In die digitale Bücherwelt ist im Jahr zwei des iPad Ernüchterung eingekehrt: In den USA haben Statistiker von BookStats im App-Bereich für 2010 einen Umsatz von 0,6 Mio Dollar registriert. Auch in Deutschland stehen die hohen Investitionskosten bei der Programmierung von umfangreichen Apps meist in keinem Verhältnis zur Erlösseite. Wie sollten Verlage reagieren? Apps sein lassen, um sich auf E-Books z.B. im iBookstore zu konzentrieren? Mit diesem Themenkreis hat sich eine von buchreport moderierte und in Kooperation mit der Akademie des Deutschen Buchhandels organisierte Podiumsdiskussion beschäftigt.
Thomas Lennartz, Ressortleiter Forschung und Entwicklung beim Verlag NWB Verlag Neue Wirtschafts-Briefe betonte, dass bei der Produktion von Apps die Kundenbedürfnisse oft nicht hinreichend beachtet würden: „Was bringt dem Nutzer eine eingebundene Animation, wenn sie ihm keinen Mehrwert bietet oder sogar vom Wesentlichen ablenkt?“ Und: „In vielen Fällen erfolgt die Anreicherung heute um ihrer selbst willen und nicht getrieben von einem tatsächlichen Bedürfnis auf Seiten des Lesers.“
Sabine Schubert von der Unternehmensberatung Kirchner & Robrecht bemängelte, dass viele Buchverlage ohne Strategie im digitalen Zeitalter unterwegs seien. Verlage aus dem Zeitungs- und Zeitschriftenbereich seien in diesem Punkt weiter.
Beate Muschler, Verlagsleiterin Electronic Publishing und Vertrieb bei Gräfe und Unzer, zog eine positive Bilanz der eigenen App-Entwicklung. Wichtig sei dabei, die Zielgruppe genau zu sondieren und maßgeschneiderte Angebote zu machen. Als Beispiel führte Muschler die erfolgreiche GU-App zur Homöopathie an, die optisch reduziert worden sei, aber entsprechend zielführend und erfolgreich sei.
Apps abhaken will dagegen Ralph Möllers, Chef beim Kinderbuchverlag Terzio, dessen Apps im unteren Preissegment rangieren, während die eigenen Titel im iBookstore ab 7 Euro liegen. Angereicherte Bücher im iBookstore liefen deutlich besser als Apps, bei denen die Programmierkosten in keinem Verhältnis zu den Erlösen stünden – monatlich überweise Apple dem Verlag aktuell gerade einmal 400 Euro. Kernproblem: Die Bücher-Apps stünden in einem scharfen Pricing-Wettbewerb zu Apps aus anderen Genres wie Spielen.
Hinzu kommt, dass die Bücher-Apps angesichts des großen Angebots schnell untergehen. Moderator Daniel Lenz verwies darauf, dass unter Top-100 der bezahlten iPhone-Apps aktuell kein Buch sei; erst auf Platz 134 folgten „Die Olchis“ von Oetinger.
Einig waren sich die Diskutanten darin, dass die Verlage mehr beim Handelsmarketing investieren müssen. Außerdem seien weitere Experimente auch beim Pricing vonnöten, um Strategien auszuloten.
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