewerb ist somit attraktiv. Deshalb ist es für die Hörbuchverlage viel wichtiger auf angemessene Preise Wert zu legen als auf die Technologie.

Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung in der Hörbuchbranche ein?
Der Downloadbereich wird grds. an Bedeutung gewinnen, ohne allerdings den Markt für die physischen Produkte zu substituieren – ein Anteilswachstum von derzeit unter 5% auf ein Niveau zwischen 10 und 20% scheint realistisch. Mit Blick auf den Kopierschutz entscheiden am Ende die Konsumenten, und da ein Kopierschutz in heutiger Form alles andere als benutzerfreundlich ist, wird sich der Trend fortsetzen.

Philip Roeder, Geschäftsleitung DHV – Der Hörverlag:

iTunes und jetzt auch musicload.de verabschieden sich vom Kopierschutz – eine erfreuliche oder bedenkliche Entwicklung?
Einen Kopierschutz, vor allem proprietären Verfahren, die das Abhören von Downloads an bestimmte Geräte binden, haben wir von Anfang an abgelehnt, weil sie für den Konsumenten nicht zumutbar sind. Insofern begrüßen wir den Schritt. Wir halten allerdings viel von einem kundenindividuellen Wasserzeichen, so wie es bei Claudio.de verwendet wird. Denn das illegale verbreiten von digitalen Inhalten muss verfolgbar bleiben.
 
Während Claudio ebenfalls DRM ablehnt, hält Marktführer Audible am  eigenen geschützten Format fest. Wie wichtig ist eine gemeinsame Linie  in der Branche?
Eine gemeinsame Linie wäre ebenso zu wünschen wie standardisierte Formate, auch bei den Playern.
 
Würde der Onlinemarkt durch den Fall von DRM wachsen? Wie groß wäre  das Potenzial?
Den Markt für Hörbuch-Downloads halten wir momentan für begrenzt, auch wenn er stetig wächst. Hier spielt der Kopierschutz lediglich eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist die downloadgerechte Aufbereitung der Hörbuchinhalte wie auch die Durchsetzung angemessener Marktpreise.

Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung in der Hörbuchbranche ein?
Wir gehen von einer weitergehenden positiven Entwicklung aus. In Relation zum gesamten Buchmarkt (und somit dem potentiellen Kundenkreis für Hörbücher) hat der Hörbuchmarkt einen noch immer verschwindenden Marktanteil, so dass das Potential zu weiterem Wachstum nach wie vor immens ist.

Petra Kettner, Rechte und Lizenzen bei Der Audio Verlag

iTunes und jetzt auch musicload.de verabschieden sich vom Kopierschutz – eine erfreuliche oder bedenkliche Entwicklung?
Es ist meiner Meinung nach eine bedenkliche Entwicklung, wenn sich die großen Portale vom Kopierschutz abwenden. Insbesondere die amerikanischen Rechtegeber akzeptieren bei den Verhandlungen der Hörbuchdownloads nur DRM-geschützte Portale. Somit werden wohl zukünftig große internationale Titel nur noch bei den kleineren Portalen mit DRM downloadbar sein.

Während Claudio ebenfalls DRM ablehnt, hält Marktführer Audible am  eigenen geschützten Format fest. Wie wichtig ist eine gemeinsame Linie  in der Branche?
Wie schon unter Punkt 1 erwähnt, akzeptieren die amerikanischen Rechtegeber nur DRM-geschützte Portale, d.h. große Titel können dann auch bei Claudio nicht mehr  angeboten werden. Es wäre wünschenswert, wenn die Downloadportale einen einheitlichen, möglichst umfangreichen Kopierschutz anbieten würden, so dass jeder Titel beim jedem Portal zum Download bereitgestellt werden kann.

Würde der Onlinemarkt durch den Fall von DRM wachsen? Wie groß wäre  das Potenzial?
Ich gehe davon aus, dass der Wegfall von DRM keine Mehreinnahmen für die Downloadportale bringen wird. Eine Steigerung des Potenzials ist vielmehr durch die gesellschaftliche Entwicklung und die Ausweitung der Zielgruppen gegeben.

Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung in der Hörbuchbranche ein?
Der Hörbuchmarkt wird m.A.n. in diesem Jahr stagnieren bzw. aufgrund der konjunkturellen Lage einen geringfügigen Rückgang der Verkäufe verzeichnen.

Harald Rieck, Diderot Media KG (soforthoeren.de)

iTunes und jetzt auch musicload.de verabschieden sich vom Kopierschutz – eine erfreuliche oder bedenkliche Entwicklung?
Eine sehr erfreuliche und absolut notwendige Entwicklung. Ich vermute, es sind sowieso 80% der Inhalte in Tauschbörsen vorhanden. Dazu erlaubt DRM das Brennen von CDs und dann fehlt dieser Schutz ja sowieso. Das Begrenzen auf nur 3 Brennvorgänge kann man umgehen, wenn man die CD in einen anderen Rechner steckt – was soll das denn? Die Hälfte der Tür ist mit löchrigem Rostgitter (DRM) geschützt und die andere Türhälfte steht offen (CDs). Diesen Blödsinn hab ich von vorherein abgelehnt. Es gibt aber immer noch große Verlage, die nicht begriffen haben, dass es um Einfachheit geht. Manchmal aber haben auch die Verlage keine Wahl. Das Diktat heißt mitunter DRM oder kein Downloadrecht.
Wir führen DRM momentan ein, weil wir die Verträge nicht ändern können. Deshalb müssen wir jetzt am Ende dieser Ära auch noch ins kalte Wasser steigen. Derzeit pflegen wir mehr als 700 Titel dafür ein. Ein hartes Brot für mich.
Dazu kommt: DRM ist kundenunfreundlich und verursacht deutlich höhere Hotlinekosten.

Ich hoffe nur, dass einige der großen Verlage, die das jetzt auch wieder beim eBook versuchen, irgendwann einsehen, dass einfache umfangreiche Angebote der beste Schutz sind. Das belletristische Buch hat eine Halbwertszeit von 6 Monaten (m.W.) und da sollten keine Hürden den Verkauf behindern.

Wie wird sich das Thema DRM in der Hörbuchbranche entwickeln?
Ich glaube, dass Watermarks – die uns leider auch viel Geld kosten – noch immer die bessere Variante sind. Würden Portale hier zusammenarbeiten, dann hätte man immerhin ein noch stärkeres Argument gegen die DRM-Fraktion. Vielleicht sollte man ganz auf den Schutz verzichten und einfach attraktive Angebote bereitstellen.

Während Claudio ebenfalls DRM ablehnt, hält Marktführer Audible am eigenen geschützten Format fest. Wie wichtig ist eine gemeinsame Linie in der Branche?
Kürzlich sah ich eine Werbung von Audible: Besser als Mp3. Das empfinde ich dann doch als Verhöhnung der Hörer. Das Audible-Format kommt aus dem Handybereich und ist zwar für Sprache optimiert; die Qualität allerdings ist nicht annähernd 128 kbit/s bei Mp3. Außerdem verbreitet man – mit Erfolg – die Mär von den Lesezeichen. Jeder ordentliche Mp3-Player hat eine Resumefunktion und auch unsere Audiobooks haben Tracks, die wir mitunter sogar einzeln im Verkauf haben. Ich glaube, dass Audible irgendwann auch still und heimlich das DRM verlässt. Ich vermute, dass Amazon bald Audible-Inhalte anbietet und dann ganz sicher nicht im Audible-Format. Mich erstaunt, dass man mit diesem Format so erfolgreich sein konnte. Vermutlich ist das preislich attraktive Abo-System verantwortlich.

Würde der Onlinemarkt durch den Fall von DRM wachsen? Wie groß wäre das Potenzial?
Man weiß ja, der Onlinemarkt wächst ständig, weil auch Breitbandinternet günstiger und mehr verfügbar ist. Alles unnötigen Hindernisse führen nur zu mehr illegalen Downloads. Das beziehe ich auf DRM und den Preis. Wir hatten eine Steigerung von mehr als 60%. Das ist nicht übel wenn man das mit dem Wachstum der Branche vergleicht.

Frank Sambeth, Random House Deutschland

Solange keine vernünftigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Eingrenzung von Internetpiraterie bestehen, halten wir DRM-Lösungen weiterhin für erforderlich. Wir beobachten aber die Entwicklungen in anderen Märkten, insb. den USA, sehr genau.

Foto: crunchgear.com

Kommentare

Kommentar hinterlassen zu "Anbieter müssen Kundenwunsch nachgeben"

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihre Daten elektronisch gespeichert werden. Diese Einverständniserklärung können Sie jederzeit gegenüber der Harenberg Kommunikation Verlags- und Medien-GmbH & Co. KG widerrufen. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutz-Richtlinien

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*