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Bitterer Moment des Aufwachens

In den Programmen der großen Literaturverlage tummeln sich die Romandebüts. buchreport.de stellt die Autoren und ihre Werke vor. Im dritten Teil der Reihe kommt Traudl Bünger (Foto) zu Wort. Vor Jahren machte sie ein Volontariat bei Kiepenheuer & Witsch. Jetzt ist ihr Erstling „Lieblingskinder“ bei KiWi erschienen.

© Bettina Fürst-Fastré

Mein Roman in drei Sätzen.
„Lieblingskinder“ ist eine moderne weibliche Ödipus-Variante voller durchgeknallter Frauenrechtlerinnen, wahrer Verschwörungstheorien und in Ungnade gefallener Glühbirnen. „Lieblingskinder“ erzählt von Behinderungen – von sichtbaren und unsichtbaren – und davon, wie sichtbare unsichtbar und unsichtbare sichtbar werden. „Lieblingskinder“ handelt von dem ewigen Menschheitstraum von der Rettung der Welt – und dem bitteren Moment des Aufwachens.

Meine literarischen Vorbilder.
Alice Munro, W.G. Sebald, Patricia Highsmith, Karl Valentin, Janet Frame, Franz Kafka, Hans Blumenberg, Edgar Allan Poe und Fred Vargas.

Was mein Lektor getan hat.
Olaf Petersenn hat mich mit Geduld, Gelassenheit und stetem Glauben an das gute Ende durch den Schreibprozess begleitet. Legendär ist sein absolut unbestechliches Urteil in Fragen des Tempus, der Monitorgröße und der Espressozubereitung.

Gedruckt oder digital?
Wo ist das Problem, einen Schmöker, den man sich ohnehin nicht ins Regal stellen will, digital zu lesen? Wenn ich mir vorstelle, wie leicht der Rucksack auf meinen Asienreisen hätte sein können … Wie viele Bäume täglich eines unnötigen Todes sterben … Wie viele Kalorien DHL-Boten beim Austragen von Buchpaketen verbrennen … Solange es aber Bücher gibt, die uns durch Lebensphasen und Wohnungswechsel begleiten, ist kein Rucksack zu schwer, kein Baum umsonst gestorben und kein Tropfen Schweiß umsonst geflossen. Solange mache ich mir auch keine Sorgen um das gedruckte Buch. Es muss und wird sich auf seine Vorteile gegenüber seinen digitalen Kollegen besinnen – und sei es nur in Form eines schicken Lesebändchens. Fanatische Hersteller und Papierfetischisten vereinigt euch!

Meine Lieblingsbuchhandlung.
Buchhandlung Bittner in Köln. Weil nur hier ein Verkaufsgespräch mit Sätzen wie „Ich habe beobachtet, wie Sie Bücher berühren“ beginnen kann.

Der Literaturbetrieb.
Nach sieben Jahren im Literaturbetrieb bin ich immer noch unsicher: Ein Goldfischglas mit ein paar versprengten Haifischen oder ein Haifischbecken mit ein paar erstaunlich zähen Goldfischen? Dass der Alkohol in Strömen fließt, ist mir jedenfalls seit meiner ersten Rowohlt-Party auf der Frankfurter Buchmesse 2005 klar. Insofern ist die Frage im Prinzip irrelevant: Mit dem richtigen Getränk lässt es sich sowohl im Goldfischglas als auch im Haifischbecken gut aushalten.

Mein Plan B.
Sie meinen, wenn mein Debüt mir keine Goldberge, keine Aktienpakete, kein Loireschlösschen, keinen Anruf von Steven Spielberg, keine Musicalverarbeitung, keine roten Teppiche, keine persönliche Stilberaterin, keine Paparazzi-Verfolgungsjagden und keine aufdringlichen Anlageberater bescheren sollte? Keine Ahnung, über diesen unwahrscheinlichen Fall habe ich noch nie nachgedacht.

Zur Person:
Geboren 1975 in Siegburg, studierte in Köln Literaturwissenschaften und Mathematik und promovierte über „Narrative Computerspiele“. Sie ist Programmredakteurin des internationalen Literaturfestivals lit.Cologne, Kritikerin im „Literaturclub“ des Schweizer Fernsehens und schrieb gemeinsam mit Roger Willemsen den Bestseller „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. Die Weltgeschichte der Lüge“. Für die Arbeit an „Lieblingskinder“ erhielt sie ein Aufenthaltsstipendium der Villa Sträuli, Winterthur. Traudl Bünger lebt in Köln.

Traudl Bünger: Lieblingskinder
256 S., KiWi, 17,99 E,
ISBN 978-3-462-04385-3

Bislang sind in der Serie folgende Teile erschienen:  

Die komplette Serie lesen Sie im buchreport.magazin 3/2012 (hier zu bestellen)

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