Die Buchbranche sorgt sich um die Sichtbarkeit ihrer Produkte: Nachdem bereits in den vergangenen Jahren bei den Öffentlich-Rechtlichen Sendeplätze für Buchthemen getrichen worden waren, soll jetzt auch das „Bücherjournal“ im NDR eingestellt werden. Die Branche protestiert.
Der NDR muss in den kommenden vier Jahren 300 Mio Euro einsparen. Ein Opfer ist das seit über 30 Jahren sechsmal im Jahr ausgestrahlte „Bücherjournal“, das nach der letzten Sendung (1. Dezember) eingestellt wird – neben geringer Einschaltquoten auch mit Verweis auf andere Literaturformate. Weiterhin multimedial ausgestrahlt wird das „Kulturjournal“, in dem auch zukünftig Bücher besprochen werden, sowie die Veranstaltungsreihe „Der Norden liest“ mit Lesungen im Sendegebiet.
Börsenverein kritisiert Öffentlich-Rechtliche
Der Börsenverein kritisiert die Streichpläne. „Unsere Gesellschaft braucht das öffentliche Gespräch über Bücher. In den Programmen von ARD und ZDF aber haben Bücher in den vergangenen Jahren massiv an Sichtbarkeit eingebüßt. Seinem Auftrag einer kulturellen Grundversorgung kommt der öffentlich-rechtliche Rundfunk damit nicht mehr ausreichend nach”, sagt Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs. Dies sei gesellschaftlich besorgniserregend. „Bücher stehen für solide recherchierte und differenzierte Informationen, sie vermitteln komplexe Zusammenhänge, geben dialektische Denkanstöße und tragen neue Themen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Sie sind Teil unserer kulturellen DNA und leisten einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen einer freien, demokratischen Gesellschaft.”
Auch Verleger und Buchhändler werden zitiert. „Das aktuelle Programmschema des NDR weist gewiss kein Übermaß an kulturellen Sendungen auf. Da Kultursendungen vermutlich nicht zu den besonders teuren Produktionen zählen, ist schwer nachzuvollziehen, dass ausgerechnet das Bücherjournal mit seiner 30-jährigen Geschichte den aktuellen Sparbemühungen zum Opfer fallen soll”, sagt etwa Random House-CEO Thomas Rathnow. Björn Bedey (Geschäftsführer Bedey Media) wird grundsätzlich: „Die angekündigte Einstellung der Literatursendung Bücherjournal des NDR stößt in diesem Kontext auf mein vollkommenes Unverständnis und stellt hierdurch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an sich in Frage.“
»Folgenreiche Fehlentscheidung«
Das Literaturhaus Hamburg hat sich in einem offenen Brief an den NDR-Intendanten Joachim Knuth gewandt und fordert ihn auf, die Entscheidung, das „Bücherjournal” einzustellen, zu revidieren. „Mit Entsetzen haben wir die Ankündigung wahrgenommen, dass der Norddeutsche Rundfunk sein TV-Magazin „Bücherjournal“, die älteste Büchersendung im deutschen Fernsehen, einstellen will. Wir halten das für eine folgenreiche Fehlentscheidung, von der ein fatales Signal ausgeht.” Insbesondere in der jetzigen Situation, „da Buchhandlungen, Verlage und Kultureinrichtungen aller Art vor dem finanziellen Aus stehen, kommt es darauf an, den Stellenwert von Büchern stärker denn je herauszustellen und den Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten ernst zu nehmen. Die von Ihnen angekündigte Einstellung des „Bücherjournals“ spricht diesen Anstrengungen hohn und trägt zur Zerstörung unseres kulturellen Lebens bei.”
Unterzeichnet wurde der Protestbrief federführend von Isabel Bogdan (Autorin und Übersetzerin), Rainer Moritz (Leiter des Literaturhauses Hamburg und Autor) und Regula Venske (Präsidentin des PEN-Zentrums Deutschland und Autorin). Auch zahlreiche Verleger, Buchhandungen, Autoren und Übersetzer haben unterzeichnet.
Kulturkarussell in der ARD
Auch an anderer Stelle wird in der ARD derzeit an der Kultur geschraubt: Voraussichtlich im MDR soll eine neue digitale Kulturplattform entstehen, die die Kulturinhalte der ARD-Anstalten bündelt. Die Beratungen hierzu sind aber noch nicht abgeschlossen. In der aktuellen Corona-Zeit hatten einzelne Sender bereits neue Online-Kulturformate angeschoben und so auch Online-Lesungen ermöglicht. Beispiele sind die „Kultur-Ambulanz“ im WDR und der „Corona Culture Club“ im SR.
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