Beim Branchenparlament haben Vertreter der Sparten heftig über die neue Ausrichtung von Libreka und die Funktion der Wirtschaftstöchter diskutiert: Welche Zukunft hat die Verbandsplattform? Darf der Verband seinen Mitgliedern Konkurrenz machen? buchreport.de hat weitere Stimmen gesammelt, darunter der Verleger Steve Ludwig, der Auslieferer Matthias Heinrich, der Libreka-Wettbewerber Jens Klingelhöfer und der Versandbuchhändler René Kohl.
Die Fragen:
1. Die Neuausrichtung von Libreka (Abschied vom Endkundengeschäft, zu Gunsten der Dienstleisterfunktion der Auslieferung von E-Books an andere Portale) ist im Verband umstritten. Hat Libreka Ihrer Meinung nach damit eine Zukunft?
2. Darf der Verband mit seinen Wirtschaftstöchtern in Wettbewerb zu Verbandsmitgliedern treten? Wo sind die Grenzen?
Matthias Heinrich, Brockhaus Kommissionsgeschäft:
„Brauchen keinen Anbieter für die selbe Dienstleistung“
1.
Als Endkundenplatform hatte Libreka nie eine Zukunft gegen die großen Marken mit viel Ressourcen. Deshalb ist die Neuausrichtung prinzipiell positiv, wenn auch der reine Auslieferungsgedanke und seine Umsetzung auch in klassischen Verlagsauslieferungen schon länger gelebt und heute auch bereits umgesetzt wird.
2.
Grundsätzlich ist jedes Engagement des Verbands zu begrüßen, wenn es im Sinne aller Mitglieder dafür sorgt, monopolartige Strukturen zu vehindern, ich denke hier an die IBU, das VlB und die BAG. Schwierig wird es, wenn sich die MVB mit Libreka in einem Feld positioniert, in dem hinreichend Wettbewerb vorhanden ist. Es ist festzustellen, dass einige Verlagsauslieferungen bereits funktionierende E-Distributionslösungen anbieten. Wettbewerb belebt zwar das Geschäft, hier braucht es aber mit Libreka weniger einen neuen Anbieter für die selbe Dienstleistung, sondern vielmehr einen Aggregator zum Erreichen des Buchhandels, der sonst vom E-Bookgeschäfts ausgeschlossen werden könnte.
Matthias Ulmer, Verleger und Ideengeber bei Volltextsuche Online/Libreka:
„Ein Wettbewerbsverbot ist Unsinn“
1.
Die Neuausrichtung ist ja nicht wirklich sehr umstritten, sie wird bei den Verlegern zumindest von fast allen begrüßt. Die Zwischenbuchhändler sehen das verständlicherweise etwas anders. Die Korrektur erscheint mir sinnvoll, man reagiert auf die veränderte Situation im Bereich E-Books. Damit kommt man dem Bedürfnis der Verleger entgegen, die Verhandlungsposition gegenüber den internationalen Giganten zu stärken.
2.
Der Verband wird mit seinen Wirtschaftsaktivitäten den Mitgliedern immer Wettbewerb machen, das geht gar nicht anders in unserer Branche. Ein Wettbewerbsverbot zu fordern ist Unsinn. Die Grenze liegt genau da, wo die Mehrheit der Mitglieder sie setzt. Wenn eine Mehrheit wünscht, dass der Verband eine bestimmte Leistung anbietet, dann muss er das tun. So einfach ist das.
Jens Klingelhöfer, Chef des Libreka-Wettbewerbers Bookwire:
„Die bisherigen Misserfolge sprechen eine deutliche Sprache“
1.
Ich möchte an dieser Stelle nicht beurteilen, ob die neue Ausrichtung eine Zukunft hat. Ich denke die bisherigen Misserfolge von Libreka sprechen eine deutliche Sprache. Ich finde es faszinierend, wie lange und ausdauernd über ein für alle Beteiligten teures Experiment innerhalb der Branche diskutiert wird. Unter normalen wirtschaftlichen Gesichtspunkten hätten – soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann – bereits andere Entscheidungen getroffen werden müssen. Das „neue Angebot“ von Libreka existiert bereits am Markt durch Firmen wie Bookwire auf der einen und Dienstleister wie z. B. die HGV oder Arvato etc. auf der anderen Seite – die alle bereits viele Schritte weiter sind.
2.
Bookwire ist ein junges Unternehmen in der Buchbranche, ich persönlich komme aus einer verwandten Branche. Ganz offen gesprochen, bin ich sehr erstaunt, wie eine wirtschaftliche Tochter des Börsenvereins in diesem Fall agieren darf. Die Buchbranche macht eine Entwicklung durch, die viele innovative Unternehmer antreibt zu investieren, um neue passende Dienstleistungen anzubieten. Es gibt mehrere Anbieter am Markt und einen guten Wettbewerb – zum Vorteil der Verlage.
Ich sehe folglich überhaupt keinen Sinn darin, dass Dienstleistungen wie der digitale Vertrieb nun von einer von Mitgliedern durch die VLB-Gebühren finanzierten Tochter des Börsenvereins angeboten werden. Aus meiner Sicht wäre es ein konsequenter Schritt gewesen, die politischen Verdienste rund um Libreka anzuerkennen, aber das Scheitern als eine relevante Endkundenplattformen einzugestehen. Branchenlösungen sind in der Regel nicht die innovativsten, da zu viele Interessen gebündelt werden müssen. Wir haben bei E-Books einen bevorstehenden spannenden Wettbewerb der großen und kleineren Shops und Verkaufsplattformen und auch im Bereich des digitalen Vertriebs und der digitalen Auslieferung haben sich Bookwire und aus dem klassischen Geschäft bekannte Unternehmen aufgestellt.
Wir haben nach der Neuausrichtung ernsthaft darüber nachgedacht, wieder aus dem Börsenverein auszutreten, nachdem mir die Aussage eines Libreka-Mitarbeiters zu Ohren gekommen war, dass Libreka nun „die Konkurrenten und den digitalen Zwischenbuchhandel platt machen wolle“. Aber wir sind selbstbewusst und haben bereits viele namhafte zufriedene Verlagskunden und werden unseren innovativen Service weiter ausbauen.
Ich würde es begrüßen, wenn sich der Verband im Bereich E-Books auf die Beratung, Information und Hilfestellung und die für die Mitglieder wichtigen politischen Themen konzentrieren würde.
Dr. Steve Ludwig, Ludwig-Verlag:
„Libreka kann sich zum wichtigsten E-Book-Lieferanten entwickeln“
1.
Wenn es keine verbandspolitischen Querelen gibt, dann kann sich Libreka zum wichtigsten E-Book-Lieferanten entwickeln. Das Portal hatte viele Ecken und Kanten, u.a. bei der Kommunikation mit den Partnern im Verlag und Buchhandel. Doch dies hat sich verbessert.
2.
Ob sich Libreka im brancheninternen Wettbewerb behaupten kann, wird der Markt entscheiden. Ich halte die Konkurrenzposition jedoch für unbedenklich. Der Börsenverein muss sich jedoch grundsätzlich stärker damit auseinandersetzen, dass es in der Branche immer stärker wie im Wilden Westen zugeht. Immer weniger Akteure halten sich an die Buchhändlerische Verkehrsordnung – auf deren Einhaltung der Verband mit härteren Mitteln drängen sollte. Der Börsenverein hat das Problem, dass er als Gewerkschaft und Unternehmerverband agiert. Die gegenläufigen Interessen der Sparten bekommt er kaum noch unter einen Hut.
Eine Buchhändlerin, die anonym bleiben möchte (Name liegt der Redaktion vor):
„Der Börsenverein bricht auseinander“
1.
Wir setzen Libreka! nicht ein, sondern ich habe mich im Moment ganz bewusst für Libri entschieden, weil ich glaube, dass dort im Moment das beste Angebot liegt. Ich bedaure das in gewisser Hinsicht, da ich sehr für eine unabhängige Plattform wäre, meine Erfahrungen mit dem VLB jedoch und das, was ich von anderen Buchhändlern über Downloadzahlen höre, ermutigen mich nicht, mich Libreka anzuschließen. Ich habe mich deshalb mit dieser neuen Entwicklung nicht mehr beschäftigt, weil ich auch nicht mehr ganz begreife, was das für Konsequenzen hat: Will Libreka jetzt nur noch anderen E-Bookplattformen Daten aufbereiten und zur Verfügung stellen, jedoch nicht mehr als Plattform für Buchhandlungen zur Verfügung stehen?
2.
In den nächsten Jahren kommt ein Problem auf unseren Verband zu: Die Konkurrenz unter den einzelnen Sparten wird durch die Digitalisierung größer, da ja auch Verlage beginnen, in Konkurrenz zu ihren Kunden, den Buchhandlungen, zu treten, denn das Endkundengeschäft wird an Bedeutung zunehmen. Irgendwann wird der Börsenverein nicht mehr alles unter einen Hut bringen können – manchmal denke ich, eine Trennung wie in Amerika wäre vielleicht gar nicht so schlecht, dann gibt es den Verband der Buchhandlungen und den der Verlage, und beide können sich ohne Bedenken für ihre Anliegen einsetzen.
Stefan Könemann, Vorsitzender des Landesverbands NRW:
Den Ausstieg aus dem Endkundengeschäft begrüße ich. Im Konzert mit Apple, Amazon, Google und Co hätten wir nur gnadenlos Schiffbruch erlitten.
Rene Kohl, Chef der Versandbuchhandlung Kohlibri:
„Nicht das Kernbusiness des Verbands“
1.
Nach meiner Kenntnis ist diese Neuausrichtung die dritte (nach Volltextsuche online, libreka-ebook-Verkaufsplattform). Ich meine, alle Pläne haben das gleiche Problem: Sie reagieren kurzfristig auf an die Branche herangetragene Probleme, sind nicht das Kernbusiness des Verbandes und seiner Wirtschaftstöchter, die Kompetenz muss erst (teuer) erworben werden. Der Verband ist weder so was wie Google, tritt aber mit Google Book Search in Konkurrenz, noch Amazon oder Apple, tritt aber mit den Unternehmen als Download-Plattform in Konkurrenz, und jetzt tritt er in Konkurrenz zu E-Content-Distributoren. Ich meine, die MVB sollte vielmehr Dienste anbieten, die sich aus den jetzigen Geschäften heraus entwickeln – ich sähe immer noch bessere Chancen für eine verbesserte Bibliographie aus jetzigem VLB und Volltextsuche-Features.
2.
Ich habe kein generelles Problem damit: Wenn sich zeigt, dass die Branche eine Einrichtung gerne auf „neutralem Boden“ hätte – wie zum Beispiel das VLB oder die Buchmesse –, warum nicht? Problematisch fände ich den Wettbewerb z.B. dann, wenn durch Quersubventionierung innerhalb des Verbandes eine Verzerrung auf dem Markt einträte.
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