Spendensammlungen vor Ort, Subskriptionen, Darlehen und der Verkauf von Anteilen an Projekten, das gibt es alles schon lange. Crowdfunding beeinhaltet diese Elemente, nutzt aber die Effizienz und Reichweite des Internets. Wenn etablierteMechanismen ins Internet übertragen werden, dann ergeben sich neue Möglichkeiten wie zum Beispiel die Chance, das Publikum an diversen kreativen Prozessen zu beteiligen. Ich glaube, dass Crowdfunding, oder wie auch immer man es zukünftig nennen wird, in den kommenden Jahren einen immensen Einfluss auf die Kulturbranchen haben wird. Crowdfunding ermöglicht Risikomanagement für Konsumgüter und Dienstleistungen. Sie können mit sozialen und geographischen Daten verknüpft werden.
Wie wird Crowdfunding die Buchbranche verändern?
Jedes Ökosystem reagiert auf Veränderungen von außen. Ein höherer Sauerstoffgrad schafft Potenzial für neue Arten und höhere Temperaturen haben Einfluss darauf, welche Arten überleben werden. Das Internet und nun die Konvergenz von Social Media und Gemeinschaftsfinanzierung (Web 3.0) können als externer Einfluss auf eine Branche betrachtet werden. Dies wird die Buchbranche auf jeden Fall beeinflussen, es wird Raum für neue Akteure schaffen und das gesamte Gefüge verändern. Diesen Wandel können wir auch in der Musikindustrie sehen, wo sowohl die Produktion als auch das Marketing und der Vertrieb sich durch die Digitalisierung enorm verändert haben. Die Buchbranche macht ähnliches durch. Crowdfunding ist ein neues Element in diesem Prozess. Manche nutzen es als Test, ob ein Musiker für ein Label oder ein Autor für einen Verlag reif ist. Das ist natürlich ein simpler Weg des Risikomanagements. Ich glaube, dass man Crowdfunding als Teil eines größeren parallel stattfindenden Wandels betrachten sollte. Wenn ich ein Buch auf dem Kindle lese, kann ich den Text in meiner Community kommentieren und die Kommentare anderer Nutzer aufklappen wie im Kommentarbereich von Online-Magazinen. Crowdfunding ist der logische Weg, finanzielle Transaktionen mit Kreationen auf einer sozialen Plattform zu verknüpfen. Es bedeutet mehr als Subskriptionen. Wer neugierig ist, wie das funktioniert, sollte sich auch Flattr anschauen.
Braucht es einen bestimmten Autorentypus, der über Crowdfunding-Plattformen erfolgreich seine Bücher finanziert?
Generell würde ich das verneinen. Eine starke Geschichte setzt sich auf allen Plattformen durch. Ich erkenne aber zwei Strategien, die besonders gut zu funktionieren scheinen. Glaubwürdigkeit plus Reichweite über soziale Netzwerke ist die eine. Um die Strategie anwenden, muss man aber mehr als ein Autor sein. Die “Double Fine” Kampagne bei Kickstarter ist dafür ein gutes Beispiel.
Die andere Strategie lautet: Remix populärer Inhalte. Man knüpft dabei an existierenden Nischencontent und an Special Interest Gruppen an, zum Beispiel an eine Konferenz für Bronies (erwachsene Fans des subversiven Kults um die Kinderserie “My Little Pony”, red.).
Was motiviert Sie persönlich, in der Crowdfunding-Branche aktiv zu sein? Was unterscheidet Crowdculture von seinen Wettbewerbern?
Diese beiden Fragen würde ich gerne in einer Antwort zusammenfassen. Das System, das wir gebaut haben, ist nicht bloß eine simple Crowdfunding-Plattform. Es ist ein hybrides Wirtschaftsmodell, wir verbinden darauf das Crowdsourcing von Investmententscheidungen mit Crowdfunding. Private und öffentliche Fonds koinvestieren unter Bedingungen, die sie selbst festlegen, in Projekte, in welche Bürger investieren. Das ermöglicht den Projekten und Bürgern als individuellen Geldgebern, mit wenig Geld eine Hebelwirkung zu erzielen. Was mich persönlich motiviert, ist, mit Investoren zu arbeiten. Es ist das Potenzial, über demokratische Wege zu bestimmen, welche Projekte über Kulturbudgets finanziert werden. Öffentliche Haushalte werden transparent und unsere aufgeklärten Bürger können die kulturelle Landschaft, in der wir leben, mitgestalten. Das motiviert mich ungemein.
Was ist der USP, der Kern Ihres Produkts?
Kulturfonds helfen, in solche Projekte zu investieren, die von größtem Interesse für die Allgemeinheit sind.
Welche Bereiche Ihres Geschäfts könnten Sie outsourcen oder als Joint Venture betreiben?
Das Konzept basiert auf Joint Ventures, Kollaboration ist schon im Kern angelegt. Wir haben einen Mechanismus entwickelt, der es erheblich effizienter macht, herauszufinden, welches die wirklich relevanten Projekte sind, in die es sich zu investieren lohnt. Dies umzusetzen, so wie wir es in Schweden tun, funktioniert auf einer breiten kollaborativen Basis. Aber das Modell ist skalierbar, und jeder, der daran interessiert ist, es zu nutzen, kann uns kontaktieren und unser Modell über Apps in seine Plattform integrieren. Jeder kann seine Plattform in eine hybride Crowdfunding-Plattform verwandeln.
Wie wichtig ist internationale Kolloboration für Crowdculture?
Nicht besonders wichtig. Crowdfunding funktioniert nicht über das Konzept von Nationalstaaten mit nationaler Kulturpolitik. Aber für die Produzenten und Kreativen ist es natürlich sehr wichtig, ihre Inhalte neuen Interessenten vorzustellen. Damit das geschehen kann, müssen Verbindungen zu den existierenden interkulturellen Netzwerken und Handelsbeziehungen in der analogen Welt geschaffen werden. Für diese kann Crowdfunding ein wichtiges Werkzeug werden.
Wo sehen Sie Crowdfunding und Crowdculture in fünf Jahren?
Die Einführung und Stabilisierung neuer Geschäftsmodelle dauert eine Weile. Ich glaube, das Phänomen Crowdfunding wird bald den Massenmarkt erreichen. Es wird zum einen eine Marktkonsolidierung geben. Momentan herrscht eine typische Goldgräberstimmung. Immer mehr Plattformen werden gegründet, von denen die meisten auf dem gleichen simplen Geschäftsmodell mit fünf bis zehn Prozent Provision beruhen. Die meisten Plattformen sind unterkapitalisiert und werden schnell wieder vom Markt verschwinden. Zum anderen: viele zusätzliche Funktionen, einfach auszuführende mobile Transaktionen und sichere Übertragungsprotokolle komen jetzt auf den Markt. Diese Trends werden dafür sorgen, dass das Schwellenmodell Crowdfunding zu einem weit verbreiteten Modell wird.
Max Valentin ist Sprecher der All Media Konferenz StoryDrive (11. – 12. Oktober, Frankfurter Buchmesse)
Im Blog der Frankfurter Buchmesse schreiben Mitarbeiter und Gastautoren über die großen und kleinen Themen der Messe. Schwerpunkt ist dieses Jahr neben dem Ehrengast Neuseeland das Thema Kinder- und Jugendmedien, aber auch die Frage nach neuen Geschäftsmodellen im internationalen Publishing. Kreative und Publisher aus Deutschland, USA, UK, Neuseeland antworten hier auf die Fragen: Warum tun wir, was wir tun? Was ist unsere Leidenschaft – als Autoren und als Publisher? Woher kommt das Geld, damit wir uns diese Leidenschaft auch leisten können? Und: welche neuen Geschäftsmodelle sind hier in Sicht?
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