Verlage sollen in diesen Tagen an sie ergangene Ausschüttungen an die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) zurückzahlen. Diese Rückzahlungen belasten viele Verlage erheblich. Jetzt wurde die Möglichkeit geschaffen, mit der die Urheber, statt eine kräftige Nachzahlung zu kassieren, zugunsten der Verlage auf ihre Ansprüche verzichten können.
Ende Oktober hatte die VG Wort Buch- und Presseverlage aufgefordert, die in den Jahren 2012 bis 2015 erhaltenen Verwertungseinnahmen vollständig bis zum 30. November 2016 zurückzuzahlen. Dieses Geld soll dann bis Ende 2017 an die Urheber in einem Korrektur-Verteilungsplan ausgeschüttet werden. Es geht um ein Volumen von rund 100 Mio Euro, das in den vergangenen Jahren an Verlage ausgezahlt wurde, aber nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) den Urhebern zusteht. Hier und hier mehr zum BGH-Urteil.
Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung der VG Wort am 26. November haben die Mitglieder aller Berufsgruppen ein von Vorstand und Verwaltungsrat vorgeschlagenes Verfahren beschlossen, mit dem Autoren auf ihre aus dem BGH-Urteil erwachsenden Nachforderungsansprüche verzichten können. Ein erster Anlauf, einen solchen Verzichtweg zu installieren, war im September gescheitert.
Bei der jetzt verabschiedeten Option geht es um ein anonymisiertes Verfahren, mit dem Autoren Nachforderungsansprüche an ihren Verlag abtreten können. Die den Verlag entlastende Abtretung liegt dabei im Ermessen eines jeden Urhebers. Mit dem anonymisierten Verfahren soll verhindert werden, dass die Autoren von den Verlagen unter Druck gesetzt werden können, ihre Ansprüche abzutreten. Berücksichtigt werden Abtretungen, die bis zum 28. Februar 2017 bei der VG Wort eingehen. Zu den Feinheiten schreibt die VG Wort in einer Erklärung: „Sollte sich ergeben, dass anstelle einer Abtretung eine andere, gleichwertige Vorgehensweise (z.B. Verzichtserklärung) steuerrechtlich Vorzug verdient, behält sich die VG Wort vor, diese zu übernehmen.“ Willkommener Nebeneffekt des Verfahrens: Wenn die Verlage diese Option nutzen, ihren Autoren entsprechende Abtretungserklärungen zukommen lassen sowie eine Verjährungsverzichtserklärung gegenüber der VG Wort abgeben, werden die geforderten Nachzahlungen erst im Frühjahr fällig. Darauf verweist das „Börsenblatt“ bezugnehmend auf Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang. Verlage hatten im Vorfeld darauf hingewiesen, dass sie nach Abrechnung des Weihnachtsgeschäfts über mehr Liquidität verfügen, um die Rückzahlungen zu stemmen.
Werden jetzt hunderttausende Autoren angeschrieben?
Die VG Wort hatte in den betreffenden Jahren jeweils an 160.000 bis 180.000 Autoren auf Grund der gemeldeten Veröffentlichungen ausgeschüttet. Völlig ungewiss ist, ob und in welchem Maße diese Autoren bereit sind, auf den Nachschlag zu verzichten, der sich aus den zurückgezahlten Verlagsbeträgen ergeben würde.
Die Verlage hatten ihre Ausschüttungen wegen des laufenden Verfahrens unter Vorbehalt ausgezahlt bekommen. Die Rückforderungen der VG Wort betragen nach einer Schätzung des Börsenvereins „zwischen 20 und 200% des durchschnittlichen Jahresgewinns“ der Buchverlage. In einer Daumenpeilung bezeichnet der Verband 20 bis 25% der Verlage als „akut existenzgefährdet“; es soll sich dabei vornehmlich um Kleinverlage handeln.
Neben der Rückforderung und Neuverteilung für die Jahre 2012 bis 2015 muss auch der generelle Verteilungsplan der VG-Wort-Einnahmen geändert und an die neue Rechtslage angepasst werden. Die vom BGH beanstandete pauschale Beteiligung der Verlage sollte in dem vorgelegten Entwurf nur ausgesetzt werden, wohl auch wegen der politischen Signale, die Verlegerbeteilung an den Ausschüttungen absehbar gesetzlich wieder zu ermöglichen. Dieser Vorschlag, die Verlagsbeteiligung aktuell nur auszusetzen, fand in der Mitgliederversammlung keine Mehrheit.
Mal ehrlich, warum sollten sich die Autoren auf so was einlassen?
Wir haben Kapitalismus und auf allen Ebenen werden die Leute ausgequetscht.
Die Autoren sollen aber auf die ihnen zustehenden Gelder verzichten?
Bettelbriefe an die Autoren (von denen in einigen Häusern der ein oder andere auch schon satte Druckkostenzuschüsse bezahlt hat): Das hat schon etwas Entwürdigendes!