Dass schwarze Schafe die technischen Möglichkeiten der Buchherstellung nutzen, mussten bereits Print-on-Demand-Anbieter, Bibliotheken und ihre Kunden erfahren. Mit den Möglichkeiten der digitalen Self-Publishing-Portale gewinnt das Thema eine neue Dimension. In die Kritik gerät jetzt das Self-Publishing-Programm von Amazon in den USA.
So berichtet das Internetmagazin fastcompany.com von „Autoren“, die via Amazon E-Books mit dreist plagiierten Inhalten anbieten: Sie bedienten sich etwa bei frei zugänglichen Texten auf Erotik-Websites. Teilweise würden gemeinfreie Werke kopiert und unter irreführenden Titeln feilgeboten. Der Marketingagentur Koozai zufolge werden auch Inhalte von Sachbüchern kopiert und anschließend – geringfügig geändert – als Kindle-Books veröffentlicht.
Einige Beispiele:
- Die britische „Autorin“ Maria Cruz, eine der Top-Seller im Bereich Erotik auf amazon.com, habe 40 erotische E-Books angeboten, darunter „Dracula’s Amazing Adventure“, das sich als Plagiat von Bram Stokers Dracula entpuppte.
- Robin Scott habe rund 30 Geschichten von der Erotik-Seite Literotica kopiert und unter eigenem Namen veröffentlicht; die Liste der Beschwerden über Scott in einem Forum von Amazon ist entsprechend lang.
- Gleich tausende digitale Plagiate über Amazon habe Manuel Ortiz Braschi publiziert.
- Auch im Apple iBookstore seien bereits einige Plagiate aufgetaucht.
Ein Sprecher von Amazon erklärte auf Nachfrage von Fastcompany, dass man Urheberrechtsverstöße sehr ernst nehme und jede Urheberrechtsverletzung direkt an copyright@amazon.com gemeldet werden könne.
Tatsächlich hat der Onliner die meisten Titel – wenngleich nicht alle (wie dieser oder jener) – inzwischen entfernt. Doch bis Amazon auf die Beschwerden von Kunden oder Urhebern reagieren kann, vergeht naturgemäß Zeit. Zudem veröffentlichen besonders fleißige Autoren anschließend weitere Plagiate: So berichtet Fastcompany von Manuel Ortiz Braschi, der sein Titelangebot wieder aufgestockt habe, nachdem seine E-Books gelöscht wurden.
Der Vorwurf, dass schwarze Schafe die neuen technischen Möglichkeiten der Buchherstellung nutzen, wird schon seit längerem erhoben. So steht etwa der Verlag Dr. Müller (VDM) immer wieder in der Kritik, per PoD-Verfahren hergestellte, hochpreisige Bücher mit vielversprechenden Titeln von zweifelhafter inhaltlicher Qualität anzubieten. Das Internet-Lexikon Wikipedia warnt selbst, dass etwa die VDM-Verlage Alphascript, Betascript, Fastbook Publishing und Doyen Verlag „darauf spezialisiert sind, Wikipedia-Artikel als Print-on-Demand-Bücher über den Online-Buchhandel zu vertreiben“.
Das Problem könnte bald auch Amazon in Deutschland beschäftigen. Auch auf der hiesigen Self-Publishing-Plattform legen einige angebotene E-Books zumindest den Verdacht nahe, dass ihre „Autoren“ mit zusammenkopierten Fremdinhalten einen schnellen Euro machen wollen. Eine Stellungnahme von amazon.de steht noch aus.
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