Heribert Tenschert sorgte mit einem spektakulären Verkauf für den Höhepunkt der 53. Stuttgarter Antiquariatsmesse vom 24. bis 26. Januar 2014 im Württembergischen Kunstverein. Tenschert, mit seinem Antiquariat Bibermühle seit Jahren Stammgast in Stuttgart, gab eine hochbedeutende mittelhochdeutsche Handschrift im Wert von 1 Million Euro in private Hände.
In ihrer 53. Ausgabe schließt die Stuttgarter Antiquariatsmesse nach drei ereignisreichen Tagen am Sonntagabend mit einem hervorragenden Gesamtergebnis. Gleich der erste Tag brachte Besucherrekorde. „Noch nie waren so viele internationale Händler in Stuttgart wie 2014“, beobachtet Manfred Nosbüsch. „Die gesamte britische Insel“ sei nach Stuttgart gereist, ergänzt Holger Carlsen. Antiquare, Autographen- und Graphikhändler aus Australien, Russland, den USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und dem übrigen europäischen Ausland drängten sich an den Ständen und sorgten dafür, dass das Losverfahren um die begehrtesten Stücke aus dem Messekatalog zu einer spannenden und turbulenten Tour de Force geriet. Besonders umkämpft war das Angebot des Antiquariats Klittich-Pfankuch, wo eine erlesene Auswahl französischer Frühdrucke im Mittelpunkt stand. Über 40 Interessenten losten um einen Sammelband mit sieben Molière-Ausgabe (12.000 €), eine Reihe von Benserade-Editionen (8.000 €) und Durands „Discours au vray du ballet“ (7.500 €). Das große Los zogen zwei französische Händler und ein Privatsammler aus der Region. Um die Briefe Friedrich Schillers (18.000 €) und Johannes Brahms’ (4.800 €) ging es per Los am Stand von J.A. Stargardt. Beim Antiquariat Robert Wölfle war das Losglück dagegen den öffentlichen Institutionen hold, die Meggendorfers „Verwandlungskünstler“ und Federzeichnungen des Künstlers (950 € und 850 €) künftig in die Vitrinen ihrer Museen legen dürfen. 16 Interessenten losten bei Wölfle um Antoines „Wintergarten“ (3.800 €). Gewinner hier: der Handel. Ebenfalls per Los wechselten beim Antiquariat F. Neidhardt das prachtvolle Brasilien-Werk des Johann Baptist von Spix (13.000 €) und Houttuyns „Abbildung in- und ausländischer Hölzer“ (5.200 €) den Besitzer. Beim Antiquariaat Plantijn aus den Niederlanden war es eine Sammlung von Biedermeier-Grußkarten, die die Bibliophilen faszinierte (5.000 €). Hier entschied das Losverfahren unter 12 Mitbewerbern. Und Uwe Turszynski sorgte für ein Wunder: Die von ihm angebotene umfangreiche Sammlung von Originaldokumenten zu den Wundertaten der „Resl von Konnersreuth“ ging an eine öffentliche Institution (25.000 €).
Außerordentlich zufrieden äußerten sich Ralf Eigl, der Libays „Reisebilder aus dem Orient“ (52.000 €) verkaufen konnte, während das Antiquariat Schumann das „erste digitale Buch“, das „Livre de Prières“, gleich zweimal hätte abgeben können (32.500 €). Die Stuttgarter Antiquariatsmesse sei eben, so Thomas Fothergill, „der beste Marktplatz, um zu zeigen, was man hat“. Positive Resonanz auch bei den Graphikhändlern und Spezialisten für die Moderne: Das Angebot der Galerie Valentien, 2014 mit Werken von Otto Dix, Rudolf Bauer und Alfred Hrdlicka dem Thema „Krieg und Kunst“ gewidmet, stieß auf reges Interesse. In den ersten Messeminuten konnte C.G. Boerner die beiden im Messekatalog angezeigten Graphiken Géricaults und Fantin-Latours an Privatsammler abgeben (5.800 € und 2.000 €). Das Interesse an der Graphik, vor allem auch an der Moderne, sei in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, kommentiert Günter Linke, der sich mit seinem erlesenen Avantgarde-Angebot in Stuttgart an Stammpublikum erobert hat. Er fand unter anderem für die seltene Avantgardezeitschrift „Integral“ (28.000 €) und für die expressionistische „Kündung“ (12.000 €) neue Besitzer. Sehr zufrieden äußerte sich Michael Schwarze vom Antiquariat Schmidt & Günther über die zahlreichen Verkäufe, unter anderem der Vorzugsausgabe von Nietzsches Werken (6.800 €), während im Angebot von Rainer Schlicht und des Antiquariats Tresor am Römer die Musiker-Autographen brillierten. Gelost wurde hier um ein signiertes Wagner-Porträt (4.800 €), eine Wagner-Einladung (2.800 €) und einen Mahler-Brief (3.800 €).
„Ein rundum gelungener Abend“ war die Vernissage am Messesamstag, auf der Professor Dr. Ulrich Ott vor 200 Zuschauern die Eduard Mörike Sammlung Berge mit einem Vortrag würdigte. Die schönsten Stücke der bedeutenden Sammlung sind während der Messe in einer von Friedrich Pfäfflin kuratierten Ausstellung zu sehen und in einem meisterlich gestalteten Katalog dokumentiert. Zahlreiche jüngere Sammler schlossen sich an allen drei Messetagen den Führungen über die Messe an, auf der die schönsten Stücke gezeigt und die Aussteller Einblicke in die Hintergründe des Antiquariatsbuchhandels gaben. Lange Besucherschlangen gab es am Info-Stand des Verbands Deutscher Antiquare, wo Christian Hesse „rund um die Uhr“ die bibliophilen Schätze begutachtete, die die Messebesucher mit in den Württembergischen Kunstverein brachten, darunter manch eine Preziose wie ein seltener Frühdruck von Mörikes „Stuttgarter Hutzelmännlein“ oder eine Piranesi-Tuschzeichnung, deren Echtheit jetzt in der Stuttgarter Staatsgalerie geprüft werden wird.
„Rekordverächtig“ lautet das Gesamtfazit des Verbands Deutscher Antiquare. „Die Stuttgarter Antiquariatsmesse hat einmal mehr bewiesen, dass sie DER Handelsplatz für Buch und Kunst in Deutschland ist.“ Deshalb blickt der Verband mit Optimismus auf das Jahr 2015, in dem die 54. Stuttgarter Antiquariatsmesse vom 23. bis 25. Januar stattfinden wird. In diesem Sinne: Bis bald!
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