Der Versender-Verband BEVH hat mit Zahlen überrascht, nach denen der E-Commerce kriselt und dabei insbesondere der Buchversandhandel seit mehreren Quartalen Umsatz im zweistelligen Prozentbereich verliert. Der Branchenexperte Gerrit Heinemann meldet massive Zweifel an der Erhebung an.
Die deutsche Presse- und Medienlandschaft übernimmt leider relativ unreflektiert Zahlen, so dass die Verbände nach Gutdünken Ihre PR-Maschinerie ausfahren können. Dabei sitzen in den Verbänden ja nicht gerade die Marktforschungs-Cracks. Die finden es vielleicht auch gar nicht so schlecht, wenn solche Zahlen veröffentlicht werden. Als im vergangenen Jahr die überhöhten Zahlen ausgewiesen wurden, musste sich der Versandhandel für sein einstelliges Wachstum rechtfertigen, weil die Branche vermeintlich um über 40% wuchs. Vielen kommen die jetzt vom BEVH veröffentlichten, deutlich pessimistischeren Zahlen in diesem Jahr da sehr gelegen. Anzuklagen ist vor allem, dass an den offensichtlich völlig falschen und überhöhten Zahlen des letzten Jahres mit großer Sturheit festgehalten wird, obwohl die tatsächlichen Online-Umsätze aus den Unternehmensbilanzen jetzt abzulesen sind und demnach letztes Jahr rund 21% Umsatzwachstum tatsächlich realisiert wurden. Ich habe mir auch den Fragebogen des BEVH angesehen und etliche Aspekte zu bedenken gegeben, die allerdings nicht auf offene Ohren stießen.
Der BEVH sieht die Buchversender in der Krise, die Umsätze sinken demnach seit mehreren Quartalen zweistellig. Ist die Sorge berechtigt?
Ich stimme mit der Einschätzung von eMarketer überein, wonach in Deutschland ab 2018 mit nur noch einstelligen Zuwachsraten zu rechnen ist. Dieses aber auch nur, weil sich dann viele Online-Umsätze als Multi-Channel-Umsätze in die Filiale verlagern, die bei Non-Food schon in diesem Jahr bei rund 18% Umsatzanteil liegen dürften. Davon werden rund ein Drittel durch Beteiligung stationärer Formate Online ausgeführt, zwei Drittel und damit 12% des gesamten Non-Food-Umsatzes entstehen allerdings online und werden dann durch z.B. Click & Collect oder Selbstabholung zustande stationär ausgeführt, wo sie dann in die stationären Umsätze fließen. Eigentlich ist das Online-Umsatz, denn wenn es das Geschäft des Multi-Channel-Händlers nicht gäbe und er die Selbstabholung nicht incentivieren würde, ließe sich der Kunde die Ware zuhause zustellen. Wir können von 2013 bis 2020 nach konservativen Schätzungen immer noch insgesamt von einer Umsatzverdopplung im Online-Handel ausgehen.
Das letzte Argument „Eigentlich ist das Online-Umsatz, denn wenn es das Geschäft des Multi-Channel-Händlers nicht gäbe und er die Selbstabholung nicht incentivieren würde, ließe sich der Kunde die Ware zuhause zustellen“ ist leider ‚old school‘ und gerade Herr Heinemann weiß das besser: Denn nur wer aufhört in On- vs. Offline (-Umsätze) zu denken, kann langfristig profitablen und erfolgreichen (No-Line-) Commerce betreiben … nieder mit den Silos!
Herr Heinemann hat sich selbst vergallopiert. Auf der einen Seite sagt er: „Die Zeit der Bequemlichkeit ist vorbei“ auf der anderen „zweistelliges Wachstum ist nicht drin“. Selbst eine Flagge auf einer stürmischen Anhöhe ist nicht so windig wie die Meinung von Herrn Heinemann.