Jetzt ist amtlich, was die Razzia der EU-Kommission im Frühjahr (buchreport.de berichtete) schon ahnen ließ: Europas Kartellwächter untersuchen, ob und inwieweit europäische E-Book-Verlage, u.a. die deutsche Verlagsgruppe Holtzbrinck, beim Vertrieb ihrer elektronischen Bücher „rechtswidrige Vereinbarungen“ geschlossen haben. Da auch Apple ins Visier genommen wird, dürfte es der Kommission um das vom US-Konzern angestoßene Agency-Modell gehen, bei dem die Verlage die Bedingungen des E-Book-Verkaufs kontrollieren, insbesondere den Preis. Und damit bahnt sich auf europäischer Ebene eine politisch hochbrisante Auseinandersetzung an.
Die EU-Beamten dürften viel mehr im Auge haben als den E-Book-Markt, dessen wirtschaftliche Bedeutung global gesehen selbst nach kühnen Prognosen auf Sicht überschaubar bleiben wird. Wirklich bedrohlich ist das Agency-Modell aus Perspektive der Gralshüter des freien Marktes als Vorbild für andere Branchen – als Hebel, mit dem Hersteller verschiedenster digitaler Produkte den Wettbewerb auf ihren Märkten aushebeln könnten.
Für die Buchbranche ist das Agency-Modell nicht zuletzt deshalb relevant, weil es zuletzt den Streit um die Preisbindung für E-Books entschärft hatte. Wenn die Wettbewerbshüter diesem Modell den Kampf ansagen, könnte es aber für die Branche auch schnell um viel mehr gehen als eine wohlfeile E-Book-Preisbindung. Debatten über die Gestaltung der digitalen Zukunft haben wie etwa die Urheberrechtsdiskussionen (hier mehr) die ungute Tendenz, alle möglichen bewährten Regelungen auf den Prüfstand zu bringen, die mit der Fragestellung als solcher nichts zu tun haben.
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