Der Verdrängungswettbewerb im Buchhandel hat seinen Höhepunkt überschritten: Noch sind die Großflächen der Buchhandelsketten halbwegs gefüllt mit Bestsellertürmen, Boulevardstapeln und Buch-Ersatz-Ware. Doch die Verkaufsareale der Branchenriesen schrumpfen und ihre Flaggschiffe sinken. Die Marktführer sind soeben dabei, das Feld zu räumen; sie suchen neue Zuflucht in Onlineshops. Antwort eines Buchhändlers auf Norbert Niemann.
Es wird meist übersehen: Die vergangenen Expansions-Jahre der Filialketten haben nicht nur „den kleinen inhabergeführten Buchladen“ in arge Bedrängnis gebracht. Auch die bei den großen Filialisten angestellten Buchhändler, der „lebendige Kern“ einer jeden Buchhandlung also: sie wurden (und werden) von ihren das Sortiment gestaltenden Plätzen verdrängt.
Ein „Buchhandel ohne Buchhändler“ meinte, weitestgehend ohne qualifiziertes Personal auskommen zu können – und ist mit seinem Konzept gescheitert. Die „Aldisierung“ vollzog sich auf Kosten der Buchkultur – und zugleich auf Kosten der angestellten Buchhändler. Diese müssen auf den verbleibenden Buchverkaufsflächen nicht nur um die Qualität ihrer Tätigkeit, sondern auch um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze insgesamt fürchten.
„Die Verhältnisse im Buchhandel können den Schriftstellern nicht gleichgültig sein.“ Das haben Günter Grass, Marcel Reich-Ranicki und viele weitere Autoren bereits 1968 anlässlich der Frankfurter Buchmesse gesagt – und die Buchhändler zum Gewerkschaftsbeitritt aufgefordert.
„Wir brauchen Buchhändler, die Buchhändler sind“, sagt Norbert Niemann 2012. Er spricht von „Raubbau“, „Monokultur“ und „Discounter-Mentalität“ bei den Buchhandelsketten – und warnt davor, buchhändlerische Arbeit auf das „Niveau einer Hilfskraft“ abzusenken.
„Enorme Verantwortung“ tragen die Eigentümer der großen nationalen Buchhandelsunternehmen – dazu gehört auch die katholische Kirche als Inhaberin des Weltbild-Konzerns, den die Bischöfe jetzt veräußern wollen. Kardinal Reinhard Marx entzieht sich seit Monaten einem dringlich geforderten Gespräch über eine tarifvertragliche Zukunftssicherung mit der Belegschaft des Weltbild-Tochterunternehmens Hugendubel.
Angesichts drastischer Rückbaumaßnahmen und Filialschließungen warten die Hugendubel-Beschäftigten und ihre Betriebsräte bisher vergeblich auf tatkräftige Unterstützung (statt unverbindlicher „Sonntagsreden“ zur katholischen Soziallehre) seitens des Münchner Kardinals. Sie erwarten Zusagen, die dem Zukunftstarifvertrag entsprechen, wie er bisher nur für die Beschäftigten des Augsburger Weltbild-Mutterkonzerns erreicht wurde. Ihren Unmut äußern die Angestellten auch im Internet mittels des Hugendubel-Verdi-Infoblogs.
Beim Konkurrenten Thalia stehen gleichfalls massive Einschnitte mit Standortschließungen und Entlassungen bevor; Aktionäre der Douglas AG befürworten den Verkauf der „sanierungsbedürftigen“ Konzerntochter Thalia. Andererseits kann der Internethändler Amazon (der am konsequentesten „Buchhandel ohne Buchhändler“ – aber mit Beschäftigten im Niedriglohnsektor – betreibt) weiterhin ungebremst im Online- und Ebook-Geschäft expandieren.
Die angestellten Buchhändler benötigen dringend Unterstützung. Sie brauchen eine Lobby, um nicht ganz auf der Strecke zu bleiben.
Wenn nun Autoren feststellen „Wir Schriftsteller brauchen euch Buchhändler“ und sich für den Erhalt dieses gefährdeten Berufsstandes engagieren, dann markiert das den Beginn einer Hoffnung machenden Zukunftsallianz.
Pro Buch. Pro Kultur. Pro Buchkultur.
Bernhard Rieger ist Germanist, Buchhändler bei Hugendubel in München, Gründer der Initiative „ProBuch“, Verfasser des offenen Briefs „Sonntagsreden, Werktagsgeschäfte“
Vielleicht ist ‚die Buchkultur‘, wie oben beschrieben/angedeutet, ja auch nur etwas, dass ausschließlich in den elitären Köpfen einer verschwindenden Minderheit existiert. Und was es nicht wirklich gibt, dass kann bekanntlich weder Schaden nehmen noch sterben.
Okay, der Kommentar ist ein Jahr alt – trotzdem:
Ja sicher existiert „real“ eine Buchkultur – und allerdings ist diese eher einer gewissen „Elite“ vorbehalten – wobei es hier nicht um wirtschaftliche Eliten geht, es gibt sogar HarzIVler mit Intellekt – weil Bücher ganz bestimmt noch nie den Pöbel angesprochen haben.
Und ob diese „Elite“ tatsächlich verschwindend ist, oder ob nur durch RTL & Co. ein solcher Eindruck vermittelt wird, sei dahingestellt.
Menschen, denen – wie offenbar Ihnen – der Begriff „Kultur“ sowie seine fundamentale Bedeutung in ziviliserten Gesellschaften bislang unklar geblieben sind, existieren bedauerlicherweise nicht nur in den Köpfen – und können folglich beachtlichen Schaden anrichten.