Nicole Geismann ist Verlagsleiterin Hardcover für die Penguin Random House-Marken Blanvalet, Limes und Penhaligon. Im Interview spricht sie über Buchcover-Gestaltung, die auf allen Vertriebswegen funktioniert.
Wie sehr beschäftigt Sie das Thema der kleinen Cover-Abbildungen im Digitalen?
Wir denken bei der Entscheidung schon lange mit, dass Cover auch online gut aussehen müssen – oder grundsätzlich: Ein Cover muss auf allen Vertriebswegen gut funktionieren. Die Ansprüche variieren je nach Zielgruppe. Für die einen müssen sie instagrammable sein, für die anderen haptisch besonders.
Mit Blick auf Online klar strukturiert, mit großer Schrift?
Gute Lesbarkeit ist ein Kriterium, aber das Thema ist komplexer, weil es vor allem darum geht, den Charakter des Buches zu vermitteln, das Genre. Die Leserinnen und Leser müssen auf einen Blick einschätzen können, was sie erwartet.
Wie briefen Sie die Grafiker?
Wir charakterisieren das Buch, sagen etwas zum Setting, zur Emotionalität, ob es eher witzig ist oder brutaler Stoff. Wir Lektorinnen und Lektoren sind wortgewandt, haben aber nicht unbedingt Bilder im Kopf, bei den Grafikern ist es umgekehrt. Da ist die Kommunikation nicht immer einfach, aber wir kommen am Ende immer zusammen.
Die große Herausforderung für Grafiker ist Genre-Literatur: Sie müssen die Schublade treffen und gleichzeitig originell sein. Online hat jedes Buch seinen Einzelauftritt. Für Buchhandlungen müssen sie aber so gestaltet sein, dass sie auf dem passenden Tisch platziert werden und dort gleichwohl hervorstechen.
Funktioniert das Cover aus als Daumennagel?
In der Coronazeit wurden (noch) mehr Bücher online gekauft. Es wird wichtiger, dass der Umschlag nicht nur vor Ort, sondern auch auf dem Bildschirm gut wirkt. Das aber ist umso schwieriger, je effektvoller das Buch inszeniert werden soll. Ein Beitrag aus dem buchreport.magazin Juli/August 2021
Was ist die große Herausforderung in der Online-Präsentation?
Viele Leserinnen und Leser, die gerne gedruckte Bücher lesen, achten auch auf Ausstattungsdetails. Zur Veredelung gehören Glitzer, Prägungen, besondere Lackierungen, die ein haptisches Erlebnis bieten. Das kommt bei der eindimensionalen Online-Abbildung oft nicht richtig rüber. Deshalb wirken manche Bücher online langweilig, obwohl sie physisch durch Veredelung richtig leben.
Was kann man online tun?
Wir machen unterschiedliche Produktfotos, zum Beispiel mit seitlichem Lichteinfall, damit die besonderen Strukturen und Veredelungselemente zur Geltung kommen. Onlineshops, die die Möglichkeit bieten, solches Extramaterial anzuzeigen, geben wir also mehr mit. Es soll Interesse wecken, dazu einladen, das Buch genauer anzuschauen – genau wie in der Buchhandlung, wo man angeregt wird, ein solches Buch in die Hand zu nehmen.
Ist die „Verpackung“ eine reine Marketing-Entscheidung?
Da spielen ganz viele Sichtweisen eine Rolle. Zudem werden gerade deutschsprachige Autorinnen und Autoren immer in den Entscheidungsprozess eingebunden. Manche sind sehr detailliert interessiert und haben den Marketing-Blick, bei anderen geht es darum, ob es persönlich gefällt. Wenn ein Autor oder eine Autorin gegen einen Entwurf votiert, wird der nicht umgesetzt.
Wird bei Lizenztiteln meist das Ursprungscover übernommen?
Das ist ganz unterschiedlich, früher waren die Märkte näher beieinander. Bei großen Büchern wird manchmal ein einheitlicher Auftritt angestrebt, um einen internationalen Hype zu erzeugen wie bei „Girl on the Train“ von Paula Hawkins. Beim neuen Hawkins-Buch unterscheiden sich bereits die Cover in Großbritannien und den USA. Die Geschmäcker haben sich schon stärker auseinanderentwickelt. Und es gibt Fälle, in denen wir ein Buch auch ganz anders positionieren wie Clare Empsons „Zweimal im Leben“, das wir als dramatische Liebesgeschichte inszeniert haben, während der britische Originalverlag es als Domestic Noir, also Psycho-Spannung, platziert hat.
Die Fragen stellte Thomas Wilking
Buchcover – im buchreport.magazin 7-8/2021
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