Bevor in der modernen Kosumwelt mit Plakaten intensiv geworben wurde, dienten Aushänge im antiken Rom zur Bekanntmachung von Gesetzen oder wurden in späteren Jahren als Thesenpapier auch mal an Kirchtüren genagelt. Diese politische Tradition belebt derzeit der Buchhandel, der in Plakaten etwa das Preisbindungsgesetz hochhält und ganz grundsätzlich für seine Position in der Handelslandschaft wirbt.
Die Kundenzeitschrift „buch aktuell“ und der Buchhändlerverbund eBuch haben aktuell Plakate entwickelt und auch der Börsenverein will sich trotz anfänglicher Skepsis rühren.
Preisbindung und Besorgung als Werbeargument
Die zentralen Botschaften sind die zwei Besonderheiten der Buchbranche:
- Die Buchpreisbindung ist nach lang geübter Praxis seit 2002 Gesetz, aber vielen Endkunden ist gar nicht bewusst, dass neue Bücher überall dasselbe kosten.
- Die Übernachtbesorgung aus einer Auswahl von Hunderttausenden Buchtiteln. Die besondere Leistung ist zwar allen Branchenteilnehmern geläufig, wird aber nach außen gern unter den Scheffel gestellt.
Das Nicht-Wissen bringt den Standortbuchhandel gegenüber dem dynamisch wachsenden Online-Handel ins Hintertreffen, der mit breiter Brust seine schnelle Belieferung preist und vom Image der Preisgünstigkeit profitiert. Endkunden verbinden das Preisgünstige generell mit dem Internet-Shopping.
Buchkäufer haben kein buchhändlerisches Fachwissen
Das Problem, dass Endkunden die Branchenbesonderheit Preisbindung nicht kennen, hatte buchreport festgestellt und zwar erstens mit einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage („Wenn Sie ein neues Buch kaufen, wo bekommen Sie das am preisgünstigsten?“) und zweitens mit einer Umfrage unter Buchhändlern („Was schätzen Sie: Wie viel Prozent Ihrer Kunden wissen, dass Bücher preisgebunden sind?)
In der Gesamtbevölkerung wissen demnach nur 17%, dass neue Bücher überall dasselbe kosten. Die Buchhändler glauben im Schnitt, dass 42% ihrer Kunden über die Preisbindung im Bilde sind, also mehrheitlich ebenfalls nicht Bescheid wissen. In der Bevölkerungsumfrage wurde zudem deutlich, dass viele den Online-Buchhandel für preisgünstiger halten.
Nachdem buchreport die dramatischen Befunde veröffentlicht hatte und Buchhändler in Kommentaren einen offensiveren Umgang mit dem Thema gefordert hatten, wurden kleine Kampagnen geschmiedet:
- Die Kundenzeitschrift „buch aktuell“, herausgegeben vom buchreport-Verlag Harenberg hat drei Plakate und Lesezeichen entwickelt: Sie positionieren den Standortbuchhandel gegenüber den Online-Spezialisten in Sachen Preisgleichheit und Schnelligkeit und bieten dem Händler die Option, auf den eigenen Web-Shop hinzuweisen (hier mehr):
- Die eBuch-Genossenschaft hat mit derselben Ausgangsanalyse ebenfalls ein Plakat mit diesen Botschaften entwickelt und operiert als Hingucker mit Prozentzeichen.
Mittlerweile signalisiert auch der Börsenverein, Lesezeichen und Plakate mit „positiver Botschaft zur Preisbindung“ vorzubereiten.
Image-Kampagne akzentuiert Übernachtlieferung
Die Leistungen des Buchhandels hat zuvor bereits der Börsenvereins-Landesverband Nordrhein-Westfalen im Rahmen seiner vielfältigen „echt & gut“-Imagekampagne herausgestellt. Neben etwas behäbig-umständlichen Botschaften,
- „Wir engagieren uns vor Ort und bereichern mit unseren Aktivitäten die lokale Kultur“
- „Wir schätzen den langjährigen Kontakt zu Ihnen und freuen uns immer, wenn wir auf Ihre Wünsche und Vorstellungen individuell eingehen können“,
haben die Verbands-Imagewerber auch jene besondere Leistung herausgestellt, die allen Branchenteilnehmern geläufig ist, aber nicht an die große Glocke gehängt wird:
- „Ihr Buch kommt über Nacht. Portofrei und am nächsten Tag da.“
Das ist kundenorientiert formuliert, wenn auch in etwas leiser Typografie aufs rote Plakat gebracht (s. Abbildung rechts). Bei der Gelegenheit: In der Branche ist man gespannt, ob auch im Falle einer Verschmelzung mit dem Bundesverband noch Raum für kreative Aktionen aus NRW bestehen wird.
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