Überall in Deutschland regt sich Kritik an der Behandlung des Einzelhandels. Das Verständnis für die verordneten Schließungen vieler Geschäfte scheint langsam zu erodieren – zumal angesichts bald wieder möglicher Öffnungen für bestimmte Dienstleister wie Friseure. Auch in der Bevölkerung scheint eine gewisse Ermüdung erkennbar angesichts ausbleibender Perspektiven und immer neuer Grenzwerte, wie es Holger Stark in einem Kommentar in der „Zeit“ gerade formulierte.
Die zentrale Kritik lautet im Grunde überall: Warum soll der Fachhandel mit seinen erprobten Hygienekonzepten eigentlich anders behandelt werden als große SB-Warenhäuser oder Drogerien?
Zuletzt hatte die Verbundgruppe EK/servicegroup sich zu Wort gemeldet, aber auch aus dem Buchhandel selbst wird die Kritik immer vernehmlicher. Derweil gibt es auch nach dem jüngsten Wirtschaftsgipfel noch keine klaren Pläne für eine Wiederöffnung des Einzelhandels, ob in Teilen oder im Ganzen. Seit Wochen formuliert der Handelsverband Deutschland (HDE) daher immer neue Warnungen vor möglichen Insolvenzwellen.
Jetzt haben Buchhändler, Verleger und Autoren einen dringlichen Brief an Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder verfasst. Das Schreiben, das dem buchreport vorliegt, ist stellvertretend unterzeichnet von Verlegerin Antje Kunstmann und Buchhändler Michel Lemling (Lehmkuhl). Weitere Unterzeichner sind Martin Walser, Herta Müller, Uwe Timm oder Alexander Kluge. Damit bekommt das Schreiben durchaus Gewicht – am Samstag wird der Brief als Anzeige unter dem Titel „Zugang zu Bildung, Wissen und Kultur“ in der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlicht.
„Bücher wichtiger denn je“
In dem Schreiben gehe es im Kern darum, Buchhandlungen wieder vollständig öffnen zu dürfen. Das wäre ohnehin kein Präzedenzfall, denn in verschiedenen Bundesländern wie Berlin oder Sachsen-Anhalt ist dies bereits der Fall.
„Die Buchbranche leistet einen anerkannten Beitrag zu Wissen, Bildung und Kultur. Sie sichert die Meinungsvielfalt und stärkt die Demokratie. In Zeiten des Lockdowns sind Bücher wichtiger denn je“, heißt es in dem Schreiben. „Wir, die bayerische Buchbranche mit 45.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 7,5 Milliarden Euro wollen unseren Beitrag leisten, dafür brauchen wir offene Buchhandlungen.“
Die bisher zulässigen Click&Collect-Möglichkeiten seien sicher sinnvoll, doch erreiche man damit nur jene Leser, die ohnehin schon wüssten, welches Buch sie kaufen wollen. Beratung für Leser sei dagegen nur schwer oder gar nicht möglich, auch wenn viele Buchhändler in der Not auf Instagram oder Youtube kleine Lesetipps geben. Ein Ersatz für die große Auswahl im Laden kann dies aber nicht sein.
In dem Brief werben die Unterzeichner für die Möglichkeit, Leser eine Orientierung in Neuerscheinungen zu geben und damit den Leserschwund zu verringern. Zudem formulieren sie eine gewisse Notlage: „Nach inzwischen zwei Monaten Lockdown und einem drastischen Umsatzrückgang sind wir mit unseren Autorinnen und Autoren in großer Sorge um unsere Unternehmen.“
Ob das Schreiben Erfolgsaussichten hat, muss derzeit noch mit einem Fragezeichen versehen werden. Am Aschermittwoch hatte Markus Söder als Öffnungs-Perspektive zunächst Gärtnereien und private Kontakte genannt, erst dann den Einzelhandel. Aber Söders Aussage war zugleich verknüpft mit einem Inzidenzwert von 35. Termine wollte Söder dabei nicht nennen.
Dazu auch der Debatten-Beitrag: Das Buch wieder in den Fokus rücken
Der Brief im Wortlaut
„150 unterzeichnende Buchhändlerinnen und Buchhändler, 70 Verlegerinnen und Verleger sowie 180 Autorinnen und Autoren haben sich in einem offenen Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder gewandt. Sie fordern die Öffnung der Buchhandlungen für einen freien Zugang zu Bildung, Wissen und Kultur für die Menschen in Bayern. Die bayerische Buchbranche betont in dem Schreiben den anerkannten gesellschaftlichen Beitrag des Buchhandels zur Sicherung von Meinungsvielfalt und zur Stärkung der Demokratie.
In Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt wurden die Buchhandlungen im aktuellen Lockdown von der Schließung des Einzelhandels ausgenommen. In Bayern hingegen sind die Buchhandlungen seit nun fast zehn Wochen geschlossen. Die lange Schließung stellt die Verlage und Buchhandlungen, so in dem Brief, vor eine große Herausforderung, die aktuellen Neuerscheinungen und ihre Autorinnen und Autoren sichtbar zu machen. „Nach inzwischen zwei Monaten Lockdown und einem drastischen Umsatzrückgang sind wir mit unseren Autorinnen und Autoren in großer Sorge um unsere Unternehmen.“
Der Brief geht auf eine Initiative von Antje Kunstmann, Verlegerin des Kunstmann Verlags, und Michael Lemling, Geschäftsführer der Buchhandlung Lehmkuhl, zurück und wird vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. unterstützt. Er erscheint am Samstag, 20. Februar 2021, als Zeitungsanzeige.“
Die Liste aller Unterzeichner gibt es hier.
Wenn man sieht wie hoch die Ausleihzahlen unserer Gemeindebücherei sind, obwohl es schwieriger ist Bücher auszuwählen, kann man ermessen welchen Stellenwert Büchereien haben. Besonders die Kinder haben keine Möglichkeit ihre Bücher auszuwählen..