Die Medienbranche ist im Umbruch. Welche Faktoren bestimmen den Wandlungsprozess? Welche Rollen spielen technologischer Fortschritt und Digitalisierung wirklich? Im Vorfeld des St. Gallen Publishing Management Course gibt die Medien-Professorin Bozena I. Mierzejewska Verlegern in diesem Spannungsfeld Management-Tipps.Bozena Mierzejewska gehört zu den Referenten des St. Gallen Publishing Management Course im September und Oktober 2013. Der Kurs wurde vom MCM Institut der Universität St. Gallen in Zusammenarbeit mit der Frankfurt Academy entwickelt und vermittelt Expertenwissen, um Verlage und Medienunternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen. Hier weitere Infos
Bozena I. Mierzejewska ist Assistant Professor of Communication and Media Management an den Fordham Schools of Business und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Medienmanagement und der Digitalisierung sowie deren Auswirkungen auf Organisationen und Beschäftigte im Medienbereich.
1. Etablieren Sie eine Kultur des Wandels und der Innovation innerhalb ihrer Organisation – besonders in Zeiten, in denen das Überleben eines Unternehmens von äußeren Faktoren beeinflusst wird (wie es bei traditionellen Buchverlagen der Fall sein kann). Schaffen Sie die passende Atmosphäre, um neue Lösungen auszuprobieren und das Potenzial jedes Einzelnen bestmöglich zu nutzen. Die richtige Unternehmenskultur wird darüber hinaus die besten Bewerber zur Unterstützung Ihres Teams anziehen. Der Prozess, die richtige Kultur zu etablieren, wird selbstverständlich Zeit in Anspruch nehmen, aber die Ergebnisse sollten das wieder wettmachen.
Die Kultur des Wandels und der Innovation besteht aus vielen Komponenten. Diese drei sind meiner Ansicht die interessantesten:
A) Schaffen Sie einen Ort, an dem man sich ermutigt fühlt und an dem es geschätzt wird, neue Ideen auf den Tisch zu bringen. Dabei geht es nicht nur darum, Mitarbeiter zu belohnen, die perfekte, großartige neue Lösungen entwickeln – das passiert nicht jeden Tag und ist üblicherweise das Ergebnis eines langen Prozesses der Wiederholungen, Versuche und Misserfolge. In erster Linie geht es darum, Initiativen zu belohnen, die als Keimzelle für den Wandel dienen können, oder selbst kleine Verbesserungen, die der Innovation Eingang in die Unternehmenskultur gewähren.
B) Sorgen Sie für vertrauensvolle Beziehungen – gegenseitiges Vertrauen, das Wissen, dass Ihre Kollegen ihr Bestes geben, aber auch, dass ein gewisser Schutz besteht, falls eine Idee oder etwas Neues, das ausprobiert wird, nicht funktioniert und unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht; das Vertrauen, dass Sie immer noch auf festem Boden stehen, selbst wenn die neue Idee oder Innovation scheitern sollte: Das alles stellt einen entscheidenden Rückhalt in turbulenten Zeiten dar.
C) Erlauben Sie sich selbst und Ihren Kollegen, den Status quo infrage zu stellen – niemand sollte Angst davor haben, in Meetings und Diskussionen eine abweichende Meinung zu äußern oder eine „gesunde kreative Spannung“ aufrechtzuerhalten. Ein gewisser Grad an Dissens kann inspirierend wirken und Kreativität sowie ein dauerhaftes Bedürfnis nach Wandel hervorrufen. Die hier angesprochenen Meinungsverschiedenheiten beziehen sich auf Ideen für Verbesserungen, Produktspezifikationen etc., nicht etwa auf persönliche Differenzen zwischen den beteiligten Personen.
2. Setzen Sie das Potenzial Ihrer Mitarbeiter frei, indem Sie ihnen die Möglichkeit geben, kontinuierlich zu lernen und ihre Fähigkeiten aufzufrischen, etwa in den Bereichen Problemlösung, Teamkreativität oder bereichsspezifisches Wissen. Ermuntern Sie Ihre Beschäftigten in Schlüsselpositionen, regelmäßig Zeit in Reflexion und konzeptuelles Denken zu investieren. Manager verbringen den Großteil ihrer Arbeitszeit in unterschiedlichen Meetings, sodass es ihnen häufig an ruhigen Momenten zum Nachdenken mangelt, in denen sie sich mit der großen Frage nach der langfristigen Perspektive beschäftigen können.
Es ist eine gängige Redewendung, dass wir „über den Tellerrand blicken“ müssen, aber das ist leichter gesagt als getan. Um diese Fähigkeit hervorzurufen, benötigt jeder von uns Zeit, um seine Gedanken zu ordnen und der täglichen Routine zu entkommen, um Raum zum Denken und Reflektieren zu schaffen. Oftmals verfangen sich die Menschen im Alltagsgeschäft und nutzen diese Zeit, um auf alltägliche Herausforderungen zu reagieren. Es ist wichtig, sich Zeit zum Denken zu nehmen, und nicht alle verfügbare Zeit nur darauf zu verwenden, zu reagieren. Während dieser Zeit der Reflexion denken Sie nicht nur strategisch, konzeptuell und langfristig, Sie denken auch darüber nach, was aktuell wichtig ist und wie Sie das richtige Gleichgewicht finden. Diese Reflexionszeiten sind die Phasen, in denen wir lernen und neue Ideen aufsaugen, inspiriert werden und in der Lage sind, den „Tellerrand“ hinter uns zu lassen. Idealerweise sollten Reflexionszeiten fester Bestandteil des Wochenplans sein. Eine andere Möglichkeit ist die Einführung „intellektueller Urlaubstage“.
3. Behalten Sie im Auge, was in Ihrer Branche geschieht – indem Sie nicht nur beobachten, was Ihre Konkurrenten machen, sondern auch, welche Strategien sie nutzen, um der Unsicherheit zu begegnen. Die dramatischste Veränderung in der Verlagsbranche ist der Wandel in den Präferenzen und im Verhalten der Konsumenten. Oftmals sehen sich Verlage aufgrund der Unterschiede zwischen jüngeren, technologiebegeisterten Lesern und älteren, eher traditionellen Buchkonsumenten gezwungen, sich nur auf eine dieser beiden Gruppen zu konzentrieren, und vernachlässigen die andere. Der Schlüssel zur richtigen Balance und einem zukunftsfähigen Modell liegt in der geeigneten Marktforschung – was bedeutet, die neuesten Methoden zur Analyse der Konsumentenbedürfnisse anzuwenden und so in der Lage zu sein, kommende Trends frühzeitig zu erkennen. Dieses Verständnis der Marktsignale wird Ihnen ermöglichen, Ihre Beziehungen zu bestehenden Kunden zu vertiefen und sich gleichzeitig neue Perspektiven zu eröffnen.
Die traditionellen Werkzeuge der Marktforschung sind, obgleich immer noch gültig und von hoher Relevanz, nicht mehr die einzige Quelle für Marktinformationen. In einer Branche, in der das Digitale inzwischen zum Standard geworden ist, müssen Verlage anfangen, sich mit „Big Data“ zu beschäftigen – großen Informationsmengen, die in internen Unternehmenssystemen und von verschiedenen Anbietern digitaler Daten erfasst werden (Muster im Konsumenten- und Kaufverhalten, elektronische Downloads und Website-Analysen, Social-Media-Verhalten). Big-Data-Analysen können genutzt werden, um die Ergebnisse von Online-Verkäufen oder der Einführung neuer Produkte vorherzusagen oder die Effizienz von Marketingaktivitäten zu steigern. Genuin digitale Unternehmen wie Google oder Amazon sind in diesem Bereich bereits sehr weit fortgeschritten. Die Nutzung von Big Data kann jedoch auch für andere, eher traditionelle Unternehmen von großem Vorteil sein. Dies ist nur eines von vielen Beispielen für die Beobachtung derer, die in einem Umfeld extremer Unsicherheit erfolgreich sind.
Aus dem Englischen übersetzt von Silke Schürrer
Ein schöner Beitrag, vielen Dank für die Übersetzung! Ich hätte mir noch gewünscht, dass auch der Aspekt der Vereinfachung von Kommunikation in den Teams angesprochen wird. Wir haben in unserem kleinen Verlag im letzten Jahr die Projektmanagement-Software Comindware (http://www.comindware.com/de/) eingeführt und haben seitdem eine deutlich schnellere und bessere Kommunikation untereinander. Sowohl in den einzelnen Abteilungen als auch abteilungsübergreifend. Und diese effizienteren Prozesse führen natürlich auch zu einer höheren Produktivität.
Harry Frankfurt hat zu diesem Thema ein schönes Buch bei Suhrkamp geschrieben.