Matthias Aichele (Random House) über mobile publishing
Auf der Suche nach mobilen Vermarktungsformen
E-Books werden hauptsächlich auf mobilen Endgeräten gelesen, immer stärker auf Smartphones und Tablets, wo die mediale Konkurrenz immens groß ist. Was bedeutet der Mobile-Trend für Buchverlage? Matthias Aichele (Foto: Marcus Schlaf für buchreport), Unternehmensentwickler bei der Verlagsgruppe Random House, im Interview über die strategische Einordnung, Produkte und Discoverability.
Matthias Aichele ist Vice President Business Development bei der Verlagsgruppe Random House. Am 20. Mai hält er auf der 6. Mobile Publishing-Konferenz „The Mobile Shift – Neue Produktstrategien und Erlösmodelle für mobilen Content“ eine Keynote zum Thema „Mobile Publishing bei Publikumsverlagen – Strategische Einordnung, Produkte und Discoverability“. Mehr Informationen zur Konferenz hier.
Eines der maßgeblichen Portale für mobile Inhalte, Wattpad, ist gerade mit 46 Mio Euro Kapital ausgestattet worden. Warum ist bislang kein Verlag a Wattpad beteiligt?
Grundsätzlich bieten sich Verlagen vielfältige Optionen, sich an neuen, insbesondere digitalen Initiativen zu beteiligen. Im Fall Wattpad stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis solche neuen und die „klassischen“ Verlagsaktivitäten zueinander stehen und welche wechselseitigen Potenziale sich daraus ergeben. Nach meinem Kenntnisstand gibt es schon erste Gespräche und Kooperationsinitiativen von US-Verlagen mit Wattpad.
Bei Wattpad lieg die Mobilnutzung bei über 85%. Was bedeutet der Mobile-Trend für Buchverlage?
Der Mobile-Trend bedeutet zunächst einmal Chancen und Herausforderungen gleichermaßen. Chancen deswegen, weil sich getrieben durch verändertes Lese(r)verhalten und neue Technologien neue Marktsegmente eröffnen, in denen Buchverlage mit ihren Autoren und Inhalten stattfinden und diese vermarkten können. Dies gilt nicht nur für neue digitale Produkte wie etwa Apps oder andere Digital Only-Formate, sondern auch und insbesondere für klassische E-Books. Wie die jüngsten Statistiken etwa der Bitkom zeigen, werden E-Books überwiegend auf mobilen Endgeräten gelesen. Damit sind E-Books substantieller Bestandteil von Mobile Publishing. Und gerade auf mobilen Endgeräten bieten sich neue Vermarktungsformen, die es auszuloten gilt. Eine wesentliche Herausforderung dabei ist die Entdeckbarkeit der Inhalte innerhalb der einzelnen (mobilen) Ökosysteme und Plattformen sowie im (mobilen) Netz allgemein. Denn potenzielle Leser informieren sich und kaufen zunehmend über andere Kanäle als früher. Die „Discoverability“ der Inhalte auf eben diesen Plattformen und Kanälen ist der entscheidende Erfolgsfaktor, um Titel auch hier künftig erfolgreich zu vermarkten und zu verkaufen.
Es gibt bei Random House zahlreiche Projekte im Bereich Discoverability. Was können Sie aus den Erfahrungen bei Bookish lernen, wo sich Random-House-Schwester Penguin kürzlich herausgezogen hat?
Es gibt viele Mittel und Wege, um sich dem Thema Discoverability zu nähern, Bookish ist einer davon. Random House war allerdings nie selbst an Bookish beteiligt, insofern kann ich hier leider keine Details berichten.
Welchen Stellenwert haben mobile Inhalte in der Strategie der Verlagsgruppe Random House?
Mobile Inhalte in Form von E-Books betrachten wir als unser Kerngeschäft. Im Jahr 2013 lag der Digitalanteil der Verlagsgruppe bereits im unteren zweistelligen Prozentbereich. E-Books sind damit mittlerweile ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, und entsprechend richten wir uns aus. Zudem ist es unser erklärtes Ziel, unseren Autoren und ihren Büchern die größtmögliche Reichweite in welchem Format auch immer zu bieten. Mobile Inhalte in anderen Formaten (Enhanced E-Book, Apps, Filme) betrachten wir – nach wie vor – auf Projektbasis. Wir wollen weiter lernen, wie wir Inhalte in neuen Formaten auf Basis neuer technischer Möglichkeiten präsentieren und entwickeln können, weil wir glauben, dass sich mittelfristig in diesem multimedialen Bereich zahlungsbereite Segmente entwickeln. Die aktuellen technischen Lösungen sind dabei wohl in vielen Fällen eher Übergangsformate. Besonderes Augenmerk richten wir nun auf digitales bzw. mobiles Marketing, um unseren Autoren und Titeln auch in diesen Wachstumssegmenten die nötige Präsenz zu verleihen.
Wie weit sind Sie dabei, nicht nur vorhandene Inhalte für mobile Geräte zu optimieren, sondern gezielt dafür optimierte Inhalte zu erstellen?
Unsere Verlage publizieren laufend neue E-Originals. Mittlerweile sind über 100 Titel lieferbar. Ein prominentes Beispiel ist etwa der Titel „Kleiner böser Junge“ von Stephen King (Heyne), den der Autor nach seiner Lesereise in Europa eigens für seine deutschen und französischen Fans verfasst hat. Zwar werden diese Titel im Standard E-Pub-Format umgesetzt, welches aber durch seine variable Darstellung auf verschieden großen Screens per se für die Nutzung auf mobilen Endgeräten ausgelegt ist. Eigens für die mobile Nutzung erstellte Inhalte kommen darüber hinaus bei enhanced E-Books, Print- Digital-Kombinationen sowie Apps zum Einsatz. Die bei CBJ erschienene App „Der kleine Drache Kokosnuss – Lernspaß“ etwa umfasst 10 eigens entwickelte Lernspiele für Kinder im Vorschulalter. Für den Titel „Hercules‘ Cocktailbar“ von Hercules Tsibis (Südwest) wurden eigens zu jedem Rezept Anleitungs-Videos produziert, die sowohl via QR-Codes im gedruckten Buch, als auch über das entsprechende enhanced E-Book zugänglich sind.
Wo experimentieren Sie auch mit neuen Geschäftsmodellen?
Im Rahmen unseres Engagements bei Skoobe, der mobilen E-Book Bibliothek, haben wir zusammen mit unseren Partnern ein neues digitales Geschäftsmodell entwickelt, das sich in seiner Grundlogik bei anderen Medienarten bewährt hat. Darüber hinaus unterstützen wir in unserer Rolle als Inhalteanbieter diverse digitale Initiativen und neue Geschäftsmodelle, etwa im Bereich soziales Lesen.
Wie lautet Ihre bisherige Skoobe-Bilanz?
Wir sind zufrieden mit der Entwicklung von Skoobe. Das Kundenfeedback und die Entwicklung der Mitgliederzahlen sind durchwegs positiv. Und das Skoobe-Team ist auch mit dem Feedback von Verlagen sehr zufrieden. Im letzten Jahr konnte Skoobe mehr als 15.000 E-Books für Kunden hinzufügen und kann somit inzwischen mehr als 30.000 E-Books anbieten. Und wir lernen viel über das digitale Lese(r)verhalten sowie über die „Mechanik“ von E-Book Bibliotheksmodellen.
Sind die Verlage und ist der Leser hierzulande schon weit genug für solche neuen Modelle?
Die Verlage digitalisieren größtenteils ihre Titel-Kataloge, gerade in der Belletristik. Ein attraktives Inhalte-Angebot ist daher grundsätzlich vorhanden. Bei den Lesern hat sich mittlerweile ein Segment an digital-affinen Lesern herausgebildet, das Interesse und Zahlungsbereitschaften für solche Modelle mitbringt. Dieses Segment wächst und wird sich wie in der Musik oder bei Filmen einen gewissen Marktanteil sichern. Insofern sind die Voraussetzungen für den Erfolg geschaffen.
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