Für den Börsenverein beginnen am heutigen Donnerstag in Berlin zwei entscheidende Tage. Mit der qua Verbandsreform erheblich aufgewerteten Hauptversammlung kommt auf den Buchtagen 2010 das wichtigste Gremium des Verbandes zusammen. Spannende Frage: Wird der Verkauf der Buchhändler-Abrechnungs-Gesellschaft (BAG) an die DZB Bank – wie vom Vorstand erhofft – abgesegnet? Außerdem stellt sich die Führungsspitze zur (Wieder)wahl. Und der begleitende Fachkongress soll nutzbringend Zukunftsperspektiven für die gesamte Branche aufzeigen.
Kein Terrain für Propheten
Für die Voraussage, die BAG werde 2010 auf Empfehlung des Vorstands an ein branchenfremdes Unternehmen verkauft, wäre ein Prophet auf den Buchtagen der vergangenen Jahre wohl aus dem Saal gegeißelt worden. Die BAG wird „eine kleine Cash-Maschine sein, die eine Umsatzrendite nördlich von 15% erwirtschaftet“, wurde den Mitgliedern Anfang 2008 vom scheidenden Sanierungsgeschäftsführer Manfred Antoni via Verbandsorgan „Börsenblatt“ zugesichert.
Um den Erhalt des Systems für den buchhändlerischen Zahlungsverkehr – bis zum Beinahe-Crash durch die Verstrickung im Factoring-Geschäft mit der spektakulären Zanolli-Pleite als eigenständiger Verein geführt – wurde zuvor mit erheblichem Kräfteverbrauch und hohen Kollateralschäden gerungen. Heute ist der Börsenverein gezwungen, für die von ihm mit einem zweistelligen Millionenbetrag gerettete und unter das Dach der Wirtschaftstocher MVB geholte BAG den Notanker zu werfen.
Die Hauptversammlung ist per Vorstandsempfehlung aufgefordert, der Übergabe der BAG an die DZB Bank zuzustimmen. Der starke Partner wird gebraucht, um das schrumpfende Abrechnungsgeschäft zu erhalten und mit zusätzlichen Angeboten aufzufrischen. Vor der Abstimmung über die Transaktion kommen in Berlin aktuelle Eckdaten zum BAG-Geschäft auf den Tisch. Einige Kennziffern:
- Das Abrechnungsvolumen im Clearing ist 2009 gegenüber dem Vorjahr um 34 Mio auf 570 Mio Euro (–5,6%) gesunken. Die Anzahl der Abrechnungsposten lag bei rund 3,1 Mio, was einem Rückgang um 9,5% entspricht.
- Die Umsatzerlöse sind gegenüber dem Vorjahr um 82000 Euro auf 2,2 Mio Euro gestiegen. „Für das Geschäftsjahr 2009 ergibt sich ein Jahresüberschuss von 0 Euro gegenüber 135000 Euro im Vorjahr“, heißt es im Bericht der Wirtschaftsbetriebe des Börsenvereins.
Buchtage lassen Buchhändler weitgehend kalt
Obwohl das Thema BAG vor allem Buchhändlern am Herzen liegen müsste, werden über den möglichen Verkauf in Berlin mehrheitlich Abgesandte von Verlagen und aus dem Zwischenbuchhandel entscheiden. Im Börsenverein sind 3822 Buchhandlungen als Mitgliedsunternehmen registriert, lediglich
83 Sortimenter – das nur sind 2,2% der Buchhandelsmitglieder – haben sich für die Buchtage angemeldet. Die Verlage (1729 Mitgliedsfirmen) zeigen mit immerhin 308 Anmeldungen Flagge. Der Zwischenbuchhandel (79 Mitgliedsunternehmen) ist mit 54 Anmeldungen in Berlin stark präsent.
Blicke in die Bilanzen
Im Blickpunkt steht auch die Bekanntgabe der Vitalitätswerte in Form des
Finanzberichts: Von manchen Zahlen, die Schatzmeister Jürgen Horbach im Berliner Congress Center am Alexanderplatz vorstellen wird, können viele stationäre Sortimenter derzeit nur träumen. Auszüge aus dem Jahresabschluss 2009, der am Freitag in der Hauptversammlung ebenfalls auf der Tagesordung steht:
- Das Vereinsjahr 2009 schließt der Börsenverein mit einem Jahresüberschuss von rund 1,6 Mio Euro vor Rücklagen ab. Das Ergebnis wurde entscheidend durch Einmalaktionen wie den erzielten Überschuss aus dem Verkauf der Liegenschaft Töngesgasse/Reineckstraße in Höhe von 2,3 Mio Euro beeinflusst. „Ohne diese Sondereffekte wäre das Jahresergebnis ebenfalls positiv gewesen“, wird im Bilanzbericht betont.
- Die gesamten Erträge des Börsenvereins sind mit rund 8,7 Mio Euro um 479.000 Euro geringer als im Vorjahr, aber um 200.000 Euro höher als budgetiert. Mit einem Anteil von 60% (5,2 Mio Euro) am Gesamtertrag sind die Mitgliedsbeiträge ein wesentlicher Faktor. Laut Horbach liegen sie um 254.000 Euro über Plan. Bei schrumpfenden Mitgliederzahlen wird als Begründung die Beitragsreform und die Testatspflicht für Mitgliedsunternehmen ab einem Jahresumsatz von über 500.000 Euro genannt. Bei der Einstufung für die Beitragsfixierung haben Unternehmen früher offenbar häufig geschummelt.
- Die Lizenzvertäge für das Verzeichnis lieferbarer Bücher (VlB) und das „Börsenblatt“ sind mit 13% (1,1 Mio Euro) am Gesamtertrag beteiligt. „Wegen des verminderten Anzeigenaufkommens sind die Einnahmen aus Lizenzgebühren gegenüber dem Vorjahr um 115000 Euro gesunken und bleiben auch um 151000 Euro unter Plan“, wird konstatiert.
aus buchreport.express 23/2010
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