Niemand hat Campus als farblos bezeichnet. Aber so bunt und eigenwillig, wie der auf Wirtschafts- und Gesellschaftsthemen spezialisierte Fach- und Sachbuchverlag in letzter Zeit daherkommt, wirkt die Programmvergangenheit dann doch recht graublau-dezent. Beispiele:
- Das im Februar erschienene Buch über den Wiederaufstieg von Lego („Das Imperium der Steine“), im amerikanischen Original beim Random House-Imprint Crown als unauffälliges Wirtschaftsbuch aufgelegt, hat Campus von der Frankfurter Agentur Hauser Lacour als roten Legostein formen und auch die Grafiken im Innenteil mit Spielsteinen gestalten lassen.
- Das neue Managementbuch von Fredmund Malik („Wenn Grenzen keine sind“) unterscheidet mit Fotooptik auf Leinen und einem stilisierten Bergsteigerseil auf dem Buchrücken entschieden von den Malik-Vorläufern im silbergrauen Fachbuchlook.
- Das Denkanstoßbuch „Work is not a Job“, von Autorin Catharina Bruns als gelernter Gestalterin durchgehend zweifarbig angelegt, hat der Verlag in mehreren Schmuckfarben produzieren lassen.
- Die inspiriertere Presse: Wirtschafts?themen werden in anderen Medien „intelligent popularisiert und visualisiert“, die Wirtschaftsteile von „FAZ“ und „SZ“ versuchten Leser weit über das übliche Wirtschaftsklientel hinaus zu erreichen. Mancini weist auf die Magazine „Brandeins“ und „Business Punk“: „So unterhaltsam kann Wirtschaft sein.“
- Die veränderte Mediensozialisation der Fachzielgruppe: Junge Führungskräfte Mitte 30 seien aus den Hochschulen vor allem Skripte gewohnt und fänden so nicht recht den Sprung zu den allzu gediegenen Businessfachbüchern, die Campus über Jahre klassisch in silbergraue Umschläge gepackt hat: Der Auftritt sollte mithin leichter sein.
- Das breitere Interesse für Wirtschaftsthemen: Dass Wirtschaft in fast allen Bereichen der Gesellschaft eine zentrale Rolle spielt, dämmert zwar auch Menschen ohne betriebs- und volkswirtschaftlichen Hintergrund, die aber kaum auf die Idee kommen, zu einem klassischen Wirtschaftsbuch zu greifen, mag es auch noch so brillant geschrieben sein. Hier kann die Inszenierung türöffnend wirken.
- Der fachbuch-fremdelnde Buchhandel: Allgemeinsortimente haben ihre Fachbuchabteilungen in den vergangenen Jahren immer kleiner gefahren, weil Umsätze zurückgingen, aber auch „weil viele Buchhändler keine rechte Affinität zu den Themen entwickeln und sich deshalb auch vor Kundennachfragen fürchteten“, weiß Verkaufsleiter Mohr-Schaaff auch aus eigener Buchhändler-Erfahrung: Die populärere Verpackung soll so auch beim Handel die Schwellenangst reduzieren.
- Die einzufangenden Autoren: Die gestalterischen Signale gelten schließlich den Autoren, die gar nicht erst auf Selbstvermarktungsideen kommen sollen. Der Verlag akzentuiert seine Rolle, indem er sich als Marketingdienstleister positioniert, der Inhalte attraktiv verpackt und damit Mehrwert schafft.
Vertriebsmann Mohr-Schaaf, der lange an der schwindenden Akzeptanz und der ausgemachten Fachbuch-Ängstlichkeit des Handels litt, behauptet heute, dass das neue Konzept im Handel wirke und Türen öffne. Die Sortimenterkollegen entdeckten in der explizit gestalteten und auf Haptik getrimmten Aufmachung die Chance des stationären Handels und präsentierten die Titel anders als bei den klassischen Reihen offensiver, frontaler und auch nicht nur in der Wirtschaftsecke. Auch müsse der Campus-Außendienst weniger Diskussionen führen, ob die Bücher nicht zu teuer seien.
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