Mit über 15 Mio verkaufter iPads, dem erfolgreichen Launch des iPad 2 im März 2011 und der Einführungvon immer mehr Android-Tablets scheint der Siegeszug der mobile devices im Jahr 2011 ungebrochen. Doch welche Konzepte für Magazine, Zeitschriften & Co. bieten echten Mehrwert und versprechen dauerhaften Erfolg? Ein Interview mit Romanus Otte, General Manager Welt Online, der beim 3. Mobile Publishing-Gipfel „Content goes Tablet PC“ (31. Mai 2011 im Münchner Literaturhaus, veranstaltet von der Akademie des Deutschen Buchhandels) als Referent auftreten wird.
Die Bemerkung des Axel-Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner in einer amerikanischen Talkshow, jeder Verleger solle Gott danken, dass Steve Jobs das iPad erfunden hat, bleibt auch hierzulande unvergessen. Haben sich die Erwartungen an das iPad – knapp ein Jahr nach der Markteinführung in Deutschland – erfüllt?
Romanus Otte: Der Satz von Mathias Döpfner war mit einem Augenzwinkern gemeint – und enthält doch einen wahren Kern. Apple hat mit dem iPad nicht nur einen neuartigen Computer auf den Markt gebracht, der sich exzellent für den Medienkonsum eignet, sondern mit dem App-Store auch einen akzeptierten Marktplatz für hochwertige Inhalte. Was den Erfolg unserer eigenen Apps auf dem iPad angeht haben sich unsere Erwartungen mehr als erfüllt.
Springer ist mit „Welt“ und Bild“ Marktführer für Zeitungsapps in Deutschland. Kannibalisieren Sie mit dem wachsenden mobilen Angebot nicht Ihr Print-Geschäft?
Angst ist selten ein guter Ratgeber, Angst vor Kannibalisierung noch viel seltener. Im Mittelpunkt stehen die Leser. Wo immer sie hochwertige journalistische Inhalte lesen möchten, wollen wir mit unseren Inhalten attraktive Angebote machen.
Wer nutzt die Zeitungs-Apps? Sind die mobilen Angebote eine Möglichkeit, auch jüngere Zielgruppen zu erreichen?
Wir beschreiben unsere Zielgruppe als „moderne Zeitungsleser“. Sie lieben den professionellen, hochwertigen Journalismus der Zeitungen, sind aber mit den Möglichkeiten des iPad und des Internet selbstverständlich vertraut und nutzen diese souverän. Unsere Leser sind sehr anspruchsvoll. All dies ist keine Frage des Alters. Aber ja, im Durchschnitt sind die Leser der iPad-App der „Welt“ jünger als die Leser der Zeitung.
Was erwarten iPad-Nutzer von Zeitungs-Apps, was sind Ihre Erfahrungen und Lehren aus dem letzten Jahr?
Am wichtigsten ist unseren Lesern der journalistische Inhalt, also die sorgfältig recherchierte Nachricht, die tiefe Hintergrundinformationen, die kluge Analyse, der meinungsstarke Kommentar. Hinzu kommen natürlich gute Fotografien und relevante Videos. Wichtiger als Effekte sind einfache Bedienung, kurze Ladezeiten, Stabilität. Unsere Leser wollen eine Zeitung, die aber immer stets ist. Sie wollen Artikel archivieren und auch einfach in ihre Netzwerke teilen können.
Umfragen unter iPad-Nutzern haben ergeben, dass viele Leser die Abgeschlossenheit von Zeitungs-Apps schätzen – im Gegensatz zum ständig aktualisierten und nicht mehr überblickbaren Informationsangebot im Internet. Welche Erfahrung haben Sie gemacht?
Auch die App der „Welt“ hat einen Anfang, ein Ende und einen festen Lebenszyklus. Sie erscheint am frühen Abend, rechtzeitig zur Hauptlesezeit auf dem iPad – quasi als Zeitung von morgen. Aber selbstverständlich aktualisieren wir dann. Selbstverständlich ersetzen wir den Vorbericht auf das Abendspiel der Bundesliga später am Abend durch den Spielbericht. Selbstverständlich haben wir das Erdbeben und den Tsunami in Japan sofort in die App gebracht. Wir versprechen die Zeitung von morgen, nicht von gestern.
Wie bringen Sie Ihre Apps zum Kunden?
Die wichtigste Vertriebsmannschaft für Apps sind zufriedene Nutzer. Ihre Downloads, Käufe und Bewertungen im App-Store ziehen neue Käufer an. Die wichtigsten Vertriebsargumente sind daher in der Tat die Qualität des Produktes und ein angemessener Preis. Sehr gefreut haben wir uns über die Auszeichnung als „App des Jahres 2010“ durch die Redaktion von iTunes.
Stichwort Personalisierung und soziale Netzwerke: Wie wichtig ist die Einbindung von Facebook und Co.?
Die Leser der „Welt“ auf dem iPad nutzen soziale Netzwerke souverän. Die Möglichkeit, Artikel mit Freunden und Netzwerken teilen zu können, ist eine Selbstverständlichkeit.
Momentan steht das iPad im Zentrum der Aufmerksamkeit. Aber andere Technikanbieter rüsten nach. Welche Rolle werden in Zukunft andere, z.B. Android-betriebene Tablets spielen?
Apple hat zunächst Maßstäbe gesetzt. Wir hoffen, dass auch andere Hersteller attraktive Tablets mit funktionalen und akzeptierten Marktplätzen auf den Markt bringen. Wir sind hinsichtlich der Geräte, Betriebssysteme und Marktplätze neutral. Wo unsere Leser sind, werden wir attraktive Angebote machen.
Was würden Sie Verlagen raten, die gerade erst ins App-Geschäft einsteigen?
Ich sehe mich nicht in der Position, derart allgemeine Ratschläge zu gegen. Denn auch wenn es banal klingen mag, aber jeder Verlag steht vor einer anderen Herausforderung. Vielleicht ist daher der wichtigste Rat, keinem scheinbaren Trend zu folgen. Schauen Sie auf Ihr Produkt und Ihre Zielgruppen.
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