Das finanzielle Debakel bei der Buchhändler Abrechnungs Gesellschaft (BAG) – ausgelöst durch die Verstrickung der Tochter Factoring Gesellschaft Media (FGM) in die Zanolli-Pleite und 2007 bereinigt durch einen Millionenkredit vom Börsenverein – hat das erwartete juristische Nachspiel: Wie der Verband meldet, stellt ein Rechtsgutachten Schadenersatzansprüche gegen ehemalige Führungsorgane der BAG fest. Die Hauptversammlung auf den Buchhändlertagen in Berlin (20. Juni) soll nun entscheiden, ob auf ein juristisches Vorgehen gegen ehrenamtlich tätige Aufsichtsräte der BAG-Gruppe verzichtet werden soll.
Nagelprobe für das Ehrenamt
Der Börsenverein legt den Mitgliedern „als branchenpolitisch klügste Entscheidung“ nahe, von einem Vorgehen gegen die ehrenamtlich involvierten ehemaligen Aufsichtsräte der BAG-Gruppe abzusehen, die laut Verbandsmitteilung zum Gutachten gleich „mehrfach pflichtwidrig“ im Zusammenhang mit dem von der BAG-Tochter FGM betriebenen Factoringgeschäft gehandelt haben sollen. Die früheren BAG-Aufsichtsräte wurden von den neuen Entwicklungen „völlig überrascht“. Ulrich Ohm, Ralf Alkenbrecher, Martin Ludwig, Norbert Schaepe, Ole Schultheiß und Friedrich Roggenkamp, der dem Aufsichtsrat bis zu seinem Ausscheiden aus Altersgründen Ende 2006 angehörte, haben nach eigenen Angaben bislang noch keinen Blick in das brisante Papier werfen können.
Die Mitglieder des Gremiums fühlen sich deswegen vom Verband unfair behandelt. Ein weiteres Donnern in der Kette der atmosphärischen Störungen, die es im Verband im Gefolge der Debatten um die Zukunft der BAG gab. Ole Schultheis und Martin Ludwig hatten im März vergangenen Jahres ihre Vorstandsämter im Börsenverein hingeworfen und beklagt, dass „auch vor Diffamierung von Vorstandskollegen nicht zurückgeschreckt wird“ (buchreport berichtete).
In Berlin soll die Basis entscheiden
In Auftrag gegeben wurde das Rechtsgutachten von der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Beteiligungsgesellschaft (BBG), unter deren Dach die BAG heute angesiedelt ist. Die Mitglieder des BBG-Aufsichtsrats sehen sich rechtlich in der Pflicht zur Verfolgung aller Ersatzansprüche, stellen die letzte Entscheidung darüber aber den Gesellschaftern – dem Börsenverein und den Landesverbänden – anheim.
Bei den Buchhändlertagen in Berlin kommen unter dem Stichpunkt „juristisches Nachbeben des FGM-Debakels“ folgende Fakten auf den Tisch:
- Das vom Aufsichtsrat der BBG in Auftrag gegebene Gutachten attestiert „Schadenersatzansprüche in vielfacher Millionenhöhe“.
- Mögliche Ansprüche gegen mehrere ehemalige Geschäftsführer der betroffenen Gesellschaften der BAG-Gruppe sollten nach Ansicht des Börsenvereins-Vorstands in jedem Fall geltend gemacht werden.
- Der Vorstand des Börsenvereins wird an der Spree einen Antrag zum Verzicht auf Verfolgung von Schadenersatzansprüchen gegen die ehrenamtlich arbeitenden Branchenmitglieder vorlegen. Ebenso werden die einzelnen Landesverbände verfahren.
Vertrauen auf den externen Blick
„Umso wichtiger ist es jetzt, aus dem Debakel zu lernen. Der Schritt, die BAG unter das Dach der MVB und damit in professionelle Hände zu geben, war der erste in die richtige Richtung“, betont Börsenvereins-Vorsteher Gottfried Honnefelder. Die in Tochtergesellschaften ausgegliederten wirtschaftlichen Aktivitäten des Börsenvereins werden im Übrigen von einem Aufsichtsrat kontrolliert, der mehrheitlich aus branchenexternen Mitgliedern besteht.
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